ErInternet per Satellit wurde und wird schon länger gleichsam angeboten, als auch fortentwickelt. Mehrere Unternehmen und Konsortien arbeiten derzeit an Plänen für große Satellitenflotten, die eine Netzanbindung auf globaler Ebene realisieren sollen. Airbus Defence and Space ist nun eine neue Allianz eingegangen.
Erstellt von Roman van Genabith. Quelle: Airbus Defence and Space, Oneweb, Samsung, SpaceX.
Ob und wann die ersten nutzbaren Dienste präsentiert werden, steht dahin. Nun wurde ein weiteres Jointventure beschlossen, das das Satelliteninternet voranbringen soll. Beteiligt sind ein Akteur der jungen Branche und das Luft- und Raumfahrtschwergewicht Airbus Defense and Space.
Das Space-Startup OneWeb hat eine Kooperation mit Airbus Defense and Space beschlossen: Sie soll Entwicklung und Konstruktion der Oneweb-Kommunikationssatelliten umfassen. Und OneWeb benötigt derer viele: Rund 650 Satelliten sollen die Erde auf einem niedrigen Erdorbit (low earth orbit, LEO) umkreisen, 300 Satelliten sollen zusätzlich als Backup fungieren. Die Redundanz des Systems wäre somit auf einem relativ hohen Niveau angesiedelt.
Die Satelliten sollen leichter sein als alle bisher genutzten Modelle: 150 kg soll ihre Masse betragen, und dabei doch eine Bandbreite von unglaublichen 10 Terabit pro Sekunde mit ihren im Q-Band arbeitenden Transpondern liefern. Dabei soll die dramatische Gewichtsreduzierung insbesondere durch die Nutzung elektrischer Triebwerke erreicht werden.
Bislang wird Satelliteninternet oft als Flaschenhalsverbindung betrachtet. Die überschaubaren kommerziellen Angebote für Endkunden in unseren Breiten können zwar eine Alternative zum klassischen Breitbandanschluss darstellen, Kunden werden sie aufgrund des schlechten Preis-Leistungs-Verhältnisses aber auch nur bei fehlender konventioneller Anschlusstechnik buchen.
Konkrete Pläne
Waren viele der Satelliteninternetambitionen bislang mehr Papier als handfeste Planung, hat OneWeb Satellites, wie das neue Gemeinschaftsunternehmen heißen soll, bereits konkretere Schritte verkündet: Im französischen Airbus-Standort Toulouse soll eine Prototyp-Fertigungslinie für die Satelliten eingerichtet werden, die dann später in den USA in Serie gebaut werden sollen.
„Wir arbeiten schon seit einigen Monaten am Design dieser neuartigen Konstellation und daran, wie wir sie fertigen“, sagte der Leiter des Airbus-Raumfahrtprogramms Eric Béranger.
Fruchtbare Vereinigung
Geht die Zusammenarbeit der beiden Akteure tatsächlich wie geplant über die Bühne, entstünde daraus der zweitgrößte Raumfahrtkonzern der Welt, wie Airbus in seiner Pressemitteilung erklärt. OneWeb Satellites, das in der Hauptsache vom Raumfahrtunternehmen Virgin Galactic und dem US-Chipdesigner Qualcomm finanziert wird, hat performante Partner. Gestartet werden sollen seine Satelliten ab 2018 einerseits von Virgin und dem europäischen Arianespace-Konsortium.
Bewegung auf dem Markt
Auch andere Akteure arbeiten an Satellitenkonstellationen zur Internetversorgung aus dem Orbit: So möchte SpaceX bereits dieses Jahr erste Satelliten starten.
Samsung hat gar Pläne für eine Flotte aus 4.600 Satelliten in der Schublade. Der Entwicklungsleiter von Samsung in den USA, Farooq Khan, stellte in einem Aufsatz dar, wie er sich eine globale Versorgung von oben vorstellt. Auch die Samsungsatelliten sollen den LEO nutzen, neben einer leichteren Erreichbarkeit bringt er den Vorzug kürzerer Signallaufzeiten mit sich.
Für die OneWeb-Satelliten ist ein zirkularer Orbit in 1.200 Kilometern über der Erde im Gespräch. Ein Satellit im geostationären Orbit (GEO) kann, schlicht bedingt durch die Geschwindigkeitsobergrenze der Lichtgeschwindigkeit, nur mit einer minimalen Latenz von rund 240 Millisekunden kontaktiert werden. Darin sind Verarbeitung und Übertragungen im terrestrischen Backbone oder gar Weiterleitung zwischen verschiedenen Satelliten noch nicht enthalten.
Die Samsung-Flotte soll den Datenhunger der Nutzer am Ende der 2020ern befriedigen. Das monatliche Transfervolumen jedes Internetnutzers könnte bis dahin auf 200 Gigabyte pro Monat angestiegen sein, schätzt Farooq Khan, und geht dabei von einer Nutzerzahl von fünf Milliarden Menschen zu diesem Zeitpunkt aus. Wie sich seine Summe der geschätzten gleichzeitigen Nutzer herleiten lässt, wird nicht klar.
Neben den Plänen von SpaceX, OneWeb, Airbus und Samsung gibt es weiter Projekte für eine Versorgung mit Internetzugriffsmöglichkeiten von oben. Facebook und Google planen hochfliegende stratosphärischen Drohnen beziehungsweise nicht angetriebene Internetballons. Sie könnten, bei sorgfältiger Entwicklung, mittelfristig den Vorteil günstiger Realisierbarkeit aufweisen. So könnte eine Ballonflotte in den Jetströmen um die Welt kreisen und würde dabei nur einen geringen Etat für Wartung und Instandhaltung erfordern. Man prognostiziert hier Wartungszyklen von 60 bis 90 Tage.
Wer werden die Kunden sein?
Alle Projekte verbindet der existenzielle Bedarf nach revolutionär innovativen Fertigungsmethoden. OneWeb spricht diesen Punkt auch selbst an: „Bislang wurde der Bau von Mikrosatelliten und Massenfertigung nie im selben Atemzug genannt.“ Das soll sich nun ändern: Die OneWeb-Satelliten sollen weniger Komponenten und weniger Masse aufweisen, sowie leichter zu bauen und billiger zu starten sein.
Die Stückkosten bei Flotten von mehreren hundert oder gar tausend Satelliten müssen tatsächlich dramatisch gedrückt werden, um ein Projekt dieser Größe nicht in die ökonomische Absurdität zu treiben.
Und selbst wenn das gelingt, müssen die Betreiber mit ihrem Angebot ganz erheblich in Vorleistung gehen. Die Investitionen in Form von Nutzungsgebühren wieder hereinzuholen, dürfte ebenfalls eine Herausforderung darstellen. Zwar sind Unternehmenskunden oder Medienhäuser ebenso mögliche Großabnehmer von Kapazitäten wie Hilfsorganisationen oder Rettungskräfte, wie OneWeb auf seiner Website auch selbst skizziert, doch diese Kreise sind auch bisher die Hauptkunden schneller bodenunabhängiger Internetzugänge.
Potente Kunden dürfte OneWeb bei kommerziellen Airlines und in der allgemeinen Luftfahrt finden. Bislang ist die Internetanbindung von Passagierflugzeugen technisch eher anspruchsvoll, was sich unmittelbar in den Preisen widerspiegelt. Brächte OneWeb seine Konstellation in Betrieb, wäre eine Nutzung in Flugzeugen ein Quantensprung in Performance und Realisierung.
Ähnliches dürfte für die Seefahrt gelten. Vom Containerriesen über Kreuzfahrer bis hin zu privaten Seglern dürfte ein massentauglicher Satelliteninternetzugang großen Anklang finden.
Ferner beschreibt OneWeb die Möglichkeit für Internetserviceprovider (ISPs) ihre eigenen Netzwerke durch Zukauf von OneWeb-Kapazitäten dort zu ergänzen, wo der eigene Netzausbau noch nicht erfolgt ist und möglicherweise unökonomisch wäre. Um allerdings eine breite Endkundenbasis aufzubauen, müsste ein solcher Dienst deutlich performanter sein, als alle örtlich verfügbaren kabel- oder mobilfunkgestützten Angebote, was auch die Verfügbarkeit ausgereifter Hardware mit einschließt.
OneWeb spricht von „User-Terminals“, die klein, günstig und einfach zu handhaben sein sollen. Optional soll man sie mit Batterien betreiben und über Solarpanels aufladen können. Via Wifi oder sogar 2/3/4G sollen sie ihren Internetzugang für Internetgeräte in ihrer Umgebung bereitstellen.
Wenigstens bei den Mobilfunkstandards, die vermutlich in der Art einer Pico/Nanozelle genutzt werden sollen, dürften sich weltweit die Regulierungsbehörden zu Wort melden. Dennoch stellt diese Betriebsweise eine faszinierende Möglichkeit zur Ergänzung unzureichender Mobilfunkversorgungen dar.
Internet für alle?
Blickt man auf Weltregionen, die bislang unter einem Mangel an bodengebundener Kommunikationsinfrastruktur leiden, stellt sich wiederum die Frage nach zahlungskräftigen Kunden. Zwar gibt es beispielsweise in Afrika in weiten Teilen kaum bezahlbare Breitbandanschlüsse, doch dürfte es für einen Großteil der dortigen Bevölkerung unerheblich sein, ob ein Internetzugang 30 oder 300 Dollar im Monat kostet. Er bleibt ohnehin unbezahlbar.
Eine, wenn auch höchst spekulative, Möglichkeit der Refinanzierung würde der Verkauf von Übertragungskapazitäten an Entwicklungshilfekooperationen oder Regierungen darstellen. Diese könnten die Zugänge als Wiederverkäufer einer größeren Zielgruppe stark subventioniert zur Verfügung stellen.
So oder so ist das Geschäftsmodell eines globalen Satelliteninternetservices noch nicht klar absehbar. Wie dünn die Luft bei kommerziellen Weltraumunternehmungen in noch gering entwickelten Marktsegmenten sein kann, bekam vor Jahren der Satellitentelefoniebetreiber Iridium zu spüren: 1998 gestartet, geriet das Unternehmen mangels Kunden bereits drei Jahre später in akuten Zahlungsverzug. 2008 hatte es sich mit seinen Gläubigern verglichen, bis dahin aber etwa vier Milliarden Dollar Schulden angehäuft. Das Unternehmen überlebte nicht zuletzt auch durch ein aktives Eingreifen des US-Verteidigungsministeriums.
Aufräumen im erdnahen Raum
Auch ein weiterer Aspekt, der bei großen Satelliten-Flotten nicht unerwähnt bleiben kann, ist die durch sie möglicherweise akut verschärfte Weltraummüllproblematik. Die Orbits zwischen 600 und 1.200 km sind bereits heute stark gefragt. Ein Projekt dieser Größe bedarf zwingend einer von Beginn an implementierten Entsorgungsstrategie für die Zeit nach Außerdienststellung jedes einzelnen Satelliten. Ein kontrolliertes Verglühen in der Atmosphäre bei den relativ kleinen Satelliten wäre hier zu bevorzugen. OneWeb spricht von einer Deorbiting-Strategie für seine Satelliten, die genau dies vorsieht.
Alternativ könnte ein neuer Friedhofsorbit geschaffen werden, wobei diese Art der Entsorgung eine grundsätzliche Beantwortung der Müllfrage lediglich verschiebt.
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