Caught in the Act

… oder auf frischer Tat ertappt kann sich der kleine und immer mal wieder für eine Überraschung gute Eismond Enceladus fühlen.

Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: Macquarie University, Sydney/ Australien; University of California; Santa Cruz/USA; Lars-C. Depka.

Neben vielfältigen weiteren geologischen Attraktionen zeichnet sich der Eismond durch eine überaus starke Altersdiversität einzelner Oberflächenregionen aus. Kraterübersäte Ebenen der nördlichen Hemisphäre werden auf ein Alter von 4,2 Mrd. Jahren taxiert, während die Sarandip-Planitia-Region nahe des Mondäquators bei einem Alter von wenigstens 170 Mio. bis höchstens 3,7 Mrd. Jahren liegen dürfte. Die Südpolarregion mit den bekannten Tiger-Streifen hingegen ist mit weniger als 100 Mio. Jahren (vielleicht sogar nicht wesentlich älter als 500.000 Jahre) als wahrer geologischer Jungbrunnen anzusehen.
Die vier linearen, fast parallel zueinander ausgerichteten, 130 km langen und bis zu 500 Metern tiefen Oberflächenfrakturen der Eiskruste des Mondes, die beidseitig von etwa 100 Meter hohen Graten bzw. Höhenrücken flankiert werden und seit ihrer ersten Sichtung im Mai 2005 vor dem Hintergrund ihrer aktuell anhaltenden kryovulkanischen Tätigkeit zu den Lieblingen einer illustren Forschergemeinde avancierten Tiger Stripes, nehmen im Episodenmodell zwar noch immer eine Zentrale Rolle ein.

NASA/JPL/Space Science Institute
Der nur 500 km große Eismond ist immer wieder für eine Überraschung gut.
(Bildausschnitt: NASA/JPL/Space Science Institute)

In der Beurteilung der Ursache-Wirkungsrelation setzt allerdings ein rasch fortschreitendes Umdenken ein. Darüber hinaus ist von der Region der rasche Ausstoß von Argon, einem radioaktiven Zerfallsprodukt des Kalium-40 und auf der Erde in Bezug auf die sogenannte „Kalium-Argon-Uhr“ ein wichtiges Hilfsmittel in der historischen Geologie, bekannt.

Das zur geologischen Umgestaltung des Mondsüdpolargebietes notwendige Hitzequantum ist von zentraler Bedeutung. Wie wird es erreicht bzw. am Pol freigesetzt? Seit etwa vier Jahren wird auf Grundlage spektroskopischer Untersuchungen im Infraroten ein flussorientierter Hitzeverlauf in Größenordnungen von wenigstens sechs Gigawatt angenommen, was letztlich ziemlich genau dem Äquivalent von ca. einem Dutzend durchschnittlicher europäischer Kraftwerke entspricht.

Ein in der Größe vergleichbares Gebiet auf der Erde entwickelt in Relation zu dem wesentlich kleineren Enceladus drei Mal weniger Hitze, die auf dem Eismond – wie dies Modellrechnungen hinlänglich genau untermauern- nicht durch Gezeitenkrafteinwirkungen des riesigen Saturn auf seinen winzigen Begleiter erzeugt werden kann.

Blasen „warmen“ Eises sind demnach für das sonderbare Hitzeverhalten des kleinen Mondes verantwortlich. Periodisch brechen sie zur Oberfläche durch und verstrudeln auf diese Weise geradezu Enceladus’ Eiskruste. Die nach der Arbeitshypothese seltenen turbulenten Perioden zeigen einmal mehr, dass es manchmal auch durchaus dem Glück des Tüchtigen denn hartnäckigen investigativen Vorarbeiten geschuldet sein kann, prominente Arbeitsansätze zu entwickeln. Schließlich war der Nachweis der geologischen Aktivität des Mondes vor einigen Jahren das herausragende astronomische Ereignis und in keinster Weise im Vorfeld erwartet worden. Dass man Enceladus also gerade bei einer solchen aktiven Periode beobachten kann, ihn also auf frischer Tat ertappt, ist einfach ein glücklicher Wink des Schicksals.

NASA/JPL/Space Science Institute
Das Periodenmodell schematisch dargestellt
(Bild: NASA/JPL)

Als Grundlage des Modells dient ein adaptierter Algorithmus, der ursprünglich im Hinblick auf die Erforschung von Konvektionsbewegungen der Erdoberfläche konzipiert wurde. Allerdings wurden vor dem Hintergrund der im Vergleich zu einer nahezu vollständig geschlossenen Eiskruste des Enceladus relativ flexiblen Erdkruste Modifikationen einiger Ausgangsparameter notwendig. Als gemittelter Wert fand der Eintrag der verformbaren tektonischen Platten der Erde auf der einen Seite, und der der starren Oberflächenkruste der Venus auf der anderen Seite der Extreme Eingang in die Simulationsrechnungen.

Das Ergebnis zeigt gut verträglich das Freisetzen von im Mondinneren entstehender Wärme mittels episodisch aufsteigender Blasen warmen Eises, welches im Vergleich zu dem oberflächennahen Eis zwar eine ähnliche Dichte, jedoch wärmeinduziert verschiedene Wärmeausdehnungskoeffizienten aufweist, was das Aufsteigen klar begünstigt. Durchaus vergleichbar mit den heißen Wachsblasen der in den 1970er Jahren so populären Lavalampen.

Durch das Aufsteigen gelangt das kalte, oberflächennahe Eis in tiefere Regionen, wo es ebenfalls eine Aufwärmung erfährt, ein Kreislauf mit erstaunlich großem Temperaturumfang wäre etabliert, denn während die Warmeisblasen mit 0° C gerade bei dem unter Erdbedingungen geltenden Gefrierpunkt liegen, weist das sie oberflächennah umgebende Eis Temperaturen um –190° C auf.

Einschränkend darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Verträglichkeit des Episodenmodells unter der vorausgesetzten Annahme der Dauer der Aktiv- bzw. Ruheperioden von 10 Mio. und 100 Mio. bis zu 2 Mrd. Jahren erreicht wird, wobei die Aktivperioden maximal 10% der Gesamtexistenz des Mondes ausmachen sollen. Während dieser Aktivphasen liegt die höchstmögliche Oberflächen-Recyclingrate bei etwa 40%, allerdings macht das noch immer hochaktive Gebiet um den Mondsüdpol alleine schon 10% der Gesamtoberfläche aus.

Raumcon:

Nach oben scrollen