Wie entstehen die Sturmgebiete auf dem Titan, dem größten Saturnmond, und welchen Einfluss haben die daraus resultierenden Niederschläge aus Methanregen auf dessen Oberfläche? Ein Wissenschaftlerteam aus den USA und Schweden präsentierte auf einem gegenwärtig in Nantes stattfindenden Kongress eine Antwort.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: EPSC-DPS 2011. Vertont von Peter Rittinger.
Durchschnittlich einmal pro Saturnjahr, also etwa alle 30 Erdjahre, gerät die Atmosphäre des Saturn aufgrund der stark ausgeprägten Jahreszeiten während des dann einsetzenden Frühlings auf der nördlichen Planetenhemisphäre in Aufruhr. In den unteren Wolkenschichten des Planeten entsteht in dieser Zeit eine Störung, welche so stark ausfällt, dass sie nicht nur verhältnismäßig kurzzeitige und punktuell auftretende Auswirkungen hat, sondern vielmehr die Atmosphäre des gesamten Planeten beeinflussen kann. Dies äußert sich in der Bildung gigantischer Sturmgebiete über den mittleren nördlichen Breiten, welche sich auf Fotoaufnahmen als helle Zonen erkennen lassen und im Gegensatz zu den „normalen“ Saturnstürmen in den mittleren Breiten über mehrere Monate hinweg aktiv sind. Gegenwärtig ist die Saturnsonde Cassini damit beschäftigt, ein solches Sturmgebiet, welches sich seit dem Dezember 2010 über der nördliche Hemisphäre des Saturn ausdehnt, näher zu untersuchen.
Aber nicht nur der Ringplanet Saturn ist von solchen jahreszeitlich bedingten Wetterphänomenen betroffen. Auch dessen Mond Titan, der größte der bisher 62 bekannten Saturnmonde, verfügt über eine dichte Atmosphäre, welche sich zu 98,4 Prozent aus Stickstoff zusammensetzt. Neben dem Edelgas Argon und der Kohlenwasserstoffverbindung Methan konnten in der Vergangenheit zudem mehr als ein Dutzend organischer Verbindungen wie zum Beispiel Ethin, Ethan, Propan und Cyanwasserstoff nachgewiesen werden.
Titans Atmosphäre erhebt sich rund zehnmal höher in den Weltraum als die irdische. Die Troposphäre des Mondes reicht zum Beispiel bis in eine Höhe von etwa 50 Kilometern. In deren oberen Schichten herrscht eine Windgeschwindigkeit von etwa 30 Metern pro Sekunde. Zudem rotiert die Atmosphäre schneller von Ost nach West als die Mondoberfläche. Dieses als Superrotation bezeichnete Phänomen führt zu starken Turbulenzen innerhalb der Troposphäre.
In der Atmosphäre des Titan sind zudem eindeutig Wolkenformationen zu erkennen, welche sich überwiegend aus Methan zusammensetzen. So konnte zum Beispiel bereits im September 2010 ein massives Sturmgebiet mit einer Ausdehnung von über 1.000 Kilometern registriert werden. Von der Raumsonde Cassini über einen Zeitraum von mehreren Jahren angefertigte Aufnahmen zeigten dabei deutlich erkennbare Veränderungen auf der Oberfläche des Mondes, welche auf einer Fläche von etwa 500.000 Quadratkilometern erfolgten. Unmittelbar nach dem Vorbeizug des Sturmes erschien die Mondoberfläche in diesem Bereich deutlich dunkler gefärbt als zuvor. Diese Veränderungen werden von den Cassini-Wissenschaftlern als ein Beleg für einen erfolgten Methanregen interpretiert, welcher zu der Verdunkelung führte.
Das auslösende Sturmgebiet verfügte in seinem Zentrum über eine Ost-West-Ausdehnung von rund 1.200 Kilometern. An den Flanken erstreckte es sich nochmals über jeweils mehrere hundert Kilometer in die nordwestliche beziehungsweise südwestliche Richtung. Wie können sich jedoch solche markanten pfeilförmigen Wolkenformationen bilden? Diese Frage konnte jetzt ein Wissenschaftlerteam um Jonathan L. Mitchell von der University of California in Los Angeles/Kalifornien beantworten.
Laut der mittels Computersimulationen durchgeführten Analysen wurde die pfeilförmige Wolkenstruktur durch weiträumige atmosphärische Wellen, den sogenannten Kelvin-Wellen, erzeugt. Diese Wellen bilden sich in der Äquatorregion des Mondes und führen dabei zur Entstehung von räumlich scharf abgegrenzten, sehr kompakt ausfallenden und unter bestimmten Umständen auch pfeilförmig geformten Wolkenstrukturen. Die Kelvin-Wellen steuern dabei zudem die globalen Windströmungen und den atmosphärischen Wärmeaustausch auf Titan. Außerdem beeinflussen diese atmosphärischen Wellen auch die auf dem Titan auftretenden Methan-Niederschläge und die dadurch bedingt auftretende Bodenerosion.
Laut der Computersimulationen der an der Forschungsarbeit beteiligten Wissenschaftler ging in dem Bereich der pfeilförmigen Wolkenstruktur eine Niederschlagsmenge von ein bis zwei Zentimetern auf die Oberfläche nieder. Diese für die auf Titan vorherrschenden Verhältnisse intensiven Niederschläge, welche immerhin etwa die 20-fache Menge des normalerweise erfolgenden Niederschlages bedeuten, könnten nach Ansicht der Wissenschaftler einen wesentlichen Faktor bei verschiedenen erosiven Prozessen darstellen, welche auf der Oberfläche des Mondes erfolgen. Unter anderem lassen sich damit die Fließstrukturen erklären, welche in der Vergangenheit auf dem Titan beobachtet werden konnten.
Die hier kurz angerissenen Forschungsergebnisse wurden heute im Rahmen des diesjährigen EPSC-DPS Joint Meeting 2011, einem gerade in Nantes/Frankreich stattfindenden Wissenschaftskongress, vorgestellt.
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