Weltraumtourismus

Abenteuer im “Kotzbomber” oder Skifahren auf dem Mars?

Autor: Felix Korsch.

Greifbarer und deutlicher denn je präsentiert sich der kommerzielle Aspekt der Raumfahrt. Nicht nur die schrittweise Kommerzialisierung der ISS, auch rein privat finanzierte Projekte sorgen dafür, dass die Grenzen zwischen Wissenschaft und Kommerz zusehends verschwimmen und ersteres nicht mehr ohne letzteres machbar ist. Zwar wären hochgesteckte Ziele im Rahmen von Projekten wie z.B. der ISS durch rein staatliche Finanzierung nur schwer zu verwirklichen, dennoch könnten Phänomene wie der viel zitierte Weltraumtourismus in absehbarer Zukunft die Raumfahrt nicht mehr nur bereichern, sondern auch steuern. Immerhin sind zahlende Millionäre deutlich lukrativer als einige aufwendige Experimente. Der Weltraumtourismus ist schließlich die konsequenteste Form der Kommerzialisierung der Raumfahrt.

Dennis Tito flog 2001 als erster Tourist ins All.

“Raumfahrttourismus” heute
Wenn man über den Weltraumtourismus spricht, muss man klare Grenzen zwischen dem sog. “Raumfahrttourismus” und dem eigentlichen “Weltraumtourismus” ziehen. Ersteres ist schon heute für praktisch jedermann erschwinglich, indem man gegen Bezahlung die Raumfahrt zwar hautnah miterlebt, allerdings nicht wirklich ins All fliegt. Zahlreiche “Space Camps” und “Visitor Centers” ermöglichen es auch Otto-Normal-Verbraucher, Raketenstarts live und vor Ort zu verfolgen, sich ein Bild vom harten Training fürs All zu machen oder Fertigungsstätten zu besuchen.

Besser betuchte können sich in Russland gleich mal einen Parabelflug buchen. Das ist für teilweise weniger als 10.000 Dollar zwar nicht mehr für alle erschwinglich, dafür aber kommt man dem Zero-G-Erlebnis wieder etwas näher. Bei Parabelflügen kann für rund 25 Sekunden, also eine recht kurze Zeitspanne, innerhalb des Flugzeuges durch einen Sturzflug aus großer Höhe Schwerelosigkeit erzeugt werden. Natürlich gleich mehrere Male hintereinander. Doch es gibt, neben dem finanziellen Aspekt, noch einen wesentlichen Grund, warum diese Art des Vergnügens nur für Hartgesottene geeignet ist: rund 70% aller Menschen leiden nach raumfahrtärztlicher Ansicht unter der “Weltraumkrankheit”. Bei untrainierten Individuen dürften es sogar noch weit mehr sein. Anstatt also die Schwerelosigkeit zu genießen und für einige Sekunden wie ein Raumfahrer hin und her zu schweben, wären die meisten damit beschäftigt, ihren Mageninhalt in den obligatorischen “Kotztüten” aufzufangen und aufgrund der Orientierungslosigkeit Acht zu geben, nicht an irgendeine Bordwand zu stoßen.

Wem dieser Kick noch nicht genügt, kann für eine Hand voll Dollars mehr auch einen Flug mit einer umgerüsteten MiG-25 buchen. Mit einer Flughöhe von 25 Kilometern ist man zwar von der Grenze zum All noch ziemlich weit entfernt, doch Geschwindigkeiten um Mach 3 geben den Abenteurern einen kleinen Eindruck der wirklichen Strapazen während eines Starts ins All. Natürlich gibt es noch andere, fast schon überirdische Effekte: die sichtbare Erdkrümmung, das allmähliche Verdunkeln des Himmels über einem und nicht zuletzt der Wechsel von positivem und negativen Andruck. Vor den “Kotzbomber”-Effekten (wie es die Kosmonauten selbst scherzhaft bezeichnen) ist man aber auch hier nicht gefeit. Immerhin kommt man durch diesen extrem kurzen Individualtourismus seinem möglichen Ziel etwas näher.

Durch viele Wege kann man also Raumfahrt-ähnliche Erlebnisse simulieren, wobei für (fast) jeden Geldbeutel etwas dabei ist. Das nächste Ziel dürfte bis jetzt das Space Camp in Belgien sein, demnächst wird aber mit dem “Raumfahrtpark Vogtland” im idyllischen Morgenröthe-Rautenkranz, dem Geburtsort des ersten Deutschen im All, Sigmund Jähn, ein Raumfahrt-Mekka ganz in unserer Nähe entstehen.

Der Südamerikaner Mark Shuttleworth nach seiner Landung in der kasachischen Steppe: Er war als zweiter Weltraumtourist und erster Afrikaner der Geschichte ins All gestartet.

Weltraumtourismus
Wer angesichts all dieser Angebote gern mal grinst, wird höher hinaus wollen. Auch das ist möglich, allerdings nur für Multimillionäre, denn ein (orbitaler) Raumflug kostet (derzeit) rund 20 Millionen Dollar. Natürlich inklusive Training, Logenplatz in einer Sojus-Kapsel, kostenloser Verpflegung und ständiger Betreuung durch einen echten Kosmonauten. Spätestens seit Dennis Tito ist klar, dass das Tor ins All offen steht. Schon zu Zeiten der good old “Mir” kam der Vertrag mit dem US-Millionär Tito zu Stande. Aufgrund berechtigter Sicherheitsbedenken und dem nahenden Ende der Raumstation entschloss man sich schließlich, die Pionier-Mission auf den 28. April 2001 zu verlegen und auf der ISS durchzuführen.

Der Vorteil dieser Variante des Weltraumtourismus ist klar: es bedarf nicht der Entwicklung vollkommen neuer, autonomer Herbergen für die zahlenden Gäste im All. Vielmehr wird die bestehende ISS-Infrastruktur sowie die bewährte russische Sojus-Kapsel verwendet. Allerdings büßt für jede dieser Missionen ein Forschungskosmonaut sein “Ticket” ein, muss also seinen Platz an einen Touristen abgeben. Somit wird das Forschungspotential der ISS zeitweise herabgestuft. Ganz zu Schweigen von den Bedenken hinsichtlich der Unerfahrenheit der Raumfahrer. Man bedenke allein das Verletzungsrisiko oder das Szenario, dass der Gast einen “heiklen Knopf” drücken könnte. Vor allem die Amerikaner waren und sind da skeptisch, drohten den Russen gar mit “Weltraum-Sanktionen”. Waren es aber nicht die Amerikaner, die den Russen erst das “korrekte und gewinnbringende Wirtschaften” auf allen Ebenen beibrachten? Vielleicht ist es ja auch nur der Neid, dass bisher niemand bereit war, für einen weitaus teureren Shuttle-Start zu bezahlen.

Die bisher betriebene und zweimal (Dennis Tito 2001 und der Südafrikaner Mark Shuttleworth 2002) in Anspruch genommene Methode kann freilich nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Die ISS ist und bleibt eine Forschungseinrichtung, und daran wird sich innerhalb des nächsten Jahrzehnts nichts ändern. In eine andere Richtung gingen da schon private Planungen in den USA, an die ISS ein Modul namens “Enterprise” anzudocken und dort kleine Quartiere für die möglichen Touristen einzurichten. Mit der Unterstützung der NASA konnte man kaum rechnen, und so bleibt “Enterprise” vorerst eine Vision und die ISS wird nur in Einzelfällen zur Herberge mit 20 Millionen Dollar teurer Kost und Logis (immerhin Vollpension inkl. Hin- und Rückflug). Laut russischen Angaben stehen die Bewerber für einen solchen, rund einwöchigen Trip bereits Schlange; immer wieder berichtet die Presse über Schauspieler oder Popstars, die sich dieses extravagante Vergnügen gönnen wollen. Doch vor allem die russischen Ressourcen und die Kapazität der ISS sind für diese Zwecke schlicht zu begrenzt und so wird, in Ost und West, fleißig an anderen Konzepten gewerkelt, die auch der abschreckenden Statistik entgegenwirken sollen, dass auf etwa 300 bemannte Starts ein tödlicher Absturz kommt.

Entwurf eines X-Prize-Flugzeugs
(Bild: X-Prize)

X-Prize-Wettbewerb
Durchaus realistische und machbare Wege gehen die Projekte im Rahmen des “X-Prize”, eines 1994 in den USA ausgeschriebenen und mit 10 Millionen Dollar dotierten Wettbewerbes. Der Preis geht an denjenigen, der es als erster schafft, drei Personen bei einem suborbitalen Flug auf eine Höhe von mindestens 100 Kilometern (also etwa die Grenze zum freien Raum) zu bringen, wieder sicher zu landen und die Mission innerhalb von 14 Tagen mit nur einer Person zu wiederholen.

Die rund 20 Projekte sind vielversprechend und greifen größtenteils auf verschiedene mehr oder weniger erprobte Techniken zurück. Einige der Bewerber sind weit fortgeschritten, andere kapitulierten längst vor den hohen Entwicklungskosten oder den technischen Problemen. Solche Flüge sind im Grunde ein Ausbau von Parabelflügen oder eine Steigerung der Extrem-Flüge mit russischen Kampfjets. Die gut betuchten Touristen würden für etwa fünf Minuten weit weniger zahlen müssen als für einen Flug zur ISS (die Projekte selbst sprechen von um den Faktor 10 niedrigeren Kosten im Vergleich zu Parabelflügen).

Perspektiven
Die Entwicklung eines rentablen Marktes für derartige touristischen Missionen ist langwierig, das wissen auch die Befürworter des Weltraumtourismus. Da nützt es auch nichts, wenn 60 Prozent aller Amerikaner laut Umfrage von 1995 an einer solchen Mission teilnehmen würden. Erstens täten es die meisten nur, wenn der Flug wirklich “angenehm” wäre, und zweitens könnte es sich selbst in absehbarer Zukunft nur ein Bruchteil jener überhaupt leisten. Über Ferienanlagen auf dem Mond oder Mars zu diskutieren, würde ich gern den Science Fiction-Autoren überlassen. Die Entwicklung eines für jedermann erschwinglichen und auch vielfältig in Anspruch genommenen Systems, was für die Amortisierung derartiger Projekte zwingend von Nöten ist, wird wohl ein Abenteuer für sich werden.

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