Bericht der Augustine-Kommission veröffentlicht

Gestern wurde der Bericht des Human Space Flight Plans Review Committees veröffentlicht. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.

Ein Beitrag von Tobias Willerding. Quelle: HSF-Komitee. Vertont von Peter Rittinger.

Heute wurde der Abschlussbericht des Human Space Flight Plans Review Committees veröffentlicht, in dem mehrere Optionen für die Zukunft der US-Raumfahrt vorgeschlagen werden.

Die erste Frage, die der Bericht diskutiert, ist die Frage der Rechtfertigung der bemannten Raumfahrt. Wissenschaftliche Forschung, neue Technologien (inkl. SpinOffs) sind keine ausreichende Rechtfertigung dafür. Vielmehr soll es das Ziel der bemannten Raumfahrt sein, die Jugend zu inspirieren mehr naturwissenschaftliche, technische oder mathematische Karrieren zu verfolgen und außerdem die menschliche Zivilisation in das Sonnensystem auszudehnen. Letzteres sei ein Langzeitziel und das “ultimative” Ziel der bemannten Raumfahrt.

Die Explorationsszenarien

HSF-Komitee
Welches Explorationsziel ist das richtige? (Bild: HSF-Komitee)

Das Komitee hat drei Explorationsszenarien detaillierter studiert. Diese sind: eine bemannte Marslandung, eine bemannte Mondlandung inklusive Mondbasis und der “flexible path” (deutsch: flexibler Weg).

Mars: Das Komitee sieht die bemannte Marslandung als das “endgültige” Ziel der Exploration des inneren Sonnensystems an. Jedoch ist der Mars nicht das erste beste Ziel, das angeflogen werden sollte. Vielmehr müsse vorher noch weiteres Wissen über das Überleben auf anderen Himmelskörpern und im tiefen Weltall gesammelt werden. Außerdem benötige eine bemannte Marsmission weitaus mehr Geld als die beiden anderen Szenarien.

Mond: Der Mond ist das aktuelle Ziel des Constellation-Programms. Das Komitee hat zwei Varianten der Monderkundung untersucht. Eine sieht eine bemannte Basis an einem der Pole vor, die andere gleicht mehr dem Apolloprogramm und würde Landungen an verschiedenen Stellen vorsehen, ohne eine Basis aufzubauen. Der Mond ist ein mögliches Explorationsziel, da er nahe der Erde ist, wodurch er schnell zu erreichen ist und die Kommunikationszeiten kurz sind. Außerdem ist er wissenschaftlich interessant.

“Flexible path”: Der “flexible path” ist eine dritte Möglichkeit. Er sieht eine Exploration des inneren Sonnensystems vor, jedoch ohne eine Landung auf Himmelskörpern mit einem großen Gravitationspotential. Potentielle Ziele sind die Lagrangepunkte, Asteroiden in Erdnähe und nicht zuletzt Mars (Flyby) und seine Monde. Ein Marsflyby ist energetisch günstiger als eine bemannte Mondlandung. Diese Reihe von immer anspruchsvolleren Zielen ist eine Möglichkeit, dem Mars näher zu kommen mit dem Potential im späteren Programmverlauf Abstecher auf die Mondoberfläche zu machen. Alternativ könnte später der Mond auch übersprungen und der direkte Weg zum Mars gewählt werden. Außerdem glaubt das Komitee, dass der “flexible path” in der Öffentlichkeit besonders “sichtbar” sein wird, weil er neue immer anspruchsvollere Missionen zu bieten hat.

Sowohl “flexible path” als auch Mondmissionen hält das Komitee für durchführbare Szenarien und es ist wahrscheinlich, dass beide auf irgendeine Weise verfolgt werden müssen, bevor eine bemannte Marsmission durchführbar ist. Daher sei es nicht die Entscheidung welches Szenario durchgeführt werden sollte, sondern in welcher Reihenfolge.

Aktuelle bemannte Raumfahrtprogramme

NASA
Space Shuttle bis 2015? (Bild: NASA)

Das Shuttle: Der aktuelle Plan sieht vor, das Space Shuttle 2010 außer Dienst zu stellen. Allerdings verbleiben noch 6 Shuttlemissionen und es ist daher wahrscheinlich, dass sich diese nicht alle bis Ende 2010 durchführen lassen. Daher empfiehlt das Komitee, Gelder für das Shuttle auch 2011 bereitzustellen. Bei einer Verlängerung der Shuttleflugzeit bis 2015 muss die Sicherheit der Raumfähren neu zertifiziert werden, außerdem kostet das Space-Shuttle-System ca. 3 Milliarden Dollar pro Jahr. Jedoch beinhalten die Kosten des Shuttleprogramms auch viele Fixkosten für das Kennedy Space Center und angrenzende Komplexe, die nach einem Ende des Shuttleprogramms vom Constellationprogramm getragen werden müssten, sodass die Kosteneinsparungen durch Beendigung des Shuttleprogramms geringer sind als sie auf den ersten Blick erscheinen. Das Komitee sieht das Shuttle als die einzige Möglichkeit an, den “Gap” – also die Zeit ohne einen amerikanischen bemannten Zugang zum Weltraum – zu schließen.

Die ISS: Laut des Berichtes würde ein Deorbit der ISS im Jahre 2015 die internationale Führungsfähigkeit der USA in der Raumfahrt stark mindern, da für die internationalen Partner die ISS eine sehr große Bedeutung hat. Viel könnte durch eine Verlängerung des ISS-Betriebs bis 2020 und ein leicht erhöhtes Engagement gewonnen werden, da die USA auf der ISS momentan vergleichsweise wenige Experimente durchführen. Außerdem könnten viele Technologien, die für die Exploration des Weltalls notwendig sind, auf der ISS getestet werden. Falls die ISS bereits 2015 kontrolliert zum Absturz gebracht werden soll, sollten Gespräche mit internationalen Partnern jetzt beginnen und die nötige Finanzierung für diese Aufgabe bereit gestellt werden. Die Kosten für einen Deorbit belaufen sich auf mindestens 2 Milliarden Dollar. Nach der Beendigung des Shuttleprogramms hängt die Versorgung der ISS von einer Mischung aus internationalen und kommerziellen Vehikeln ab, die teilweise bisher noch garnicht oder erst einmal geflogen sind. Dies stellt eine Gefahr für die volle Nutzbarkeit der ISS dar. Das von der NASA geplante kommerzielle ISS-Versorgungsprogramm (COTS) ist eine positive Entwicklung. Finanzielle Anreize sollten bereitgestellt werden, damit die Zeitpläne eingehalten werden können, da die ISS bis zur Verfügbarkeit dieser Raumkapseln verwundbar sein wird.

Das Constellationprogramm: Aufgrund eines Missverhältnisses zwischen dem Programm und dem Budget ist Constellation heute mehrere Jahre hinter dem ursprünglichen Zeitplan. 2005 war man davon ausgegangen, dass Ares I und Orion die ISS ab 2012 unterstützen könnten. Jetzt sieht es so aus, als ob dies frühstens 2015 der Fall sein wird mit wenig Spielraum im Zeitplan. Sollte das NASA-Budget nicht erhöht werden, so ist es wahrscheinlich, dass sich dieses Datum um weitere zwei bis vier Jahre verschiebt. Die Trägerrakete Ares V mit 160 Tonnen Nutzlast befindet sich noch in der Entwurfsphase. Das Komitee schätzt, dass bei aktuellem Budget Ares V nicht vor den späten 2020-er Jahren verfügbar sein wird. Die bemannte Mondlandung dürfte dann nicht vor 2030 stattfinden. Weiterhin kritisiert das Komitee, dass es in dem aktuellem Programm kein größeres Technologieentwicklungsprogramm gibt und empfiehlt daher, ein solches einzurichten. Bezüglich der Raumkapsel Orion hat das Komitee bedenken in Hinsicht auf die Kosten. Da die Kapsel so groß ist, ist ein Landung schwierig. Eine etwas kleinere Kapsel könnte deutliche Kostensenkungen zur Folge haben. Die Trägerrakete Ares I hat technologische Probleme, die sich aber mit Zeit und Geld lösen lassen.

Die Schwerlastraketen

HSF-Komitee
Verschiedene Konzepte für Schwerlastraketen
(Bild: HSF-Komitee)

Das Komitee sieht 65-70 Tonnen als minimale Nutzlast an, die eine Schwerlastrakete haben sollte. Kleinere Trägerraketen werden aufgrund der Anzahl der “kritischen” Flüge als zu riskant bewertet. Damit ist gemeint, dass zum Beispiel im aktuellen Constellationprogramm Orion, EDS und Mondlander auf drei verschiedenen Starts teilweise ohne Treibstoff transportiert werden müssten, um auf aktuellen Trägerraketen transportiert zu werden. Anschließend müssten Mondlander oder EDS noch mit einem Tanker oder an einem Depot nachgetankt werden. Wenn einer der drei Flüge fehlschlägt, kann die Mondmission nicht stattfinden oder muss verschoben werden.

Das Komitee hat daher vier verschiedene Trägersystem in Betracht gezogen:

Ares V hat eine Nutzlastkapazität von ca. 160 Tonnen und besteht aus zwei 5,5-Segment-Feststoffboostern und 6 Triebwerken der RS-68-Familie. Er würde zusammen mit Ares I im aktuellen Constellationprogramm benutzt werden. Zusammen kommen Ares I und V auf eine Nutzlastkapazität von ca. 185 Tonnen.

Ares V lite ist eine leicht veränderte Variante der Ares V mit nur 140 Tonnen Nutzlastkapzität. Diese Version wäre für bemannte Flüge qualifiziert, da sie als Crewrakete für Orion fungiert. Ares V lite verfügt nur über 5 RS-68-Triebwerke und zwei 5-Segment-Booster. Ares V lite würde nur im Doppelstart betrieben werden und käme so bei zwei Starts auf eine Kapazität von 280 Tonnen pro Mission.

Bei den Shuttle-abgeleiteten Trägerraketen hat das Komitee zwei Varianten untersucht: Die eine ist der “Side-Mount”, ein dem Space Shuttle sehr ähnliches System, bei dem der Orbiter durch einen Frachtcontainer ersetzt wird. Die Nutzlastkapzität läge bei 90-100 Tonnen. Als Alternative kommt die Jupiter 241 vom DIRECT-Konzept in Frage. Sie kann 100-110 Tonnen in den Orbit transportieren. Für eine Mondmission würden drei Starts dieser Raketen benötigt. Das Komitee weist darauf hin, dass der Side-Mount weniger Wachstumspotential hat und sehr unsicher für den Crewtransport ist.

Eine EELV-abgeleitete Trägerrakete ist die letzte vorgeschlagene Variante. Diese Trägerrakete hätte eine Nutzlastkapazität von ca. 75 Tonnen, z.B. Atlas 5 Phase 2 Heavy.

Zusätzlich meint das Komitee, dass bisherige Anstrengungen der NASA zu sehr auf die Maximierung der Performance und nicht auf die Minimierung von laufenden Kosten und die Schaffung von Spielräumen bei der Nutzlast fixiert waren.

Crewtransport in den LEO

SpaceX
Kapsel Dragon von SpaceX – ein potentieller Bewerber für ein kommerzielles bemanntes Raumschiff
(Bild: SpaceX)

Der aktuelle Plan sieht vor, dass die Crew mit einer Orionkapsel in einen niedrigen Erdorbit (LEO – Low Earth Orbit) transportiert werden soll. Das Komitee sieht vier Alternativen: eine längere Abhängigkeit von der russischen Sojuskapsel, eine Qualifizierung der EELV für bemannte Flüge, kommerzieller Crewtransport und eine Schwerlastrakete als Crewtransporter. Die erste Alternative wird aufgrund der angestrebten Führungsrolle der USA im Weltraum ausgeschlossen. Die zweite Alternative macht nur Sinn, wenn als Schwerlastrakete ebenfalls eine EELV gewählt wird, weil sonst alle Kosteneinsparungen durch zwei grundverschiedene Systeme verloren wären. Was kommerziellen Crewtransport angeht, sieht das Komitee keine unüberwindbaren technischen Probleme, insbesondere da eine solche Kapsel deutlich einfacher als Orion sein würde, mehr eine modernisierte Geminikapsel. Das Komitee schätzt, dass die NASA fünf Milliarden Dollar an Investitionen aufbringen müsste, um mehrere Wettbewerber teilzufinanzieren. Ein Teil der Entwicklungskosten könnten über andere Märkte – private bemannte Flüge, Flüge für andere Nationen – amortisiert werden. Bei nur einem zusätzlichen Flug pro Jahr reduziert sich der Fixkostenanteil der NASA um 33 Prozent.

Allerdings erkennt das Komitee auch an, dass ein solcher Ansatz Risiken birgt. Um diese zu minimieren, schlägt das Komitee vor, die Entwicklung der Schwerlastrakete und von Orion zu beschleunigen, sodass diese im Notfall als Backup dienen können.

Technologieprogramm:
Das Komitee hat mehrere kritische Technologien identifiziert, die für die Exploration entscheidend sind. Dazu gehören Techniken, die Effekte der Strahlung, Schwerelosigkeit und Isolation auf den menschlichen Körper mindern, Treibstoffspeicherung und Transfer im Weltraum, In-Situ-Treibstoffproduktion, die Marslandung sowie fortschrittliche Antriebe für den Transport im Weltall. Weiter wird betont, dass es vorteilhaft ist, wenn Technologie vor dem Programmstart entwickelt wird, sodass die Entwicklungszeit kürzer und weniger teuer ist.

Internationale Partnerschaften:

HSF-Komitee
Raumfahrtbehördenbudgets
(Bild: HSF-Komitee)

Weltraumexploration ist ein internationales Geschäft geworden. Daher sollen internationale Partner aktiv mit einbezogen werden. Es könnte sich ein substanzieller Nutzen in den Beziehungen mit ausländischen Nationen ergeben und insgesamt mehr Ressourcen verfügbar werden. Das Budget der anderen Nationen zusammen ist mit dem der NASA vergleichbar (siehe Grafik).

Die Optionen
Das Komitee hat acht Optionen vorgeschlagen. Dabei kommen die ersten beiden mit dem aktuellen NASA-Budget für bemannte Raumfahrt aus, die restlichen sechs benötigen auf längere Sicht 3 Milliarden Dollar mehr pro Jahr.

Aktuelles Budget:

  • Option 1: Mond, Constellation-Programm bei aktuellem Budget, ISS bis 2015
  • Option 2: ISS-fokussiert, Ares V lite, kommerzieller Crewtransport, ISS bis 2020

Erhöhtes Budget:

  • Option 3: Mond, Constellation-Programm mit erhöhtem Budget, ISS bis 2015
  • Option 4A: Mond, Ares V lite, kommerzieller Crewtransport, ISS bis 2020
  • Option 4B: Mond, Shuttle-abgeleitete Trägerrakete, kommerzieller Crewtransport, ISS bis 2020
  • Option 5A: “flexible path”, Ares V lite, kommerzieller Crewtransport, ISS bis 2020
  • Option 5B: “flexible path”, EELV Trägerrakete, kommerzieller Crewtransport, ISS bis 2020
  • Option 5C: “flexible path”, Shuttle-abgeleitete Trägerrakete, kommerzieller Crewtransport, ISS bis 2020
HSF-Komitee
Wertungen der verschiedenen Optionen (Bild: HSF-Komitee)

Bei den ersten beiden Optionen kann aufgrund von Geldmangel keine signifikante Exploration in den nächsten 20 Jahren stattfinden. Daher ist eine Budgeterhöhung zwingend notwendig. Alle Mondszenarien lassen eine bemannte Rückkehr zum Mond ab ca. 2025 zu, bei den “flexible path”-Optionen ist ein NEO etwa zur gleichen Zeit erreichbar, Marsflyby und Marsmonde ein paar Jahre später. Die Optionen wurden nach verschiedenen Kriterien bewertet. Diese sind Explorationsvorbereitung, technologische Innovation, wissenschaftliche Erkenntnisse, menschliche Zivilisation, ökonomische Expansion, internationale Partnerschaften, öffentliche Begeisterung, Risiken im Zeitplan, Herausforderungen an die Missionsicherheit, Einfluss auf die Raumfahrtbeschäftigten, programmatische Nachhaltigkeit und Lebenszykluskosten Die Wertungen sind in der nebenstehenden Grafik sichtbar.
Finale Bemerkungen und Ergebnisse
Das Budget der NASA sollte der Mission angemessen sein, außerdem sollte dem NASA-Administrator ausreichend Befugnis gegeben werden, die Behörde flexibel zu managen. Die NASA verfügt nicht über ausreichend Geld, ein größeres System zu betreiben und gleichzeitig ein neues zu entwickeln. Dies ist die Ursache des “Gaps” und es ist wahrscheinlich, dass es weitere geben wird. Außerdem sollte die NASA in der Exploration kommerzielle Firmen mehr mit einbeziehen und das robotische Programm mit dem bemannten koordinieren, ohne das Wissenschaftsbudget für bemannte Aktivitäten zu verwenden oder die Auswahl von wissenschaftlichen Missionen (z.B. Raumsonden) zu beeinflussen.

Der Abschlussbericht kann hier heruntergeladen werden:

Raumcon:

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