Wenn auf dem Mars der Frühling beginnt…

Bedingt durch die extremen Temperaturunterschiede lagert sich im Laufe der Jahreszeiten das in der Marsatmosphäre enthaltenen Kohlendioxid teilweise auf der Planetenoberfläche ab. Bei der später erfolgenden Sublimation werden auch Sand und Staub neu auf der Oberfläche platziert. Die sich hierbei ergebenden Umgestaltungen der Marsoberfläche werden durch die HiRISE-Kamera des Marsorbiters MRO dokumentiert.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, University of Arizona.

NASA, JPL-Caltech, University of Arizona
Diese fünf Falschfarben-Bilder, erstellt mit der HiRISE-Kamera des MRO, zeigen die saisonal bedingten Veränderungen im Bereich des Mars-Nordpols. Während des Winters auf der nördlichen Marshemisphäre bedeckt in dem hier abgebildeten Areal – es befindet sich bei 80 Grad nördlicher Breite und 122,5 Grad östlicher Länge – eine etwa 65 Zentimeter mächtige Schicht aus Trockeneis die dort befindlichen Sanddünen (Bild “a” ganz links). Mit steigenden Temperaturen bricht das Eis auf (Bild “b”) und aus dem Untergrund steigen Wolken aus gasförmigem Kohlendioxid empor. Hierdurch bedingt wird Sand und Staub im Umfeld der Ausbruchsstellen abgelagert (Bild “c” und “d”). Letztendlich ist das Trockeneis im Verlauf der fortschreitenden Jahreszeiten fast komplett sublimiert und die eigentliche Marsoberfläche kommt zum Vorschein (Bild “e”).
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona)

Die von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) umkreist den Mars bereits seit dem März 2006 und liefert dabei fast täglich neue und immer wieder faszinierende Detailaufnahmen von der Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten. Die Hauptkamera an Bord des MRO, die von der University of Arizona betriebene HiRISE-Kamera, erreicht dabei mit ihren Aufnahmen eine Auflösung der Planetenoberfläche von bis zu 25 Zentimetern pro Pixel. Durch die Auswertung dieser Bilder ist es den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern unter anderem möglich, die gegenwärtig stattfindenden Veränderungen auf der Marsoberfläche oder kurzzeitig auftretende atmosphärische Phänomene zu beobachten und näher zu untersuchen. Mehrere Teams von Wissenschaftlern haben sich dabei auch auf die Phänomene konzentriert, welche sich beim Einsetzen des Frühlings in den Polarregionen des Mars abspielen.
Neben verschiedenen Spurengasen wie zum Beispiel Sauerstoff, Kohlenmonoxid, Wasserdampf oder auch Methan besteht die Atmosphäre des Mars zum überwiegenden Teil aus Kohlendioxid, welches dabei mit einen Anteil von 95,32 Prozent vertreten ist. Zwei weitere bedeutende Bestandteile der Marsatmosphäre sind Stickstoff (2,7 Prozent) sowie das mit einem Mengenanteil von 1,6 Prozent vorhandene Edelgas Argon. Diese Mengenanteile sind jedoch nicht konstant, sondern sie verändern sich vielmehr in einem bestimmten, jahreszeitlich bedingten Rhythmus.

Auf seiner sehr exzentrischen Umlaufbahn um die Sonne – der Wert der Exzentrizität der Marsbahn beträgt 0,0935 und weist nach der Umlaufbahn des Planeten Merkur die größte aus dem Sonnensystem bekannte Abweichung einer Planetenbahn von einer idealen Kreisbahn auf – durchlebt der Mars eine regelmäßig erfolgende Veränderung in der Dichte und Zusammensetzung seiner Atmosphäre. Sobald auf einer der beiden Hemisphären des Mars der Winter einsetzt, friert das über dem betroffenen Pol in der Atmosphäre befindliche Kohlendioxid aufgrund der damit verbundenen Lufttemperaturen von bis zu minus 130 Grad Celsius in einem großen Umfang aus der Atmosphäre aus und lagert sich in Form von Trockeneis im Bereich des jeweiligen Pols ab.

Im Rahmen dieses Prozesses fällt der Druck der Marsatmosphäre über dem jeweiligen Polargebiet um rund ein Drittel ab. Es bildet sich ein ausgedehntes atmosphärisches Tiefdruckgebiet, welches die Luft des Planeten regelrecht in die Richtung des betroffenen Pols zieht. Mit dem einsetzenden Frühling erhöht sich die Lufttemperatur wieder und das zuvor im festen Zustand in der Polarregion abgelagerte Kohlendioxid geht – bedingt durch diesen Temperaturanstieg – wieder in den gasförmigen Zustand über, was zu einer erneut erfolgenden Verdichtung der Atmosphäre führt. Dadurch bildet sich jetzt über dem betroffenen Pol ein Hochdruckgebiet, welches die Luftmassen wieder in Richtung des Marsäquators schiebt. Durch diesen Prozess werden in den oberen Atmosphärenschichten des Mars unter bestimmten Bedingungen Windgeschwindigkeiten von bis zu 650 Kilometern pro Stunde erzeugt.

NASA, JPL-Caltech, University of Arizona
Dunkle Staubfächer im Bereich des Mars-Südpols. Die Aufnahme wurde am 17. November 2012 mit der HiRISE-Kamera des MRO aus einer Überflughöhe von 247,3 Kilometern angefertigt. Die hier ereichte Auflösung beträgt 24,7 Zentimeter pro Pixel.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona)

Aber auch auf der Marsoberfläche bleibt dieser Sublimationsprozess nicht ohne Folgen. Eine Besonderheit bei der Sublimation des Trockeneises besteht darin, dass dieser Vorgang nicht an der Oberseite, sondern vielmehr an der Unterseite der Eisschicht beginnt. Das Trockeneis hat sich auf der Oberfläche von dunklen Bodenschichten – zum Beispiel auf Sanddünen – abgelagert, welche die beiden Pole des Mars großflächig umgeben. Diese Bodenformationen werden mit dem Einsetzen des Frühlings durch die Sonnenstrahlung aufgeheizt, welche das transparente Trockeneis durchdringen kann. Durch die so erzeugte Wärmeenergie geht das Eis schließlich an der Unterseite der Eisschicht in den gasförmigen Aggregatzustand über, während es sich an der Oberseite der Eisschicht zunächst noch stabil verhält.

Der so erzeugte und stetig ansteigende Gasdruck wird abgebaut, indem sich das Kohlendioxid schließlich einen Weg durch die darüber liegende Eisschicht bahnt und diese an deren schwächsten Punkten durchbricht. Bei diesem schlagartig erfolgenden Durchbrechen der Eisdecke reißt das aufsteigende Kohlendioxid auch Sand und Staubpartikel mit sich, welche unmittelbar nach dem Erreichen der Oberfläche von den dort vorherrschenden Windströmungen erfasst und verfrachtet werden. Im Rahmen dieses aeolischen Prozesses lagern sich Sand und Staub in Form von dunklen Streifen oder fächerförmigen Strukturen auf der Oberfläche der Trockeneisschicht ab.

Aber auch ein Teil des kurz zuvor freigesetzten Kohlendioxides lagert sich dabei neu auf der Oberfläche ab, da es aufgrund der in wenigen Metern Höhe wieder deutlich niedrigeren Temperaturen erneut in den festen Zustand übergeht. Auch hier verfrachtet der Wind die Trockeneiskristalle und es bilden sich helle Flecken frischen Eises. Erst mit einem weiteren Fortschreiten der Sublimation des Trockeneises verschwinden dann auch diese neu entstandenen Strukturen.

Neben den ästhetischen Aspekten, welche sich durch die fotografischen Dokumentationen dieser Prozesse für die interessierte Öffentlichkeit ergeben, ermöglichen diese Aufnahmen den Marsforschern weitreichende Einblicke in die vielfältigen Prozesse, welche das aktuelle Wettergeschehen und auch noch gegenwärtig erfolgende Veränderungen auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten beeinflussen.

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