An Stelle eines Nachrufs

Es ist nun schon einige Tage her, dass die Nachricht kam: Sigmund Jähn ist tot. Unfassbar! Es kam so plötzlich und unerwartet für manche. Ich persönlich brauchte erst einige Tage, um zu realisieren, was das bedeutet. Der große kleine Mann, der nie im Vordergrund stehen wollte, der Vater und Großvater aller deutschen Raumfahrer (Zitat Astronaut Reinhold Ewald) ist nicht mehr.

Ein Beitrag von Andreas Weise. Quelle: Andreas Weise, Raumfahrer Net, Raumcon, DLR, Deutsche Raumfahrtausstellung.

Einen Nachruf zu schreiben habe ich versucht, konnte es aber nicht. Wo soll man anfangen? Was soll man berichten? In den letzten Wochen wurde breit in den Medien über ihn berichtet. Viel mehr als jemals zuvor. Und das deutschlandweit! Eine Aufmerksamkeit, die er nie zuvor erfahren hat.

DLR
Sigmund Jähn vor seinem historischen Raumflug
(Bild: DLR)

Wovon soll man erzählen? Jähn hat viele bemerkenswerte Lebensetappen gehabt.

Er stammt aus einfachen Verhältnissen, lernt Buchdrucker. Fliegen will er. Dafür geht er zu den Luftstreitkräften der DDR. Er tut das auch in der Überzeugung, seinem Land, dieser DDR, einen Dienst zu tun. Als junger Flugzeugführer muss er sich bei einem Tiefflug aus seiner Maschine katapultieren. Eine sehr gefährliche, lebensgefährliche Situation. Später wird er selber Flugunfälle, besondere Vorkommnisse, untersuchen. Dann die Auswahl als Kosmonautenkandidat. Unzählige Male ist dieser Werdegang geschildert worden. Er selber meint dazu, dass er nur Glück gehabt habe.

Sein Weltraumflug macht Jähn über Nacht berühmt, zur öffentlichen Figur und zum Spielball der Propaganda. Doch er bleibt bodenständig. Auch wenn ihm der ganze Rummel nicht passt, er spielt seine Rolle bis zu Letzt. Er fühlt sich diesem Land, seiner Heimat, verpflichtet. Für viele war und ist er heute noch ein Held. Er selber sieht sich immer nur als Figur in der Geschichte.

Jähn promoviert auf dem Gebiet der kosmischen Fernerkundung. Er setzt das konsequent um, was er mit der Fernerkundungskamera MKF-6 wissenschaftlich auf seinem Raumflug begonnen hat.1982 lernt er Hermann Oberth kennen und ist ihm in Freundschaft verbunden. Auch Ulf Merbold gehört schon frühzeitig zu Jähns Freundeskreis. Niemand kann zu diesem Zeitpunkt ahnen, wie wichtig und wegweisend dieser Kontakt einmal wird. Dann die Wende, der Zusammenbruch der DDR. Jähn, inzwischen Generalmajor, ist plötzlich nicht nur sein Land, sondern auch seine Arbeit und seinen Broterwerb los. Sein neues Land zeigt sich äußerst kleinlich, wenn es um die Anerkennung seiner Arbeitsleistung oder andere Dinge geht.

Doch in der Raumfahrt erinnert man sich an Jähn. Er wird als freier Mitarbeiter im MIR-Programm die deutschen, sowie weitere europäische Astronauten auf ihrem Weg durch die Ausbildung im Sternenstädtchen unterstützen. Er ist der ideale Brückenbauer zwischen Ost und West im Sinne der friedlichen Nutzung des Weltraums. So sagt es auch Frau Prof. Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des DLR.

Andreas Weise
Sigmund Jähn im Mai 2019
(Bild: Andreas Weise)

Dieser Abschnitt aus Jähns Leben wird von den Medien meistens nur nebenbei erwähnt. Für alle, die dabei waren, ist dieses Wirken Jähns umso bedeutungsvoller. Und Jähn macht das, was er immer gemacht hat. Er dient seinem, jetzt größeren, Land. Wie immer bescheiden und im Hintergrund. Und dafür sollte ihm der Dank des geeinigten Deutschland gebühren. Zu seinem 40. Flugjubiläum 2018 kommen dann auch folgerichtig viele, viele Weggefährten, darunter viele deutschen Astronauten – inkl. Alexander Gerst per Liveschaltung von der ISS. Raumfahrer.net berichtete. Es lohnt sich, diesen Artikel noch einmal hervorzuholen und rückblickend durchzulesen. Ich freue mich sehr, dass Sigmund Jähn diese sehr persönliche Ehrung erleben durfte.

Längst Rentner ist der nun 82-jährige unentwegt unterwegs. Er wird mit Einladungen überhäuft. Nur wenige Tage vor seinem Tode ist er anlässlich solch einer Einladung in Rostock.

Die Familie kommt dabei bestimmt viel zu kurz.

Was bleibt ist die Erinnerung. Viele Mitglieder des Raumcon-Forums konnten ihm persönlich begegnen. Ob bei den verschiedensten Raumfahrtveranstaltungen, den nicht enden wollenden Autogrammstunden oder in geselliger Runde. Ob bei wissenschaftlichen Konferenzen, populärwissenschaftlichen Tagungen, Veranstaltungen mit Kindern oder einfach nur bei Treffen mit Vereinen oder Freunden: Stets war man von seiner Ruhe und Liebenswürdigkeit beeindruckt.

Andreas Weise
Kondulenzbuch im Roten Rathaus Berlin
(Bild: Andreas Weise)

Wir zollen Herrn Dr. Sigmund Jähn Respekt, Anerkennung und Dank für seine Lebensleistung.
Er wird uns sehr fehlen.

Raumfahrer Net e.V. und Mitglieder des Forums Raumcon haben kondoliert.Wir werden ihn nicht vergessen.

Im Falle Jähn habe ich da sehr konkrete, praxisbezogene Vorstellungen, was man tun sollte:

Zum einen gilt es, Orte im öffentlichen Raum, die seinen Namen tragen, „zu schützen“. Ja, so etwas gibt es. Vandalismus greift schnell um sich. Ach, Einrichtungen, die Jähns Namen tragen, sind jetzt besonders gefordert. Ich bin mir sehr sicher, dass diese sein Andenken bewahren werden.

Besonderes Augenmerk verdient die Deutsche Raumfahrtausstellung in Morgenröthe-Rautenkranz im Geburtsort von Jähn. Was von den Verantwortlichen in langer DDR-Vorzeit einmal als Jähn-Museum gedacht war, hat sich zu DER Deutschen Raumfahrtausstellung entwickelt. Oder wie Astronaut Reinhold Ewald sagte: Es ist das Wohnzimmer aller deutschen Raumfahrer. Jähn hat diese Idee immer nach besten Kräften unterstützt, in Morgenröthe-Rautenkranz die gesamtdeutsche Raumfahrt darzustellen. Und den Machern ist es über die Jahre auch sehr gut gelungen. Die Deutsche Raumfahrtausstellung verdient jetzt besonders unsere Unterstützung. Nicht nur, weil sie das Andenken an Jähn wachhalten wird, sondern weil hier auch ein Stück Lebenswerk von ihm bewahrt werden muss.

Und dann gibt es noch die unsägliche Geschichte mit der Sojus-29-Kapsel im Militärhistorischen Museum Dresden (MHM). Hier gilt es, die nicht nachvollziehbare und beschämende Ausstellungssituation der Kapsel (an der Decke hängend) zu beenden und die Sojus-29 dem interessierten Publikum wieder direkt zugänglich zu machen. So seltsam das klingen mag, aber vielleicht ist es in späterer Zeit möglich, die Kapsel von der Decke zu holen, wenn man sich nicht mehr der vermeintlichen Peinlichkeit gegenüber einer lebenden Personen aussetzen muss. Ohne Druck auf die Verantwortlichen wird hier allerdings nichts passieren. Also muss man an dieser Sache dran bleiben.

Zu guter Letzt würde ich mich sehr freuen, wenn das DLR mit einer großen Geste zur Erinnerung beitragen würde. Ich schlage vor: Ein Gebäude oder eine Institution am DLR-Standort in Köln, die sich speziell mit der bemannten Raumfahrt und/oder der internationalen Zusammenarbeit beschäftigt, soll Jähns Namen tragen. Nicht in Berlin, Dresden, Neustrelitz, Rostock… sondern in Köln. Köln deshalb, weil damit Kund getan wird, dass Jähn für die bemannte Raumfahrt in Gesamtdeutschland steht.

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