Die exzentrische Umlaufbahn des Zwergplaneten hat möglicherweise Einfluss auf seine Gashülle. Eine Information der Universität Stuttgart, Deutsches SOFIA Institut.
Quelle: Universität Stuttgart.
SOFIA – Beobachtungen beweisen erstmals, dass in der Atmosphäre des Zwergplaneten Pluto wiederholt Nebel produziert wird, der aus kleinen Partikeln besteht und für längere Zeit dort verharrt, anstatt sofort auf die Oberfläche abzuregnen. Außerdem lassen die neuen Daten vermuten, dass die Gashülle des Zwergplaneten widerstandsfähiger ist, als bislang angenommen. Die Ergebnisse stehen im Widerspruch zu bisherigen Vorhersagen und wurden von einem Team um Michael Person vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Icarus“ veröffentlicht, zu dem auch Jürgen Wolf, Enrico Pfüller und Manuel Wiedemann vom DSI gehören. „Pluto ist ein mysteriöses Objekt, das uns immer wieder überrascht“, sagte Michael Person. „In früheren Beobachtungen hatte es Hinweise darauf gegeben, dass es Dunst geben könnte, aber es gab keine stichhaltigen Beweise dafür, dass er wirklich existierte, bis die Daten von SOFIA kamen.“
Zur rechten Zeit am rechten Ort
Am Morgen des 30. Juni 2015 zog Pluto am neuseeländischen Nachthimmel vor einem weit entfernten Stern hinweg. Von hinten durch den Stern angestrahlt hat der Zwergplanet etwa 90 Sekunden lang einen etwa 2.000 Kilometer breiten Schatten auf die Erdoberfläche geworfen, der mit rund 85.000 Kilometer pro Stunde über den Pazifischen Ozean raste. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen hatten so die seltene Gelegenheit, Pluto und seine dünne Atmosphäre detailliert zu untersuchen. „Dazu mussten wir aber mit SOFIA zur rechten Zeit am rechten Ort sein“, erinnert sich Enrico Pfüller, DSI-Instrument Wissenschaftler, der bei der Mission mit an Bord war.
Dank der hervorragenden Vorarbeit der Kollegen und Kolleginnen am (MIT) konnte SOFIA auf den richtigen Kurs gebracht werden. Selbst eine letzte Korrektur der Schattenposition um 330 km nach Norden, mittels neuer astrometrischer Daten aus Chile, konnte berücksichtigt werden. Pünktlich zum vorhergesagten Zeitpunkt sank das Signal des verfinsterten Sterns für rund 130 Sekunden um etwa zwei Magnituden ab. Zum Zeitpunkt der zentralen Bedeckung – in der Mitte der Lichtkurve – konnte der sogenannte „Central Flash“ gemessen werden. Dabei wird Licht des Sterns durch die Plutoatmosphäre gebrochen und so zum Beobachter gelenkt. Der Effekt ist nur in einer schmalen Zone um die Zentrallinie des Schattens sichtbar. Dieses starke Signal zeigt, wie dieses Ereignis vorhergesagt werden konnte und ist der Beweis dafür, dass die Piloten SOFIA nahe an die Mitte des Schattens manövriert hatten.
Die Bedeckung des Sterns UCAC2 139-209445 durch Pluto wurde mit dem vom DSI entwickelten Focal Plane Imager+, (FPI+) sowie den Instrumenten HIPO (High-speed Imaging Photometer for Occultations) und FLITECam (First Light Infrared TEst CAMera) aufgezeichnet. Die so gewonnenen Aufnahmen bei infraroten und visuellen Wellenlägen ermöglichten vor allem eine Untersuchung der mittleren Schichten der Plutoatmosphäre.
Genau zwei Wochen nach dieser spektakulären Beobachtung – auf astronomischen Zeitskalen also praktisch zeitgleich – flog die Raumsonde News Horizons am 14. Juli 2015 an Pluto vorbei und machte atemberaubende Bilder von dieser kleinen, kalten Welt und ihrer dunstigen Atmosphäre. Mit Radiowellen und ultraviolettem Licht untersuchte die Sonde anders als SOFIA die oberen und unteren Schichten der Gashülle des Zwergplaneten. Diese kombinierten Datensätze von SOFIA und New Horizons, liefern das bisher vollständigste Bild der Plutoatmosphäre und helfen zu erklären, wie Nebel in der Plutoatmosphäre entsteht, während der Zwergplanet sich auf einer ungewöhnlichen Umlaufbahn bewegt.
Blaue, trübe Atmosphäre
Die Bilder der New Horizons Sonde deuten auf eine bläuliche Färbung des Nebelschleiers um Pluto hin. Die Daten von SOFIA zeigen, dass diese Partikel extrem klein sind, nur 0,06 bis 0,10 Mikrometer im Durchmesser (etwa tausend Mal dünner als ein menschliches Haar). Aufgrund ihrer geringen Größe streuen sie blaues Licht stärker als andere Farben, wodurch der blaue Farbton entsteht.
Die Plutoatmosphäre entsteht, wenn sein Oberflächeneis unter dem Licht der 4,5 Milliarden Kilometer entfernten Sonne verdampft. Pluto umkreist die Sonne auf einer 248 Erdenjahre langen, exzentrischen – oder elliptischen – Umlaufbahn, die zusätzlich um 17 Grad gegenüber den Umlaufbahnen der anderen Planeten geneigt ist, und rotiert dabei um seine eigene Achse. Frühere Vorhersagen deuteten darauf hin, dass weniger Oberflächeneis verdampfen würde, wenn sich Pluto auf seiner elliptischen Bahn von der Sonne entfernt. Dadurch würden weniger atmosphärische Gase entstehen, während die Verluste in den Weltraum anhalten würden – was schließlich zum Kollaps der Atmosphäre führen könnte. Aber anstatt zu kollabieren, scheint sich die Plutoatmosphäre in einem, wenige Jahre andauernden Zyklus zu regenerieren. Einige Bereiche des Zwergplaneten scheinen an verschiedenen Punkten der Umlaufbahn mehr Sonnenlicht ausgesetzt zu sein als andere. Wenn also eine eisreiche Regionen stark vom Sonnenlicht beschienen wird, kann sich die Atmosphäre ausdehnen und mehr Dunstpartikel erzeugen. Wenn aber diese Gebiete weniger Sonnenlicht erhalten, schrumpft die Gashülle und wird klarer. Selbst mit zunehmendem Abstand des Pluto von der Sonne scheint sich dieser Zyklus zu wiederholen, auch wenn nicht klar ist, wie lange sich dieses Muster fortsetzen wird.
„Es gibt noch vieles, was wir nicht verstehen, aber wir sind jetzt gezwungen, frühere Vorhersagen zu überdenken“, so Mike Person. „Die Atmosphäre des Pluto könnte langsamer kollabieren als zuvor vorhergesagt, oder vielleicht auch gar nicht. Wir müssen sie weiter beobachten, um das herauszufinden.“
Über SOFIA
SOFIA, das Stratosphären Observatorium für Infrarot Astronomie, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR; Förderkennzeichen 50OK0901, 50OK1301 und 50OK1701) und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Der wissenschaftliche Betrieb wird auf deutscher Seite vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert, auf amerikanischer Seite von der Universities Space Research Association (USRA). Die Entwicklung der deutschen Instrumente ist finanziert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des DLR.