Astronomen haben bei der Untersuchung eines Neutronensterns durch das Röntgenobservatorium XMM-Newton der ESA festgestellt, dass dieser nicht so gleichförmig rotiert wie erwartet.
Ein Beitrag von Ingo Froeschmann. Quelle: ESA.
Durch die Beobachtungen erhoffen sich die Astronomen einen tieferen Einblick in die Entwicklung und innere Struktur dieser Sterne. Rotierende Neutronensterne, auch Pulsare genannt, sind als sehr stabile Systeme bekannt. Dank ihrer periodisch ausgesendeten Signale im Radio- oder Röntgenbereich dienen sie als hochpräzise astronomische Uhren.
Die Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Temperatur des beobachteten Sterns mit der Bezeichnung RX J0720.4-3125 in den letzten viereinhalb Jahren kontinuierlich anstieg. Die allerneuesten Beobachtungen zeigen nun jedoch einen Rückgang der Temperatur.
Die Temperaturschwankungen sind keine wirklichen Schwankungen, sondern ein Ergebnis des Blickwinkels, den wir auf die Sternoberfläche haben. Höchstwahrscheinlich taumelt der Neutronenstern, so dass wir verschiedene Regionen seiner Oberfläche ins Blickfeld des Teleskops bekommen.
Neutronensterne sind einer der möglichen Endpunkte der Entwicklung eines Sterns. Von ähnlicher Masse wie unsere Sonne, jedoch zusammengepresst in einen Durchmesser von 20 bis 40 Kilometern, ist ihre Dichte etwas höher als die eines Atomkerns, etwa eine Milliarde Tonnen pro Kubikzentimeter. Kurz nach ihrer Entstehung durch eine Supernova-Explosion hat der Stern eine Temperatur von einer Millionen Grad. Der Hauptteil der Strahlungsemissionen fällt in den Röntgenbereich des elektromagnetischen Spektrums. Die Sterne kühlen langsam aus und erst nach etwa einer Million Jahren sind sie nicht mehr im Röntgenspektrum beobachtbar.
Neutronensterne besitzen sehr starke Magnetfelder, die auch den Wärmetransport aus dem Inneren des Sterns an die Oberfläche beeinflussen und die Wärme zu Hotspots in der Nähe der magnetischen Pole leiten können.
Die Emissionen von diesen heißeren Polkappen dominieren das Spektrum der Sterne. Es gibt nur sehr wenige Neutronensterne, bei denen Astronomen die Energieemissionen von der Oberfläche direkt beobachten können. RX J0720.4-3125 ist mit einer Rotationsperiode von 8,5 Sekunden einer von ihnen. „Aufgrund der langen Abkühlphase der Sterne war es deshalb sehr überraschend, ein Röntgenspektrum zu finden, dass sich innerhalb weniger Jahre verändert“, sagte Forschungsleiter Frank Haberl vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching.
„Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich die Temperatur eines Neutronensterns so schnell verändert. Stattdessen sehen wir mit der Zeit verschiedene Oberflächenregionen des Sterns. Das gleiche kann auch während der Rotationsperiode beobachtet werden, wenn die Hotspots durch das Blickfeld wandern und so einen höheren Beitrag zur gesamten Wärmeemission des Sterns liefern,“ sagte Haberl.
Ein ähnlicher Effekt über einen wesentlich längeren Zeitraum kann bei einem taumelnden Neutronenstern beobachtet werden. In diesem Fall bewegt sich die Rotationsachse um einen Kegel, wodurch der Blickwinkel im Lauf der Jahre leicht verändert wird. Die Ursache könnte eine leichte Verformung der perfekten Sternkugel sein, die möglicherweise durch das starke Magnetfeld verursacht wird.
Während der ersten Beobachtung von RX J0720.4-3125 im Mai 2000 war die festgestellte Temperatur auf einem Minimum und der kältere, größere Hotspot war hauptsächlich sichtbar. Vier Jahre später (Mai 2004) hatte die Präzession wahrscheinlich einen zweiten, gleichzeitig heißeren und kleineren Hotspot, ins Blickfeld gerückt. Das könnte die Temperaturunterschiede und ihre fehlende Korrelation erklären.
Haberl und seine Kollegen haben mit ihrer Arbeit ein Modell für RX J0720.4-3125 entwickelt, das viele der ungewöhnlichen Eigenschaften des Sterns erklärt. Damit dieses Modell funktioniert, müssen die beiden Polregionen unterschiedliche Temperaturen und Ausdehnungen haben.
RX J0720.4-3125 ist wahrscheinlich das am besten geeignete Objekt für das Studium der Präzession eines Neutronensterns im Röntgenbereich, bei dem auch die Emissionen der Sternoberfläche direkt beobachtbar sind. Präzession könnte auch ein sehr gutes Mittel sein, um das innere eines Neutronensterns zu untersuchen und mehr über einen Materiezustand zu lernen, den wir unter Laborbedingungen nicht herstellen können.