Der Missing Link zwischen GRB und Hypernova

Durch die umfassende Beobachtung eines Gamma-Ray Burst (GRB) Ende März dieses Jahres konnte erstmals der Nachweis erbracht werden, dass Supernovae eine wesentliche Ursache für diese gigantischsten Explosionen seit dem Urknall sind.

Ein Beitrag von Michael Stein. Quelle: ESO.

Aufnahme des optischen “Nachleuchtens” des GRB 030329 durch eines der 8,2 m VLT-Teleskope der ESO.
(Foto: ESO)

Bereits seit Ende der 1960-er Jahre sind den Astronomen die unter der Bezeichnung “Gamma-Ray Bursts (GRBs)” zusammengefassten, oft nur wenige Sekunden andauernden Gammastrahlenblitze bekannt, die von den heftigsten kosmischen Ereignissen seit der Entstehung des Universums künden. Alleine schon die Tatsache, dass die hinter den GRBs stehenden Vorgänge derartig intensive Strahlung im energiereichsten Spektralbereich als Gammastrahlen emittieren, ist Beleg für den wenig friedfertigen Charakter dieser Ereignisse. GRBs werden durchschnittlich ein- bis zweimal pro Tag in allen Regionen des Universums beobachtet, die einzige Regelmäßigkeit ist ihre Unvorhersagbarkeit und ihre enorme Entfernung, sie treten mehrere Milliarden Lichtjahre von uns entfernt auf.
Seit Oktober 2000 sucht der amerikanische Forschungssatellit HETE-2 den Himmel nach Gammastrahlenblitzen ab (der Start von HETE-1 war 1996 fehlgeschlagen, da der Satellit nach Erreichen des geplanten Orbits nicht von der Pegasus-Trägerrakete getrennt werden konnte). Sobald ein GRB entdeckt wird erfolgt innerhalb kürzester Zeit (im Idealfall nur wenige Minuten nach der Entdeckung) eine vollautomatische Benachrichtigung verschiedener Observatorien auf der Erde, die dann auf die Suche nach dem “Nachleuchten” der Explosion im Spektralbereich des sichtbaren Lichts gehen.
Die Ursache für die GRBs, von denen viele in wenigen Sekunden mehr Energie in das Weltall abstrahlen als unsere Sonne während ihrer gesamten Lebensdauer von rund zehn Milliarden Jahren, konnte bisher nur vermutet werden. Klar war nur, dass keine kontinuierlich verlaufenden Prozesse derartige Energiemengen produzieren konnten, es musste sich also um apokalyptische Ereignisse wie Verschmelzungen von “Schwarzen Löchern”, Zusammenstöße von Neutronensternen oder gigantische Supernova-Explosionen (so genannte “Hypernovae”) handeln. Ende März ist es einem internationalen Astronomen-Team nun erstmals gelungen, nachweisbar eine Verbindung zwischen einer Hypernova und einem GRB herzustellen – der Missing Link zwischen GRBs und den zugrundeliegenden kosmischen Ereignissen war damit gefunden!

Der Satellit HETE-2 bei Tests vor dem Start.
(Foto: MIT)

Doch im Einzelnen: Am 29. März 2003 beobachtete HETE-2 im Bereich des Sternbilds Löwe einen sehr hellen Gammastrahlenblitz. Aufgrund der Alarmmeldung des Satelliten nahmen verschiedene Observatorien auf der Erde die Suche auf, und innerhalb von nur 90 Minuten nach der Registrierung des GRB durch HETE-2 entdeckten ein australisches und ein japanisches Observatorium an der gemeldeten Position ein mit dem GRB korrespondierendes Aufleuchten im sichtbaren Licht. Nur wenige Stunden später nahm auch eines der vier gigantischen 8,2 m-Teleskope des Paranal-Observatoriums in Chile, die zusammen das so genannte Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) bilden, die Beobachtung von GRB 030329 auf. Innerhalb eines Tages konnte dann aufgrund der so genannten Rotverschiebung der von dem Teleskop aufgefangenen Strahlung auch die Entfernung des GRBs von 2.650 Millionen Lichtjahre bestimmt werden – so nahe wie kein anderes bisher beobachtetes Ereignis dieses Typs. Durch die ungewöhnlich “geringe” Entfernung und die große Helligkeit des Nachleuchtens im sichtbaren Licht boten sich den Astronomen außerordentlich günstige Beobachtungsbedingungen, weshalb das langsam schwächer werdende optische Nachleuchten von GRB 030329 bis zum 1. Mai regelmäßig mit Hilfe von einem der 8,2 m-VLT-Teleskope beobachtet wurde.
Die zwei dabei zum Einsatz gelangten Kameras und Spektrometer registrierten Datenmaterial in einer bis dahin nicht vorhandenen Güte. Durch Auswertung der im Laufe des Monats April gewonnenen Spektren sind die Wissenschaftler nun sicher, die Entstehung von GRB 030329 erklären zu können.

Demnach steht der von HETE-2 am 29. März registrierte Gammastrahlenblitz in unmittelbarem Zusammenhang mit der Explosion eines Sternes – einer Explosion, deren unvorstellbare Gewalt Materie mit mehr als 30.000 Kilometern pro Sekunde (also mit mehr als 10 Prozent der Lichtgeschwindigkeit!) in den Weltraum geschleudert hat. Für derartig enorme Sternenexplosionen hat sich der Begriff “Hypernova” eingebürgert, doch selbst für diese Kategorie ist die vor rund 2,65 Milliarden Jahren erfolgte Explosion extrem gewaltig gewesen.

In dem am 19. Juni im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichten Artikel wird als Ursache des GRB der Kollaps eines Sterns genannt, der ursprünglich mehr als die 25-fache Masse unserer Sonne aufwies und zunächst so gut wie nur aus Wasserstoff bestand. Nachdem der Stern einen großen Teil seiner Masse bereits verloren hatte – er brachte es dann “nur noch” auf rund zehn Sonnenmassen – und den anfänglichen Wasserstoffvorrat durch Kernfusionsprozesse beinahe komplett in Helium, Sauerstoff und schwerere Elemente umgewandelt hatte, kam es relativ bald zu einem Kollaps des Kerns, da der nach außen wirkende Strahlungsdruck die immense, zum Zentrum des Sterns hin wirkende Gravitation nicht mehr kompensieren konnte. Im Inneren des Sterns bildete sich daraufhin ein Schwarzes Loch, vom dem aus innerhalb weniger Sekunden ein Materiestrahl nach außen schoss und die zu diesem Zeitpunkt immer noch existierende äußere Hülle des Sterns zerschmetterte – eine Hypernova tauchte am Himmel auf.

Währenddessen traf der vom Schwarzen Loch ausgegangene Materiestrahl mit enormer Macht auf Materieansammlungen, die sich im Umfeld des sterbenden Sterns befanden. Bei diesem Ereignis wurde die enorme Gammastrahlung freigesetzt, die auf der Erde dann als GRB sichtbar war. Noch sind sich die Astronomen allerdings nicht darüber im klaren, ob Kollisionen innerhalb des Materiestrahls selbst oder aber die Wechselwirkung zwischen dem Materiestrahl und der Materie in der Umgebung des Sterns für die beobachtete Gammastrahlung verantwortlich sind.

Was sich wie eine fantastische Geschichte liest ist für die Astronomen tatsächlich ein Ereignis von außergewöhnlicher Bedeutung. Während bisher nur Vermutungen über die Ursache von GRBs angestellt werden konnten ist es nun zum ersten Mal gelungen, ein konkretes kosmisches Phänomen als Ausgangspunkt eines Gammastrahlenblitzes nachzuweisen. Auch wenn alle Details der Entstehung des GRBs noch nicht klar sind, so kann die Bedeutung dieser Beobachtung für die Erforschung der Gamma-Ray Bursts kaum überschätzt werden.

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