Die erste kommerzielle Außenplattform Europas auf der Internationalen Raumstation ISS soll am 6. März 2020, 23:50 Uhr Ortszeit (EST), ins All starten. Die in Deutschland gebaute und getestete Bartolomeo-Plattform ist ein großer Schritt in Richtung kommerzieller Raumstationsnutzung in Europa. Eine Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Quelle: DLR.
Ihre Tage auf der Erde sind gezählt: In einer Dragon-Raumkapsel wartet die Außenplattform Bartolomeo zurzeit im Kennedy Space Center in Florida auf ihren Start zur Internationalen Raumstation ISS. „Mit dem „Forschungsbalkon“ Bartolomeo startet die ISS in ein neues Zeitalter. Das Projekt „made in Germany“ treibt die Kommerzialisierung der Raumstation spürbar voran. Bartolomeo bietet als erste private Außenplattform Europas auf der ISS Firmen und Forschungseinrichtungen die einmalige Chance, ihr Projekt einfach und schnell im Weltraum zu entwickeln“, freut sich Dr. Walther Pelzer, Vorstand im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zuständig für das Raumfahrtmanagement. Nach den umfangreichen Tests zum Schwingungsverhalten am Göttinger DLR-Institut für Aeroelastik und erfolgreichen letzten Tests in Florida steht dem Start am 6. März 2020 um 23:50 Uhr Ortszeit (7. März 2020, 7:50 Uhr MEZ) mit SpaceX-20 nun nichts mehr im Wege. Die Plattform wurde von Airbus in Bremen gebaut und soll gemeinsam mit dem Columbus-Kontrollzentrum am DLR-Standort Oberpfaffenhofen betrieben werden.
Die Erweiterung der ISS um ein Außenlabor
Benannt nach dem jüngeren Bruder von Christoph Columbus – Entdecker und Namensgeber des europäischen ISS-Labors – soll Bartolomeo als erste kommerzielle Außenplattform in diesem Frühjahr an der Außenseite eben dieses Columbus-Labors installiert werden. Dazu bringt zunächst der kanadische Roboterarm die Plattform an ihren Bestimmungsort und fixiert sie dort. In einem letzten Schritt werden dann zwei Astronauten in einem Außenbordeinsatz die elektrische Installation übernehmen. Mit ihren Abmessungen von zwei Mal zweieinhalb Metern wird die neue, 484 Kilogramm schwere Plattform den verfügbaren Platz auf einer Art Forschungsbalkon an der ISS um zwölf Experiment- und drei Antennenplätze erweitern. Die Nutzlasten können rund einen halben Kubikmeter groß sein und haben aus etwa 400 Kilometern Höhe freie Sicht zur Erde oder in den Weltraum. Bartolomeo ist daher besonders für Experimente geeignet, die die freie Weltraumumgebung nutzen.
Große Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten
„Von der neuen Plattform werden daher Strahlenbiologen, Astro- und Sonnenphysiker, Erdbeobachter, Atmosphären- oder Klimaforscher profitieren. Besonders geeignet ist Bartolomeo zur Technologieerprobung und -validierung. Hier existieren einzigartige Möglichkeiten, die in keinem Labor der Erde erreicht werden, weil optische Sensoren, Materialien, Robotikkomponenten und Antennen in direkter Weltraumumgebung getestet werden können“, betont Dr. Julianna Schmitz, die im DLR Raumfahrtmanagement für ISS-Kommerzialisierung zuständig ist.
So wird zum Beispiel auch das Laserkommunikationsterminal OSIRIS des DLR-Instituts für Kommunikation und Navigation am Standort Oberpfaffenhofen voraussichtlich ab dem Jahr 2021 auf Bartolomeo untergebracht. Das System wurde in Kooperation mit dem Industriepartner TESAT aus Backnang bei Stuttgart entwickelt und soll die ständig wachsenden Datenmengen von Experimenten schnell und sicher von der ISS zur Erde übertragen. Neben dem Vorteil, Experimente und Technologien direkt im Weltraum zu testen, sind zudem alle Experimente und Entwicklungen auf Bartolomeo deutlich kostengünstiger als beispielsweise auf Satelliten. Sie benötigen keinen eigenen Raketenstart, sondern werden auf routinemäßigen Versorgungsflüge zur ISS untergebracht. „Die einfache und kostengünstige Nutzung macht Bartolomeo besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) attraktiv und kann ihnen neue Geschäftsfelder eröffnen – zum Beispiel im Bereich Telekommunikation. Für eine Nachrüstung von Bartolomeo mit Experimenten müssen auch keine Astronauten mehr ausrücken. Durch standardisierte Maße und Anschlüsse der Experimente ist der Einbau viel einfacher und kann rein robotisch über Fernsteuerung von der Erde aus erfolgen“, erklärt Schmitz. Dazu nimmt ein ISS-Roboterarm das Bauteil an einer der beiden Experimentschleusen auf und installiert es an seinem Bestimmungsort auf Bartolomeo.
Ticket zur kommerziellen ISS Nutzung
Gerade kommerziell motivierte Experimente sollen durch Bartolomeo einen vereinfachten und schnellen Zugang zur Raumstation erhalten. Dazu vertreibt Airbus als Hersteller von Bartolomeo diese Fluggelegenheiten auch an Forschung und Industrie. Laut Hersteller gibt es eine Preisspanne von 300.000 bis 3,5 Millionen Euro Jahresmiete je nach Nutzlastgröße. Darin enthalten sind die Unterstützung der Nutzer bei der Experimententwicklung und Sicherheitszertifizierung, der Flug zur ISS, die Installation mit dem Roboterarm, der Experimentbetrieb und letztendlich die Messdaten. Dabei ist die Industrie nicht reiner Auftragnehmer. Airbus hat für die Entwicklung, den Bau und den Betrieb von Bartolomeo eigene Finanzmittel in Höhe von 40 Millionen Euro investiert und die Plattform partnerschaftlich mit der ESA realisiert. Deutschland ist innerhalb der ESA Mitgliedstaaten der größte Stakeholder beim ISS-Programm.
Perspektive
Bartolomeo ist aus einem Ideenaufruf der ESA zur kommerziellen Nutzung der ISS entstanden und ist nun die zweite Partnerschaft dieser Art. Die erste war die ICE-Cubes-Anlage für kleine standardisierte Nutzlastbehälter der belgischen Firma SAS, die Alexander Gerst während seiner horizons-Mission im Columbus-Labor installiert hat. Weitere kommerzielle Partnerschaften sind bereits vereinbart. Die europäische Weltraumorganisation reserviert 30 Prozent ihrer ISS-Ressourcen für nationale Programme und kommerzielle Beistellungen. Sie sind erste Schritte in Richtung einer kommerzialisierten Nutzung der ISS und erfolgen im Einklang mit den Kommerzialisierungsstrategien der internationalen Partner. Diese sollen die Entwicklung von kommerziellen Angeboten auf der ISS und im niedrigen Erdorbit weiter stimulieren und deren Forschungsmöglichkeiten weiteren Nutzergruppen öffnen. Langfristig versprechen sich die Raumfahrtagenturen so einen kostengünstigeren Zugang als bei einem rein institutionellen Betrieb der ISS.