Gaia wohlbehalten im All angekommen

Am gestrigen 19. Dezember 2013 transportierte eine Sojus-Rakete im Rahmen der Mission mit der Arianespace-Flugnummer VS06 ein neues Weltraumteleskop der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA) in den Weltraum. Jetzt befindet sich das Gaia genannte Teleskop auf einer Flugbahn zum Lagrangepunkt 2 des Sonne-Erde-Systems.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: Arianespace, DLR, ESA.

Sojus Start zur Mission VS06 mit Gaia an Bord
(Bild: ESA / S. Corvaja)

Der Start erfolgte vom Europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana aus. Die in Russland von TsSKB-Progress gebaute Sojus-Rakete mit einer Fregat-Oberstufe vom russischen Hersteller NPO Lawotschkin hob wie geplant um 10.12 Uhr und 19 Sekunden MEZ von der in Kourou existierenden Sojus-Startrampe ab, nachdem ihre fünf Haupttriebwerke 3 Sekunden vorher vollen Schub erreicht hatten. Beim Abheben liefen alle Triebwerke der vier Außenblocks, sowie das des Zentralblocks zusammen.

Nach einer Flugzeit von einer Minute und 58 Sekunden wurden die Außenblocks, wegen ihres Aussehens scherzhaft auch als Mohrrüben bezeichnet, abgeworfen und der Zentralblock sorgte alleine für den weiteren Aufstieg des Projektils. Als eine ausreichend große Höhe erreicht war, wurde die die Oberstufe und Gaia als Nutzlast umschließende Nutzlastverkleidung nach 3 Minuten, 40 Sekunden Flugzeit abgeworfen, nachdem sie ihre Schutzfunktion in den dichteren Schichten der Atmosphäre erfüllt hatte. Der Zentralblock, der in seinen Triebwerken genau wie in denen der Außenblocks Kerosin mit flüssigem Sauerstoff (LOX) verbrannte, stellte rund eine Minute später seine Arbeit ein und wurde nach 4 Minuten und 48 Sekunden Gesamtflugzeit abgeworfen.

Sojus – schon ohne Außenblocks – mit Gaia
beim Abwurf der Nutzlastverkleidung
– Illustration
(Bild: ESA / D. Ducros)

Die zweite oder, je nach Betrachtung der Konstruktion mit Zentral- und Außenblocks, dritte Stufe der Rakete hatte anschließend die Aufgabe, Geschwindigkeit und Flughöhe des Fluggeräts weiter zu steigern. Die Stufe verbrannte in ihren Triebwerken ebenfalls Kerosin mit flüssigem Sauerstoff und hatte ihre Arbeit mit ihrer Abtrennung nach einer Gesamtflugzeit von 9 Minuten und 23 Sekunden erledigt.

Rund eine Minute später zündete die unsymmetrisches Dimethylhydrazin (UDMH) mit Distickstofftetroxid (NTO) verbrennende Fregat-Oberstufe ihre Triebwerke für eine erste Brennphase. Diese war nach einer Gesamtflugzeit von 12 Minuten und 39 Sekunden beendet. Die Oberstufe und auf ihr eine Nutzlast mit einer Gesamtmasse von 2.105 kg (lt. Arianespace) befanden sich nun auf einer Parkbahn rund 175 km über der Erde.

Die zweite Brennphase der Fregat-Oberstufe begann 21 Minuten und 25 Sekunden nach dem Abheben und endete nach 36 Minuten und 59 Sekunden Gesamtflugzeit auf einer Fluchtbahn von der Erde. Die Oberstufe manövrierte sich anschließend in eine Fluglage, die für eine Aussetzen von Gaia geeignet war. Dann wurde das Weltraumteleskop mit einer Startmasse von 2.034 Kilogramm (lt. Arianespace) 41 Minuten und 59 Sekunden nach dem Start ausgesetzt.

Das Europäische Bahnverfolgssystem (ESTRAC) hatte Gaia zwischenzeitlich erfasst und überwacht, nach der Abtrennung von der Oberstufe konnte Gaia vom europäischen Raumflugkontrollzentrum der ESA (ESOC) in Darmstadt kontrolliert und gesteuert werden, während die Systeme des vom europäischen Raumfahrtkonzern EADS Astrium gebauten Satelliten hochfuhren und automatische Sequenzen anliefen. Dabei wurden unter anderem Kommunikationstransceiver des Satelliten aktiviert und Gaia musste eine konkrete Ausrichtung zur Sonne einnehmen.

Entfalten von Gaias Sonnenschild –
im Bodentest und künstlerisch dargestellt –
Montage
(Bilder: ESA / CNES / Arianespace /
CSG / C. Carreau)

Eine Stunde und 17 Minuten nach dem Abheben begann eine wichtige Sequenz, nämlich das Entfalten von Gaias Sonnenschild, ohne den das Teleskop seinen Beobachtungsauftrag nicht durchführen kann. 10 Minuten später hatte der Schild seine maximale Ausdehnung – Durchmesser rund 10,5 Meter – erreicht und beim Flugleitzentrum gingen Telemetriedaten ein, die den erfolgreichen Abschluss der Aktion bestätigten. Der Schild wird also eine definierte Arbeitstemperatur der Beobachtungsinstrumente an Bord von Gaia sicherstellen können.

Während des Entfaltungsvorgangs befand sich Gaia bereits auf dem Weg zum rund 1,5 Millionen Kilometer entfernten Lagrangepunkt 2 (L 2) des Sonne-Erde-Systems, den das Raumfahrzeug in rund drei Wochen erreichen wird. Unterwegs sind drei Kurskorrekturren für Gaia eingeplant. Eine erste Zündung der Bordtriebwerke von Gaia ist für den (heutigen) 20. Dezember 2013 vorgesehen. 20 Tage nach dem Start soll eine weitere Brennphase der Bordtriebwerke für das Erreichen des Einsatzorbits um L 2 sorgen.

Damit Gaia nach Erreichen der vorgesehenen Bahn ab März 2014 erste Daten liefern kann, beginnt man eine rund vier Monate dauernde Einsatzerprobungsphase bereits beim Überflug Richtung L 2. In ihrem Rahmen werden sämtliche Systeme und Instrumente an Bord des Weltraumteleskops aktiviert und soweit erforderlich kalibriert.

Ist das dreiachsstabilisierte Weltraumteleskop bereit, kann es Daten für die bisher genaueste Karte unserer Milchstraße sammeln, und hoffentlich Hinweise auf Ursprung und Entstehungsgeschichte unserer Heimatgalaxie liefern. Endgültige Ergebnisse von Gaias Arbeit werden ab 2021 erwartet, wenn Positionen und Bewegungen von etwa 1 % der insgesamt geschätzt rund 100 Milliarden Sterne erfasst und die entsprechenden Daten auf geeignete Art und Weise verarbeitet wurden.

Gaias CCDs in der Fokusebene
(Bild: ESA /A.D. Short)

Mit seinen beiden hoch genauen Teleskopen und der Kamera mit 106 einzelnen lichtempfindlichen CCD-Sensoren und nicht ganz einer Milliarde Pixel kann Gaia durchschnittlich 250 Sterne pro Sekunde beobachten, hofft man. Lässt sich das über einen Großteil der geplanten Einsatzdauer von 5,5 Jahren durchhalten, entsteht eine Datenmenge von rund einem Petabyte, entsprechend der Speicherkapazität von circa 200.000 DVDs.

Dem ESOC fällt beim Empfang der erwarteten Datenmengen die Federführung zu, ein DPAC genanntes Konsortium zur Verarbeitung und Analyse der Gaia-Daten mit über 400 Mitarbeitern aus wissenschaftlichen Instituten aus ganz Europa soll sich der Nutzbarmachung und Auswertung widmen.

Die Bereitstellung von Software und Infrastruktur zur Weiterverarbeitung der Daten erfolgt maßgeblich durch das Astronomische Rechen-Institut (ARI) am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg, das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) und das Lohrmann-Observatorium der TU Dresden.

Gaia war der 25. wissenschaftliche Satellit, der unter der Ägide von Arianespace in den Weltraum transportiert wurde.

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