26. ASE Kongress in Köln – Fünfter Tag

Unter dem Motto „Citizens of Space – Stewards of Earth“ fand vom 1. bis zum 5. Juli 2013 in Köln und Umgebung der diesjährige Kongress der Association of Space Explorers (ASE) statt. Über achtzig Astro-, Kosmo- und Taikonauten aus siebzehn Ländern trafen sich, um sich über verschiedene Raumfahrtthemen auszutauschen. Am letzten Tag ging es vor allem um die Eröffnung des :envihab.

Ein Beitrag von Kirsten Müller. Quelle: RN.

5. Juli 2013 – Eröffnung :envihab Köln Porz

Kirsten Müller
Eröffnung des :envihab
(Bild: Kirsten Müller)

Ganz fertig ist es noch nicht, zum Toilettengang musste man sich draußen auf die provisorische Toilette begeben, aber im Rahmen des ASE-Kongresses wurde am 5. Juli in Köln-Porz auf dem DLR-Gelände das Forschungszentrum :envihab eröffnet. Hier soll in Zukunft die Rehabilitation der ESA-Astronauten nach ihren Langzeitmissionen stattfinden. Momentan passiert dies noch in Houston / USA. Auch soll bei :envihab normale medizinische Forschung betrieben werden, die für das irdische Leben und für die Alltagswissenschaften wichtig ist.

Hierzu hat :envihab verschiedene Forschungseinrichtungen. Mit einer vierarmigen Kurzarmzentrifuge kann Forschung über Knochenabbau betrieben werden. Die Zentrifuge hat unter anderem einen Arm mit Fahrradergometer. Man kann mit der Zentrifuge beispielsweise Forschung über Knochen- und Muskelschwund sowie über Herz-Kreislauf-Erkrankungen betreiben. Es haben schon einige Reha-Kliniken geäußert, diese Zentrifuge auch für ihre Patienten einsetzen zu wollen. Dieses wolle aber :envihab noch nicht.

Auch hat :envihab eine PET-MRT-Anlage. MRT-Anlagen sind allgemein aus Krankenhäusern bekannt. Die Anlage bei :envihab hat zusätzlich einen Apparat für Positronen-Emissions-Tomographie, mit dem man in 3D sehen kann, welche Gehirngegend in wiefern aktiv ist. Im Gegensatz zu Krankenhäusern, wo die Apparatur sich weiter entfernt befindet von den Patienten, steht die Anlage bei :envihab direkt neben den Probanden. Auch kann man mit dem PET-MRT den Salzgehalt im menschlichen Körper bestimmen. Reinhold Ewald hatte nach seiner Mir-Mission in seinem Körper auffällig viel Salz gespeichert. Auch speichern ältere Leute sowie Menschen mit hohem Blutdruck mehr Salz oder weniger Wasser. Herkömmlicherweise wurde dies durch osmotische Effekte erklärt, es wird aber nun davon ausgegangen, dass die Salzspeicherfähigkeit des menschlichen Körpers durch das Immunsystem reguliert wird. Hier tut sich ein neues Forschungsgebiet auf. In Zukunft werden die MRT-Untersuchungen bei den europäischen Astronauten nach ihren Langzeitmissionen direkt in Köln durchgeführt werden.

Kirsten Müller
Kurzarmzentrifuge des :envihab
(Bild: Kirsten Müller)

Das Schlaflabor im :envihab hat zwölf Betten, in denen die Probanden mit den Füßen in einem Winkel von 6° nach oben liegen. Man kann hier die Probanden völlig von der Außenwelt abschotten, das Lichtspektrum beeinflussen sowie das Tageslicht völlig ausschließen. Das ist wichtig, um die Wirkung von beispielsweise Schichtarbeit auf den menschlichen Körper zu erforschen. Auch lässt sich der Gehalt von Kohlenstoffdioxid und Sauerstoff vergleichbar mit der ISS einstellen. Im Schlaflabor sollen zwei- bis dreimonatige Bettruhestudien durchgeführt werden, bei denen die Probanden weder sitzen noch aufstehen sollen. Auch Duschen und „Toilettengänge“ sollen im Liegen passieren. Das Schlaflabor soll als irdisches Referenzlabor benutzt werden, weil nicht alles an Astronauten getestet werden kann und darf, und dies auch zu teuer wäre. Da die NASA auf der Erde noch kein Referenzlabor hat, möchte die DLR hierfür mit der NASA zusammenarbeiten.

Auch lässt sich mit dem Schlaflabor die Psyche der Probanden testen. Zum Beispiel kann man den Effekt von blauem Licht, wie es von Fernsehern und Computern ausgestrahlt wird, auf den Menschen untersuchen. Blaues Licht unterdrückt die Melatoninbildung im Körper, deshalb kann man oftmals nicht direkt einschlafen, nachdem man am Computer gesessen hat. Von außen Blut von schlafenden Probanden abnehmen lässt sich im Schlaflabor auch. Ebenfalls kann man dort das Geräuschniveau der ISS simulieren. Auf der Raumstation ist man 24 Stunden am Tag einem gewissen Geräuschpegel ausgesetzt, und es hat Raumfahrer gegeben, die mit Lärmschäden von der Raumstation Mir zurückgekehrt sind.

Kirsten Müller
Kopplungstraining
(Bild: Kirsten Müller)

Ein anderes Experiment ist das Kopplungstraining. Hierbei testen Psychologen, ob während der Langzeitstudien die Fähigkeit der Probanden zu normalen Raumfahrtaktivitäten – wie Andocken und das Bedienen des Roboterarms – gleich bleibt oder abnimmt.

Eine Disziplin, die eigentlich nicht zum :envihab gehört, hat sich auch vorgestellt: die Luftfahrtmedizin, die in einem anderen Gebäude in Köln-Porz arbeitet. Diese hat Module für PilotInnen und FlugbegleiterInnen, um sie auf Flugtauglichkeit zu untersuchen. Die ESA-Astronauten des EAC unterziehen sich ebenfalls einmal im Jahr diesen Tauglichkeitsuntersuchungen. Auch ist es die Rolle der Luftfahrtmediziner, beratend bei Experimenten mitzuhelfen, die medizinisches Wissen erforden, sowie die Astronauten bei Tauchbecken-Simulationen zu unterstützen.

Die Astrobiologie stellte sich ebenfalls vor. Sie erforscht den Einfluss kosmischer Strahlung auf biologische Systeme. Man erhofft sich Antworten auf Fragen zum Leben im All und zum Strahlungsklima auf eventuell astrobiologisch relevanten Planeten. Ebenso wird die Psychologie des Aufenthaltes in isolierten Gegenden, wie der Antarktis, untersucht, und die mikrobiologische Kontamination auf der ISS und in der antarktischen Forschungsstation Concordia.

Auch wird Herz-Kreislaufforschung betrieben. Das geschieht durch Experimente zur Sauerstoffreduzierung und zum Muskel- und Knochenabbau. Für letzteres drehte man den Probanden Schrauben in die Knochen und ließ sie anschließend Übungen machen. Auch arbeitet man mit einem Unterdruckgerät, mit dem das Blut in die Beine gesaugt und anschließend geschaut wird, wie es sich wieder über den Körper verteilt. Ebenfalls wird über Höhenphysiologie geforscht und über Flug- und Bahnlärm sowie Ermüdungseffekte bei Piloten. Im Baro-Komplex wird der Luftdruck abgesenkt und die Leistungsfähigkeit des Menschen unter diesen Bedingungen untersucht.

Auf Raumfahrtforschung für die Umwelt wird ebenfalls eingegangen, so lassen sich Energieversorgungs- und Müllentsorgungssysteme für die bemannte Raumfahrt längerfristig auch für irdische Zwecke einsetzen. Bei :envihab lassen sich zum Beispiel länger dauernde Flüssigkeitsexperimente zu diesen Themen durchführen.

Kirsten Müller
Alle deutschen Raumfahrer
(Bild: Kirsten Müller)

Der Presseführung folgte die offizielle Eröffnungszeremonie, bei der nicht nur ein großer Teil der ASE-Kongressteilnehmer anwesend war, sondern vor allem alle zehn lebenden deutschen Raumfahrer: von Sigmund Jähn, der 1978 als damaliger DDR-Bürger die Erde umkreiste, bis zum ESA-Astronauten Alexander Gerst, dessen ISS-Langzeitaufenthalt für 2014 geplant ist. So wurde das :envihab dann mit einem Druck auf den Knopf, der die Zentrifuge zum ersten Mal betätigt, offiziell eröffnet.

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