Das Chaos im Sternentstehungsgebiet NGC 6559

Eine am 2. Mai 2013 von der Europäischen Südsternwarte veröffentlichte Aufnahme zeigt die im Sternbild Schütze gelegene Sternentstehungsregion NGC 6559. Die Aufnahme gewährt den Astronomen einen eindrucksvollen Einblick in die chaotische Entstehungsphase von Sternen in einer interstellaren Wolke aus Gas und Staub.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.

ESO, IAU, Sky&Telescope
In dieser Karte ist die Position der im Sternbild Schütze gelegenen Sternentstehungsregion NGC 6559 durch einen roten Kreis markiert. Der benachbarte Lagunennebel (M 8) verfügt über eine scheinbare Helligkeit von 6,0 mag .
(Bild: ESO, IAU, Sky&Telescope)

Bei dem Objekt NGC 6559 handelt es sich um eine interstellare Wolke aus Gas und Staub, welche sich in einer Entfernung von etwa 5.000 Lichtjahren zu unserem Sonnensystem im Sternbild Schütze (lateinischer Name „Sagittarius“) befindet. NGC 6559 verfügt über einen vergleichsweise geringen Durchmesser von lediglich wenigen Lichtjahren und befindet sich nahe am Lagunennebel (NGC 6523 beziehungsweise Messier 8). NGC 6559 wird daher oftmals lediglich als ein „Anhängsel“ des Lagunennebels wahrgenommen und häufig übersehen. Dennoch spielt diese relativ kleine Sternentstehungsregion in einer kürzlich von der Europäischen Südsternwarte (ESO) veröffentlichten Aufnahme die Hauptrolle.

Das Gas im Bereich von NGC 6559, welches den Grundstoff für die Entstehung von Sternen bildet, besteht größtenteils aus Wasserstoff. Sobald sich in einem abgegrenzten Bereich des Nebels genügend Materie ansammelt, beginnt diese unter ihrer eigenen Schwerkraft in sich zusammenzufallen. Bedingt durch das Kollabieren des Gases wird das Zentrum dieses Bereiches immer dichter und heißer. Schließlich wird dabei ein Punkt erreicht, an dem die thermonukleare Fusion von Wasserstoff zu Helium einsetzt und ein neuer Stern „geboren“ wird. Die durch den Fusionsprozess freigesetzte Energie stoppt den Kollaps und lässt die neugeborenen Sterne leuchten.

Die hellen, jungen Sterne, welche sich im Rahmen dieses Prozesses innerhalb von NGC 6559 gebildet haben, führen dem verbliebenen Wasserstoffgas mehr und mehr Energie zu. Diese jungen Sonnen gehören üblicherweise zu den Sternen vom Spektraltyp „O“ oder „B“ und verfügen daher über Oberflächentemperaturen im Bereich von 10.000 bis 50.000 Kelvin. Sie strahlen große Mengen hochenergetischer UV-Strahlung in ihre Umgebung ab, welche in der Lage ist, Wasserstoffatome zu ionisieren. Das verbliebene Gas gibt diese zugeführte Energie wieder ab, wodurch das im zentralen Bildbereich erkennbare faserige rote Leuchten entsteht. Ein solches Objekt wird von den Astronomen auch als Emissionsnebel bezeichnet.

ESO
Diese eindrucksvolle Aufnahme des 1,54-Meter-Teleskops am La Silla-Observatorium der ESO setzt das Sternentstehungsgebiet NGC 6559 eindrucksvoll in Szene und dokumentiert so das Chaos, welches herrscht, wenn Sterne im Inneren einer interstellaren Wolke entstehen. Diese Himmelsregion enthält sowohl rot leuchtende Wolken, welche im Wesentlichen aus Wasserstoffgas bestehen, als auch blaue Bereiche, in denen das Sternlicht von kleinen Staubpartikeln reflektiert wird, sowie dunkle Bereiche, in denen der Staub dicht und undurchsichtig wird.
(Bild: ESO)

NGC 6559 setzt sich allerdings nicht nur aus Wasserstoffgas zusammen. Zusätzlich enthält diese Region feste Staubkörnchen, welche aus schwereren Elementen wie Kohlenstoff oder Silizium bestehen. Der bläuliche Bereich unmittelbar rechts neben dem rötlich leuchtenden Emissionsnebel kommt dadurch zustande, weil das Licht, welches von den gerade erst entstandenen Sternen ausgeht, an den dort befindlichen mikroskopisch kleinen Staubpartikeln gestreut – also in alle Richtungen reflektiert – wird.

Staubhaltige Regionen erscheinen in der Regel bläulich, da die Streuung für kürzere, bläuliche Wellenlängenbereiche des elektromagnetischen Spektrums deutlich effektiver ausfällt. Solche Nebel, welche nicht selbst leuchten, sondern lediglich das Licht von Sternen reflektieren, werden als Reflexionsnebel bezeichnet.

In Bereichen, in denen der Staub besonders stark konzentriert auftritt, blockiert dieser das Licht, welches von hinter den Staubkonzentrationen gelegenen Sternen ausgeht, vollständig, so wie in den dunklen Flecken und den gewundenen Filamenten unten links und rechts in der nebenstehenden Aufnahme. Um auch die hinter den Staubwolken gelegenen Bereiche untersuchen zu können, müssten die Astronomen den Nebel bei längeren, infraroten Wellenlängen beobachten, in denen der Staub das Licht von Hintergrundsternen nicht absorbiert.

Der Hintergrund der Aufnahme wird von unzähligen älteren, normalerweise gelblich leuchtenden Sternen gefüllt, welche sich ebenfalls in unserer Heimatgalaxie befinden. Einige dieser Sterne erscheinen allerdings rötlich und etwas lichtschwächer. Dieser Effekt entsteht, weil das von diesen Sternen ausgehende Licht auf dem Weg zur Erde zuerst den Staub von NGC 6559 durchqueren muss.

Die hier kurz vorgestellte Aufnahme des Emissionsnebels NGC 6559 dokumentiert die chaotischen Bedingungen, welche herrschen, wenn sich Sterne im Inneren einer interstellaren Molekülwolke bilden. Angefertigt wurde die Aufnahme mit dem „Danish Faint Object Spectrograph and Camera“-Instrument (kurz „DFOSC“) am Danish-1,54-Meter-Teleskop, welches Bestandteil des La Silla-Observatoriums der ESO in den chilenischen Anden ist. Dieses Teleskop ist bereits seit dem Jahr 1979 in Betrieb und wurde erst kürzlich generalüberholt und dabei in ein fernsteuerbares Teleskop mit modernster Technik umgerüstet.

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