Durch Beobachtungen mit dem Radioteleskopverbund ALMA konnten Astronomen jetzt erstmals direkt den Anteil von Gas und Staub in Galaxien ermitteln, in denen sich in der Vergangenheit Gammastrahlenausbrüche ereignet haben. Völlig überraschend wurde dabei weniger Gas und entsprechend sehr viel mehr Staub beobachtet als erwartet. Dies könnte die Existenz von dunklen GRBs erklären, bei denen kein für derartige Ausbrüche typisches Nachleuchten zu beobachten ist.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.
Gammastrahlenausbrüche (kurz „GRB“) stellen die hellsten und energiereichsten Explosionen dar, welche jemals im Universum beobachtet wurden. Bei etwa 70 Prozent aller beobachteten GRBs handelt es sich um Gammastrahlenblitze, welche länger als mindestens zwei Sekunden andauern. Derartige ‚langandauernde GRBs‘ werden von den Astronomen mit Supernova-Explosionen in Zusammenhang gebracht. Sobald ein Stern, welcher ursprünglich über mindestens etwa 20 Sonnenmassen verfügt, seinen für die Kernfusion benötigten nuklearen Brennstoff aufgebraucht hat, kollabiert dieser unter seiner eigenen Masse zu einem schwarzen Loch.
Im Rahmen dieser Explosion setzt ein typischer Gammastrahlenausbruch in nur wenigen Sekunden so viel Energie frei, wie die Sonne in ihrem gesamten, etwa zehn Milliarden Jahre andauernden Leben. Dabei bilden sich Plasma-Jets aus, welche mit nahezu Lichtgeschwindigkeit nach außen schießen. Diese Jets bahnen sich zunächst ihren Weg durch den kollabierten Stern und treffen dann mit dem zuvor ausgeworfenen Gas des Sterns zusammen. Dabei werden Schockfronten und ein auch im sichtbaren Lichtspektrum zu erkennendes helles ‚Nachleuchten‘ erzeugt, welches sich mit der Zeit abschwächt.
Allerdings erzeugen einige Gammastrahlenblitze seltsamerweise kein solches Nachleuchten, weshalb derartige Ausbrüche von den Astronomen auch als ‚dunkle Blitze‘ bezeichnet werden. Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen bestand bereits seit längerem darin, dass relativ kompakte Staubwolken die Strahlung des Nachleuchtens absorbieren. Diese Vermutung hat sich jetzt durch neue Forschungen erhärtet.
ALMA entdeckt molekulares Gas…
In den letzten Jahren haben Wissenschaftler versucht zu entschlüsseln, wie sich GRBs bilden und warum dabei bei einigen kein Nachleuchten zu beobachten ist. Hierzu wurden deren Ursprungsgalaxien untersucht. Die Astronomen gingen dabei allgemein davon aus, dass die massereichen GRB-Vorläufersterne in aktiven Sternentstehungsgebieten zu finden wären, welche naturgemäß von großen Mengen molekularen Gases umgeben sind. Allerdings konnte diese Theorie bisher nicht durch entsprechende Beobachtungen bestätigt werden.
Jetzt ist es allerdings einer Gruppe von japanischen Astronomen gelungen, mit dem in der nordchilenischen Atacamawüste befindlichen Radioteleskopverbund ALMA die Radioemissionen von molekularem Gas in zwei GRB-Ursprungsgalaxien zu detektieren, welche sich in Entfernungen von 4,3 Milliarden beziehungsweise 6,9 Milliarden Lichtjahren zu unserer Heimatgalaxie befinden. Ermöglicht wurde dies durch die bisher unerreichte hohe Empfindlichkeit des Radioteleskopverbundes. Die Sensitivität von ALMA fiel bei den entsprechenden Beobachtungen etwa fünfmal besser aus als bei vorherigen Observationen mit anderen Teleskopen.
„Wir haben seit über zehn Jahren mit verschiedenen Teleskopen auf der ganzen Welt nach molekularem Gas in GRB-Ursprungsgalaxien gesucht. Als Ergebnis unserer harten Arbeit ist uns nun endlich mit ALMA ein beachtlicher Durchbruch gelungen. Wir sind sehr begeistert von dem, was wir erreicht haben“, so Professor Kotaro Kohno von der Universität Tokio, einer der Mitarbeiter der Forschungsgruppe.
…und ungewöhnlich viel Staub
Ebenfalls dank des hohen Auflösungsvermögens von ALMA war es dabei zudem möglich, den Anteil und die Verteilung des molekulares Gas im Vergleich zu dem interstellaren Staub in den GRB-Ursprungsgalaxien zu bestimmen. Das Verhältnis der Staubmasse zur Masse des molekularen Gases liegt im interstellarem Medium der Milchstraße und anderer nahegelegener, sternbildender Galaxien bei etwa einem Prozent. Die ALMA-Daten ergaben, dass der Staubanteil in der Umgebung von GRB 020819B dagegen mindestens 10mal höher ausfällt. Eine ähnliche Verteilung wurde im Bereich des weiter entfernt gelegenen GRB 051022 beobachtet, muss wegen der entfernungsbedingt geringeren Auflösung von ALMA allerdings erst noch durch Nachfolgebeobachtungen bestätigt werden.
„Wir haben nicht erwartet, dass GRBs in einem derartig staubigen Umfeld mit einem niedrigen Verhältnis von molekularem Gas zu Staub auftreten würden. Das deutet darauf hin, dass der Gammastrahlenausbruch sich in einer Umgebung ereignet hat, die sich stark von einem typischen Sternentstehungsgebiet unterscheidet“, so Bunyo Hatsukade vom National Astronomical Observatory in Japan, der Leiter der Forschungsgruppe. Dies lässt darauf schließen, dass die massereichen Vorgängersterne der GRBs das Umfeld ihrer jeweiligen Sternentstehungsgebiete verändert haben, bevor sie als Supernova endeten.
Staub als Ursache für ‚dunkle‘ Gammastrahlenausbrüche
Eine Erklärung für den hohen Staubanteil in der Umgebung der untersuchten GRBs könnte darin liegen, dass molekulares Gas und Staub unterschiedlich auf ultraviolette Strahlung reagieren. Die Bindungen zwischen Atomen, aus denen sich Moleküle zusammensetzen, kann leicht durch ultraviolette Strahlung aufgebrochen werden. Dies hat zur Folge, dass interstellares molekulares Gas – anders als der interstellare Staub – auf Dauer nicht in einem Umfeld bestehen kann, welches der starken ultravioletten Strahlung ausgesetzt ist, die von einem heißen und massereichen Stern in seinem Sternentstehungsgebiet ausgeht.
„Die Ergebnisse, die wir jetzt erhalten haben, haben unsere Erwartungen übertroffen. Wir müssen weitere Beobachtungen für andere GRB-Ursprungsgalaxien durchführen, um zu sehen, ob es sich dabei um allgemeine Bedingungen im Umfeld eines GRB handelt. Wir freuen uns auf die zukünftige Forschung mit der verbesserten Leistungsfähigkeit von ALMA“, so Bunyo Hatsukade weiter. Auf jeden Fall stützen die bisherigen Beobachtungsdaten von ALMA jedoch die Vermutung, dass Staub in den Ursprungsgalaxien die Strahlung des Nachglühens eines GRBs absorbiert und somit für das Auftreten von ‚dunklen‘ Gammastrahlenblitzen verantwortlich ist.
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden von den beteiligten Wissenschaftlern am 12. Juni 2014 unter dem Titel „Two gamma-ray bursts from dusty regions with little molecular gas“ in der Fachzeitschrift Nature publiziert. Bei dieser Arbeit handelt es sich zugleich um die erste Veröffentlichung von wissenschaftlichen Ergebnissen, bei denen Daten des ALMA-Teleskopverbundes im Rahmen der Untersuchung von Gammastrahlenausbrüchen verwendet und publiziert wurden.
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Fachartikel von B. Hatsukade et al.: