Astronomen und Astronominnen haben mit Hilfe des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) das schwerste Element entdeckt, das jemals in der Atmosphäre eines Exoplaneten gefunden wurde: Barium. Eine Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie.
Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie 13. Oktober 2022.
13. Oktober 2022 – Die Entdeckung von Barium in großen Höhen in den Atmosphären der ultraheißen Gasriesen WASP-76 b und WASP-121 b – zwei Exoplaneten, also Planeten, die um Sterne außerhalb unseres Sonnensystems kreisen – war eine Überraschung. Diese unerwartete Entdeckung gibt Rätsel darüber auf, wie diese exotischen Atmosphären beschaffen sein könnten.
„Das eigentlich Rätselhafte und Paradoxe ist: Warum befindet sich ein so schweres Element in den oberen Schichten der Atmosphäre dieser Planeten?“, sagt Tomás Azevedo Silva, Doktorand an der Universität Porto und dem Instituto de Astrofísica e Ciências do Espaço (IA) in Portugal, der die heute in Astronomy & Astrophysics veröffentlichte Studie leitete.
WASP-76 b und WASP-121 b sind keine gewöhnlichen Exoplaneten. Beide sind als ultraheiße Jupiter bekannt, da sie von der Größe her mit dem Jupiter vergleichbar sind und gleichzeitig extrem hohe Oberflächentemperaturen von über 1000 °C aufweisen. Die Ursache dafür ist die große Nähe zu ihren Wirtssternen, was auch bedeutet, dass ein Umlauf um den jeweiligen Stern nur ein bis zwei Tage dauert. Dies führt zu recht exotischen Eigenschaften dieser Planeten; bei WASP-76 b vermuten die Astronomen beispielsweise, dass es Eisen regnet.
Dennoch waren die Wissenschaftler überrascht, in den oberen Atmosphären von WASP-76 b und WASP-121 b Barium zu finden, das 2,5 Mal schwerer ist als Eisen. „Angesichts der hohen Schwerkraft der Planeten würden wir erwarten, dass schwere Elemente wie Barium schnell in die unteren Schichten der Atmosphäre fallen“, erklärt Koautor Olivier Demangeon, ebenfalls Forscher an der Universität Porto und am IA.
„In gewisser Weise war das eine »zufällige« Entdeckung“, sagt Azevedo Silva. „Wir hatten Barium weder erwartet noch danach gesucht. Wir mussten uns vergewissern, dass es tatsächlich von dem Planeten stammt, da es noch nie zuvor in einem Exoplaneten nachgewiesen worden war.“
Die Tatsache, dass Barium in den Atmosphären dieser beiden ultraheißen Jupiter nachgewiesen wurde, deutet darauf hin, dass diese Planetenkategorie noch sonderbarer sein könnte, als bisher angenommen. Obwohl wir Barium gelegentlich an unserem eigenen Himmel als leuchtend grüne Farbe in Feuerwerkskörpern sehen, stellt sich für die Forschenden die Frage, welcher natürliche Prozess dazu führen könnte, dass dieses schwere Element in diesen Exoplaneten in so großen Höhen vorkommt. „Derzeit sind wir uns über die Mechanismen noch nicht im Klaren“, erklärt Demangeon.
Für die Erforschung der Atmosphären von Exoplaneten sind die ultraheißen Jupiter äußerst nützlich. Wie Demangeon erklärt: „Da sie gasförmig und heiß sind, dehnen sich ihre Atmosphären sehr weit aus und sind daher leichter zu beobachten und zu untersuchen als die von kleineren oder kühleren Planeten.“
Die Bestimmung der Zusammensetzung der Atmosphäre eines Exoplaneten erfordert eine sehr spezielle Ausrüstung. Das Team nutzte das ESPRESSO-Instrument am VLT der ESO in Chile, um Sternenlicht zu analysieren, das durch die Atmosphären von WASP-76 b und WASP-121 b gefiltert worden war.
Diese neuen Ergebnisse zeigen, dass wir erst an der Oberfläche der Geheimnisse der Exoplaneten gekratzt haben. Mit zukünftigen Instrumenten wie dem hochauflösenden ArmazoNes high Dispersion Echelle Spectrograph (ANDES) werden die Astronomen in der Lage sein, die Atmosphären von großen und kleinen Exoplaneten, einschließlich der Atmosphären von erdähnlichen Gesteinsplaneten, sehr viel eingehender zu erforschen. ANDES wird am kommenden Extremely Large Telescope (ELT) der ESO zum Einsatz kommen. So können sie weitere Hinweise auf die Eigenschaften dieser seltsamen Welten sammeln.
Weitere Informationen
Diese Studie wurde in der Veröffentlichung „Detection of Barium in the atmospheres of ultra-hot gas giants WASP-76b & WASP-121b“ vorgestellt, die in Astronomy & Astrophysics erscheint (doi: 10.1051/0004-6361/202244489) (https://www.aanda.org/articles/aa/full_html/2022/10/aa44489-22/aa44489-22.html).
Das Team besteht aus T. Azevedo Silva (Instituto de Astrofísica e Ciências do Espaço, Universidade do Porto, Portugal [IA/UPorto, CAUP] und Departamento de Física e Astronomia Faculdade de Ciências, Universidade do Porto, Portugal [FCUP]), O. D. S. Demangeon (IA/UPorto, CAUP und FCUP), N. C. Santos (IA/UPorto, CAUP und FCUP), R. Allart (Fachbereich Physik und Institut für die Erforschung von Exoplaneten, Université de Montréal, Kanada und Observatoire astronomique de l’Université de Genève, Schweiz [UNIGE]), F. Borsa (INAF – Osservatorio Astronomico di Brera, Italien) , E. Cristo (IA/UPorto, CAUP und FCUP) , E. Esparza-Borges (Instituto de Astrofísica de Canarias, Spanien [IAC] und Departamento de Astrofísica, Universidad de La Laguna, Teneriffa, Spanien [IAC-ULL]) , J. V. Seidel (Europäische Südsternwarte, Chile [ESO Chile]) , E. Palle (IAC) , S. G. Sousa (IA/UPorto), H. M. Tabernero (Centro de Astrobiología, CSIC-INTA, Spanien [CSIC-INTA]), M. R. Zapatero Osorio (CSIC-INTA), S. Cristiani (INAF – Osservatorio Astronomico di Trieste, Italien [INAF Trieste]), F. Pepe (UNIGE) , R. Rebolo (IAC und IAC-ULL) , V. Adibekyan (IA/UPorto und FCUP), Y. Alibert (Physikalisches Institut, Universität Bern, Schweiz), S. C. C. Barros (IA/UPorto und FCUP), V. Bourrier (UNIGE) , P. Di Marcantonio (INAF Trieste), V. D’Odorico (INAF Trieste, Scuola Normale Superiore, Italien und Institut für Fundamentalphysik des Universums, Trieste, Italien [IFPU]), D. Ehrenreich (UNIGE und Centre Vie dans l’Univers, Faculté des sciences de l’Université de Genève, Schweiz), P. Figueira (UNIGE und IA/UPorto), J. I. González Hernández (IAC und Universidad de La Laguna, Departamento de Astrofísica, Spanien), C. J. A. P. Martins (UA/UPorto und Centro de Astrofísica da Universidade do Porto, Portugal), A. Mehner (ESO Chile) , G. Micela (INAF – Osservatorio Astronomico di Palermo, Italien), P. Molaro (INAF Trieste und IFPU), D. Mounzer (UNIGE), N. J. Nunes (Instituto de Astrofísica e Ciências do Espaço, Faculdade de Ciências da Universidade de Lisboa und Departamento de Física, Faculdade de Ciências da Universidade de Lisboa, Portugal), A. Sozzetti (INAF – Osservatorio Astrofisico di Torino, Italien), A. Suárez Mascareño (IAC und IAC-ULL), und S. Udry (UNIGE).
Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und wir fördern die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie. Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt. Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt. Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie Durchmusterungsteleskope wie z. B. VISTA. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago, Chile, aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.
ESO-Paper:
https://www.eso.org/public/archives/releases/sciencepapers/eso2213/eso2213a.pdf
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