ULA stellt neue Trägerrakete vor

Der Chef von ULA (United Launch Alliance), Tory Bruno, hat am 13. April auf einer Pressekonferenz die neue Trägerrakete des Startanbieters vorgestellt, mit dem das Unternehmen ab 2019 Nutzlasten in den Weltraum starten will.

Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: ULA, Blue Origin, NSF.

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Eine Atlas V startet eine Nutzlast für das US-Verteidigungsministerium.
(Bild: ULA)

Es war lange Zeit eine bequeme Position, in der sich die ULA (United Launch Alliance) befand: Ohne Konkurrenz konnte sie ihre zwar sehr zuverlässigen, aber auch sehr teuren Atlas V- und Delta IV Trägerraketen starten. Größtenteils beförderten sie Satelliten der US-Regierung in die gewünschte Umlaufbahn, auf eine kommerzielle Vermarktung der Raketen wurde ab 2006 verzichtet. Die hohen Preise dafür nahmen die Einrichtungen der US-Regierung in Kauf, gab es doch keine Alternative. Doch das hat sich in jüngster Zeit geändert: Ein neuer Wettbewerber plant ebenfalls, Regierungssatelliten zu starten. Es handelt sich dabei um das Unternehmen SpaceX, das über eine ebenbürtige Rakete verfügt: Die Falcon 9. Diese Rakete ist nicht nur dazu in der Lage, ebenfalls einen Großteil der Regierungssatelliten zu starten, sondern auch deutlich kostengünstiger als die Delta IV und die Atlas V. Außerdem gestaltet sich aufgrund der gegenwärtigen politischen Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland eine weitere Nutzung des russischen Haupttriebwerks für die Atlas V immer schwieriger. Die ULA steht daher inzwischen mit dem Rücken zur Wand, dem Anbieter drohen Milliardenverluste. Doch das Imperium schlägt nun zurück.

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Vulcan hebt ab- Illustration.
(Bild: ULA)

Es ist eine radikale Umgestaltung des Startanbieters für die nächsten Jahre geplant: Zunächst soll 2018 die Delta IV Medium außer Dienst gestellt werden, gefolgt von der Atlas V und der Delta IV Heavy. Ersetzt werden sollen diese Raketen durch ein neues Trägersystem, das ULA-CEO Tory Bruno am 13. April auf einer Pressekonferenz vorgestellt hat: Die Vulcan. Der Name dieser Rakete wurde bei einer Online-Abstimmung festgelegt, sie basiert auf der Atlas V. Die erste Stufe verfügt über einen Durchmesser von fünf Metern, sie basiert auf der Erststufe der Delta IV. Auf dieser Erststufe sitzt dann die bewährte Centaur-Oberstufe und eine Nutzlastverkleidung mit einem Durchmesser von vier oder fünf Metern. Bei einem Durchmesser der Nutzlastverkleidung von vier Metern können vier, bei fünf Metern sechs der neuen Feststoffbooster angebracht werden. In der leistungsfähigsten Variante soll Vulcan dazu in der Lage sein, über 11 Tonnen Nutzlast in einen Geotransferorbit zu befördern. Diese werden länger als die bisherigen sein und nur noch von einem einheimischen Zulieferer geliefert. Starten soll Vulcan auf zwei der bisherigen Delta IV/Atlas V-Startplätzen, jeweils einer an der Ost- und Westküste der Vereinigten Staaten. Dafür sind jedoch umfangreiche Umbauarbeiten notwendig.

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Vulcan mit der 4m-Nutzlastverkleidung…
(Bild: ULA)
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… und der 5m-Version.
(Bild: ULA)
Blue Origin
Eine Computergrafik des BE-4 Triebwerks.
(Bild: Blue Origin)

Angetrieben wird diese Rakete von zwei BE-4 Raketentriebwerken, das momentan von der geheimnisvollen Raumfahrtfirma Blue Origin entwickelt wird. Dieses neuartige Raketentriebwerk wird statt Kerosin Methan als Treibstoff sauerstoffreich verbrennen. Es soll einen Schub von 2.400 Kilonewton erzeugen. Momentan werden bereits Bauteile der Turbomaschinerie und des Einspritzkopfes auf den Blue Origin-Testständen in Texas getestet, Ende 2016 soll eine erste Testzüündung des Triebwerks erfolgen, 2017 die Entwicklung abgeschlossen sein. Blue Origin hat ebenfalls vor Kurzem die Qualifikationstests für ihr BE-3 Wasserstofftriebwerk abgeschlossen, angetrieben von diesem soll noch Ende dieses Jahres ein Testflug ihres suborbitalen Raumschiffs stattfinden. Neben dem BE-4 entwickelt die Firma Aerojet Rocketdyne ebenfalls ein Triebwerk für Vulcan, das AR-1. Blue Origin gilt jedoch als der klare Favorit. Noch dieses Jahr soll erste Qualifikationshardware für Vulcan hergestellt werden, 2019 soll der Erstflug erfolgen, 2022 die Qualifikation für militärische Flüge.

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Infografik zum SMART-Konzept.
(Bild: ULA)

Die Preise für einen Start von Vulcan sollen bei 100 Millionen Dollar beginnen, Tory Bruno kündigte an, dass ein Kauf eines Vulcan-Raketenstarts so einfach wie der eines Autos werden wird. Doch die Kosten sollen weiter gesenkt werden: In Zukunft sollen im Rahmen des SMART-Programms (Sensible, Modular, Autonomous Return Technology) die Triebwerke nach ihrem Flug erneut verwendet werden. Nach der Abtrennung der ersten Stufe wird die Triebwerkssektion von den Treibstofftanks abgetrennt. Mithilfe eines aufblasbaren Hitzeschildes tritt die Sektion wieder in die Erdatmosphäre ein, Fallschirme bremsen den Abschnitt weiter ab. Ein Helikopter fängt daraufhin den Triebwerksblock auf, der dann an Land gebracht wird. Dort wird er für den nächsten Flug vorbereitet und zertifiziert, bevor er wieder an den Treibstofftanks einer neuen Erststufe angebracht wird. So müssen nicht für jeden Start neue Triebwerke gebaut werden, wodurch ULA sich eine Kostenersparnis von bis zu 65 % des Preises der Erststufe erhofft.

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Infografik zur ACES-Oberstufe.
(Bild: ULA)

Doch hier hört die Weiterentwicklung von Vulcan nicht auf. 2023 soll die Centaur-Oberstufe ersetzt werden, und zwar durch die ACES (Advanced Cyrogenic Evolved Stage). Diese Stufe wird um 75 % leistungsfähiger sein, sie verfügt über ein bis vier Triebwerke vom Typ BE-3U, RL-10 oder dem Wasserstofftriebwerk von XCOR. Auch sollen sogenannte Ballon-Tanks zum Einsatz kommen, deren Wände derart dünn sind, dass sie ohne Treibstoff oder Druck von Innen unter ihrem Eigengewicht zusammenbrechen würden. Eine weitere Innovation von ACES soll das IVF-System darstellen (Integrated Vehicle Fluids). Es fängt gasförmigen Sauerstoff und Wasserstoff auf, der normalerweise ins Weltall abgelassen werden würde. Diese Gase werden dann dazu verwendet, die Tanks unter Druck zu setzen, Strom zu produzieren oder Schub für die Lageregelung der Stufe zu produzieren. Die ACES-Oberstufe kann erstmals nicht mehr nur einige Stunden, sondern gleich mehrere Wochen im Weltraum operieren. So werden auch orbitale Treibstoffdepots möglich, bei denen Raketenstufen aufgetankt werden können, um zu weiter entfernten Zielen zu fliegen.

Ob die ULA tatsächlich mit Vulcan SpaceX Paroli bieten kann, bleibt abzuwarten, schließlich versucht auch SpaceX, mithilfe von spektakulären neuen Technologien die Preise für Raketenstarts drastisch zu senken. Es handelt sich bei der neuen Rakete auf jeden Fall um einen innovativen und ernsthaften Ansatz, die Kosten für Raumfahrt zu senken. Von einer solchen Rakete können wir in Europa mit der Ariane 6 leider wohl nur für eine lange Zeit träumen.

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