Cassini: Sonnenkonjunktion und Enceladus-Vorbeiflug

Bereits am 10. Oktober 2011 begann der 156. Orbit der Raumsonde Cassini um den Saturn. Den Höhepunkt dieses 18 Tage dauernden Umlaufs bildet ein am 19. Oktober erfolgender Überflug des Mondes Enceladus.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, Planetary Society, EPSC-DPS 2011. Vertont von Peter Rittinger.

NASA, JPL, Space Science Institute, Bearbeitung: Emily Lakdawalla (The Planetary Society)
Die Einzelaufnahmen für diese Mosaikaufnahme fertigte die Raumsonde Cassini am 22. August 2011 an.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute, Bearbeitung: Emily Lakdawalla (The Planetary Society))

Bereits am 10. Oktober 2011 erreichte die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zum Saturn. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Cassini in einer Entfernung von rund 2,37 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und begann damit zugleich ihren mittlerweile 156. Umlauf um den Ringplaneten. Die Raumsonde wird sich auch in den kommenden sieben Monaten weiterhin auf einer Orbitbahn bewegen, welche fast genau auf einer Ebene mit der Ringebene des Saturn sowie den Umlaufbahnen mehrerer größerer Saturnmonde verläuft.

Diese gegenwärtige äquatoriale Flugbahn der Raumsonde ermöglicht es den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern unter anderem, die Kanten der Saturnringe abzubilden. Durch die Auswertung dieser Bilder ist es somit zum Beispiel möglich, deren vertikale Ausdehnung zu bestimmen. Zudem ist aus dieser Perspektive ein Blick auf die Wolkenschichten in der Saturnatmosphäre gegeben, welcher nur minimal durch das Ringsystem des Planeten oder einen von den Ringen auf den Saturn geworfenen Schatten beeinträchtigt ist. Außerdem ergibt sich bei dieser Bahn die Möglichkeit, sich im Rahmen eines einzigen Orbits mehreren Monden zu nähern, deren Bahnen ebenfalls in der Äquatorebene liegen.

Wie bereits die vorherigen Umläufe wird auch der vor wenigen Tagen begonnene Orbit, er trägt die Bezeichnung „Rev 155“, von den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern dazu genutzt werden, den Ringplaneten und den größten seiner 62 bisher bekannten Monde, den etwa 5.150 Kilometer durchmessenden Titan, mit verschiedenen Instrumenten zu untersuchen und aus unterschiedlichen Entfernungen mit der ISS-Kamera der Raumsonde abzubilden. Den Höhepunkt des gegenwärtigen Orbits bildet allerdings ein am 19. Oktober erfolgender dichter Vorbeiflug am Saturnmond Enceladus.

NASA, JPL, Space Science Institute
Der momentane Verlauf der Flugbahn von Cassini ermöglicht es, die Kanten der Saturnringe abzubilden und die vertikale Ausdehnung der Ringe zu ermitteln. Diese Aufnahme des Saturn wurde am 25. Februar 2011 aus einer Entfernung von 2,2 Millionen Kilometern angefertigt. Durch die Verwendung verschiedener Filter wird der Planet dabei in Echtfarben wiedergegeben.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute)

Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, eines von insgesamt 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während des 18 Tage dauernden Orbits insgesamt 26 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Der überwiegende Teil dieser Beobachtungen wird dabei erneut das gewaltige Sturmgebiet zum Ziel haben, welches sich seit dem Dezember 2010 über der nördliche Hemisphäre des Saturn ausdehnt (Raumfahrer.net berichtete).

Die ISS-Kamera nahm ihre Arbeit während des jetzigen Orbits bereits etwa vier Stunden nach dem Erreichen der Apoapsis auf und bildete dabei im Rahmen einer „Sturmüberwachungssequenz“ die nördliche Hemisphäre des Saturn mit verschiedenen Filtern ab. Die dabei gewonnenen Aufnahmen sollen dazu dienen, den Verlauf des dort aktiven Sturmgebietes zu dokumentieren. Dadurch sollen neue Erkenntnisse über aktuelle Veränderungen in der Ausdehnung und über die vorherrschenden Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen gewonnen werden. Zwischen dem 17. und dem 23. Oktober sind weitere 11 vergleichbare Beobachtungskampagnen vorgesehen.

Zuvor wird die Kommunikation mit der Raumsonde allerdings erst einmal nur sehr stark eingeschränkt möglich sein. Der Grund hierfür ist die derzeitige „Sonnenkonjunktion“. Hierbei handelt es sich um eine Himmelskonstellation, bei der sich der Saturn von der Erde aus gesehen in einem Abstand von nur wenigen Grad zu der Sonne befindet. Aufgrund dieser Planetenkonstellation ist die Datenübertragung zwischen der Erde und der in einer Umlaufbahn um den Saturn befindlichen Raumsonde im Zeitraum zwischen dem 11. und dem 16. Oktober stark beeinträchtigt, da die von der Sonne ausgehende Strahlung die Funksignale, welche zwischen den beiden Planeten hin und her gesandt werden, zu sehr stört.

Solar System Simulator des JPL
Der Saturn befindet sich momentan nur wenige Grad von der Sonne entfernt. Diese Konstellation beeinträchtigt den Funkverkehr zwischen der Raumsonde Cassini und dem Kontrollzentrum auf der Erde.
(Bild: Solar System Simulator des JPL)

Augrund der dadurch bedingten Begrenzung der Datenübertragungsraten wird Cassini in diesem Zeitraum keine wissenschaftlichen Untersuchungen des Saturn oder dessen Monden vornehmen. Allerdings wollen die Wissenschaftler diese Zeit dazu nutzen, um mit dem Radio Science Subsystem (RSS), also dem Kommunikationssystem der Raumsonde, den Einfluss zu studieren, welchen die Sonnenstrahlung auf die in mehreren Wellenbereichen ausgesandten Radiosignale von Cassini ausübt. Durch die Verzerrungen der Radiosignale sollen so zum Beispiel Erkenntnisse über den aktuellen Elektronengehalt in der Sonnenkorona gewonnen werden.

Nach dem Ende der Sonnenkonjunktion steht am 18. Oktober zunächst eine Studie des Mondes Titan auf dem Programm der Raumsonde. Dabei soll aus Entfernungen von 1,33 beziehungsweise 1,17 Millionen Kilometern die Atmosphäre des Mondes abgebildet werden. Das Ziel dieser Aufnahmen besteht darin, die dort befindlichen Wolkenstrukturen näher zu dokumentieren. Wie bei den vergleichbaren Abbildungen der Saturnatmosphäre sollen durch die dabei erkennbaren Positionsveränderungen der Wolkenstrukturen unter anderem die vorherrschenden Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen ermittelt werden.

NASA, JPL, Space Science Institute, DLR
Der Saturnmond Enceladus: In der Großaufnahme ist am unteren Bildrand dessen Südpolregion mit den dort befindlichen „Tigerstreifen“ erkennbar. Diese geologisch aktive Region stellt den Ausgangspunkt für die Jets aus Wasserdampf und Eispartikeln dar, welche aus den dort befindlichen Kryovulkanen entweichen.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute, DLR)

Am 19. Oktober wird die Raumsonde schließlich um 14:23 Uhr MESZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn, während ihres 156. Orbits erreichen. Zu diesem Zeitpunkt wird sich Cassini 136.330 Kilometer über der obersten Wolkenschicht des Saturn befinden. Bereits drei Stunden vorher wird die Raumsonde um 11:22 Uhr MESZ einen gesteuerten Vorbeiflug an dem 504 Kilometer durchmessenden Mond Enceladus durchführen. Cassini wird sich der Mondoberfläche dabei mit einer Geschwindigkeit von 7,5 Kilometern pro Sekunde bis auf eine Entfernung von 1.231 Kilometern nähern. Bei diesem auch als „E-15“ bezeichneten Vorbeiflug handelt es sich um den zweiten von insgesamt drei Enceladus-Vorbeiflügen, welche im Oktober und November 2011 vorgesehen sind.

Insgesamt sind für diesen Vorbeiflug vier Beobachtungskampagnen der ISS-Kamera geplant. In der ersten Bildsequenz, welche noch während der Anflugsphase der Raumsonde an den Mond angefertigt werden soll, wird sich Enceladus lediglich als eine schmale Sichel präsentieren. Die ISS-Kamera soll diese günstige Perspektive dazu nutzen, um speziell die von der Südpolregion ausgehenden Fontänen aus Gas und feinen Wassereiskristallen abzubilden. Neben der Suche nach weiteren Plumes soll dabei eine eventuell veränderte Aktivität der bisher bekannten Auswurfzonen untersucht werden. Diese Beobachtungskampagne endet um 08:40 Uhr MESZ.

Anschließend wird eines der Spektrometer der Raumsonde, das Composite Infrared Spectrometer (CIRS), die zu diesem Zeitpunkt nicht von der Sonne beleuchteten Bereiche der Mondoberfläche abtasten. Zeitgleich soll die ISS-Kamera die schmale Mondsichel abbilden. Während der dichtesten Annäherung der Raumsonde an Enceladus soll schließlich das Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS) dazu genutzt werden, um die Dichte der Plumes zu bestimmen.

Zu diesem Zeitpunkt wird sich der Stern Epsilon Orionis, der mittlere Gürtelstern im Sternbild Orion, aus der Sicht der Raumsonde direkt hinter diesen Plumes befinden. Durch die Partikel aus Staub und Wassereiskristallen, welche sich von der Südpolregion des Mondes ins Weltall erstrecken, wird das von dem Stern ausgehende Licht leicht abgeschwächt. Durch die Messung der sich daraus ergebenden Helligkeitsveränderung können Rückschlüsse über die Ausdehnung und Dichte der Partikelwolken gezogen werden. Die ISS-Kamera wird die verschiedenen Phasen dieser Sternokkultation ebenfalls abbilden. Diese Kontextaufnahmen dienen der Auswertung der von dem UVIS-Spektrometer gesammelten Messdaten.

Im Rahmen der vierten Beobachtungskampagne wird die ISS-Kamera erneut zusammen mit CIRS eingesetzt. Das Spektrometer soll dabei die Temperatur in der Äquatorregion von Enceladus bestimmen, während sich der Mond im Schatten des Saturn befindet. Die Kamera soll dagegen den Austritt des Mondes aus dem Planetenschatten dokumentieren.

NASA, JPL, Space Science Institute
Die Beobachtung der kleineren Saturnmonde ist ein fester Bestandteil der wissenschaftlichen Tätigkeiten im Rahmen der Cassini-Mission. Dieses Bild zeigt den unregelmäßig geformten Mond Telesto. Die Aufnahme wurde am 27. August 2009 aus einer Entfernung von rund 36.000 Kilometern erstellt. Die für den gegenwärtigen Orbit geplanten Beobachtungen der kleinen Saturnmonde werden allerdings aus wesentlich größeren Entfernungen erfolgen.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute)

Für den 20. Oktober ist schließlich eine Beobachtung des Ringsystems von Saturn vorgesehen. Die ISS-Kamera wird sich dabei auf den G-Ring konzentrieren.

Am darauf folgenden Tag erfolgt eine 15stündige Beobachtung des kleinen, äußeren Saturnmondes Loge. Über diesen erst im Jahr 2006 entdeckten und etwa sechs Kilometer durchmessenden Mond ist bisher außer den Daten seiner Umlaufbahn nur sehr wenig bekannt. Aus den Variationen in der sich bei der Beobachtung ergebenden Lichtkurve soll dessen Rotationsperiode näher bestimmt werden. Diese Beobachtung ist Bestandteil einer langfristig angelegten Kampagne, in deren Verlauf mehrere der kleinen, äußeren Saturnmonde unter verschiedenen Beleuchtungsverhältnissen aus mehreren Millionen Kilometern Entfernung abgebildet werden.

Trotz der großen Distanz zwischen den Monden und der Raumsonde kann Cassini bei derartigen Beobachtungen neben der Rotationsgeschwindigkeit wertvolle Daten über deren Ausdehnung, die sich daraus ergebende Gestalt und die Neigung der Rotationsachsen gewinnen. Entsprechende Ergebnisse wurden erst vor wenigen Tagen auf dem EPSC-DPS Joint Meeting 2011, einem internationalen Kongress über Planetenforschung, im französischen Nantes präsentiert.

Am 22. Oktober steht erneut der Mond Titan im Fokus der an der Cassini-Mission beteiligten Wissenschaftler. Aus einer Entfernung von rund 2,41 Millionen Kilometern soll der Mond mit der ISS-Kamera unter der Verwendung verschiedener Filter abgebildet werden. Das Ziel dieser Beobachtung besteht darin, eventuell gerade über der am Titan-Äquator gelegenen Fenzal-Aztlan-Region sichtbare Wolken abzubilden und deren Bewegungsrichtung zu dokumentieren. Entsprechende Beobachtungen werden am 24. und am 26. Oktober aus Entfernungen von 2,28 und 1,59 Millionen Kilometern wiederholt.
Am 28. Oktober wird Cassini schließlich in einer Entfernung von rund 2,4 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis erreichen und den 156. Orbit um den Ringplaneten beenden. Während des damit beginnenden Orbits Nummer 157 wird am 6. November ein erneuter zielgerichteter Vorbeiflug an dem Mond Enceladus erfolgen. Cassini wird diesen geologisch aktiven Mond dabei in einer Höhe von 496 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 7,4 Kilometern pro Sekunde passieren.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission für das Direktorat für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC.

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