Heute vor 15 Jahren, am 25. Mai 1998, fertigte das erste von vier Großteleskopen, aus denen sich das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte zusammensetzt, seine ersten Aufnahmen an. Anlässlich dieses Jubiläums veröffentlichte die ESO am vergangenen Donnerstag eine Aufnahme, welche den Emissionsnebel IC 2944 zeigt.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.
Auf dem Gipfel des 2.635 Meter hohen Cerro Paranal, einem in der Atacamawüste im Norden der chilenischen Anden gelegenen Berg, befindet sich das von der Europäischen Südsternwarte (ESO) betriebene Very Large Telescope (kurz „VLT“). Diese Anlage setzt sich aus vier Großteleskopen („Unit“-Teleskope) zusammen, welche jeweils über einen Hauptspiegeldurchmesser von 8,2 Metern verfügen, und die mit Hilfe eines Interferometers für ihre astronomischen Beobachtungen gegebenenfalls zu einem einzigen Teleskop „zusammengeschaltet“ werden können. Ergänzt wird das VLT durch vier kleinere Hilfsteleskope mit jeweils 1,8 Metern Spiegeldurchmesser, die sogenannten „Auxiliary-Teleskope“, welche ausschließlich für die Interferenzteleskopie eingesetzt werden und für Interferenzmessungen mit bis zu 200 Metern Abstand eingesetzt werden können.
Durch die Verwendung einer adaptiven Optik ist es mittlerweile gelungen, mit den VLT-Aufnahmen das Auflösungsvermögen des Hubble-Weltraumteleskops zu übertreffen. Aber nicht nur deshalb gilt das VLT als eine der fortschrittlichsten, leistungsstärksten und produktivsten bodengebundenen astronomischen Beobachtungseinrichtungen, welche sich gegenwärtig im Betrieb befindet. Alleine im Jahr 2012 wurden von professionellen Astronomen mehr als 600 wissenschaftliche Fachartikel veröffentlicht, welche auf den Beobachtungsdaten des VLT basieren.
First Light vor 15 Jahren
Das erste dieser vier Einzelteleskope, das Teleskop „Antu“, erlebte sein „First Light“ vor genau 15 Jahren. Am 25. Mai 1998 wurden mit dem Antu-Teleskop unter der Verwendung einer Testkamera die ersten Aufnahmen des südlichen Sternhimmels erstellt. Anlässlich dieses Jubiläums veröffentlichte die ESO am vergangenen Donnerstag eine Aufnahme des Emissionsnebels IC 2944.
Die veröffentlichte Aufnahme zeigt dichte Klumpen aus Staub, welche sich vor einem rötlichen Hintergrund abzeichnen. Die undurchsichtigen Flecken auf dem Bild wirken dabei wie die Tropfen dunkler Tinte. Diese eigenartigen Strukturen werden durch die energiereiche Strahlung verursacht, welche von nahegelegenen hellen und relativ jungen Sternen ausgeht.
Dieses Bild ist die schärfste Aufnahme, welche jemals von diesem Objekt von der Erde aus gemacht wurde. Der Emissionsnebel befindet sich in einer Entfernung von etwa 6.500 Lichtjahren zu unserem Sonnensystem im südlichen Sternbild Centaurus (der Zentaur). In diesem Bereich des Himmels sind viele ähnliche Nebel beheimatet, welche von Astronomen detailliert untersucht werden, um den Mechanismus der Sternentstehung zu erforschen.
Kinderstuben für neu geborene Sterne
Interstellare Molekülwolken bestehen aus Ansammlungen von Gas und Staubpartikeln und beherbergen das Rohmaterial, aus dem sich im Rahmen des Prozesses der Sternentstehung neue Sterne bilden. Sobald sich in einem abgegrenzten Bereich einer solchen Wolke, welche hauptsächlich aus Wasserstoffgas besteht, genügend Materie ansammelt hat, beginnt diese unter ihrer eigenen Schwerkraft in sich zusammenzufallen. Bedingt durch das Kollabieren des Gases wird das Zentrum dieses Bereiches immer dichter und zugleich auch heißer. Schließlich wird dabei ein Punkt erreicht, an dem die thermonukleare Fusion von Wasserstoff zu Helium einsetzt und ein neuer Stern „geboren“ wird. Die durch den Fusionsprozess freigesetzte Energie lässt die neugeborenen Sterne leuchten.
Diese neu gebildeten Sterne führen dem in der Umgebung verbliebenen Wasserstoffgas dabei mehr und mehr Energie zu. Die neu entstandenen Sonnen gehören üblicherweise zu den Sternen vom Spektraltyp „O“ oder „B“ und verfügen daher über Oberflächentemperaturen im Bereich von 10.000 bis 50.000 Kelvin. Sie strahlen große Mengen hochenergetischer UV-Strahlung in ihre Umgebung ab, welche in der Lage ist, Wasserstoffatome zu ionisieren. Das verbliebene Gas gibt diese zugeführte Energie wieder ab, wobei das rote Leuchten entsteht. Ein solches Objekt wird von den Astronomen auch als Emissionsnebel bezeichnet.
Im Fall von IC 2944 zeichnen sich gegen diese rötliche Kulisse eigenartig dunkle Strukturen ab, welche aus im sichtbaren Bereich des Lichtspektrums undurchsichtigen Staubkonzentrationen bestehen. Diese Wolken aus interstellarem Staub sind auch unter dem Namen Bok-Globulen bekannt. Sie sind nach dem niederländisch-amerikanischem Astronomen Bart Bok benannt, welcher in den 1940er Jahren als erster die These vertrat, dass sie möglicherweise als Stätten für eine Sternentstehung in Frage kommen. Diejenigen Globulen, welche in dem hier gezeigten Bild zu sehen sind, tragen zusätzlich nach ihrem Entdecker den Spitznamen Thackeray-Globulen. Sie wurden im Jahr 1950 von dem Astronomen Andrew David Thackeray von Südafrika aus entdeckt.
Die Untersuchung der Globulen
Von besonderem wissenschaftlichen Interesse sind die Bedingungen, denen solche Globulen ausgesetzt sind. Größere Bok-Globulen kollabieren normalerweise und erzeugen dabei neue Sterne, sofern die weiteren äußeren Einflüsse dies zulassen. Die Globulen in diesem Bild befinden sich jedoch sozusagen unter einem permanent erfolgenden heftigen Beschuss durch die UV-Strahlung, welche von den nahegelegenen heißen, jungen Sternen ausgeht. Sie werden durch die Strahlung sowohl erodiert als auch fragmentiert, vergleichbar mit Butterstücken, welche in eine heiße Pfanne geworfen werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Thackeray-Globulen zerstört werden, bevor sie kollabieren und Sterne bilden können.
Solche Bok-Globulen zu untersuchen, gestaltet sich für die Astronomen allerdings als relativ kompliziert, da die Globulen für sichtbares Licht undurchlässig sind. Dadurch wird es für Astronomen schwer, die in ihrem Inneren ablaufenden Vorgänge zu beobachten, so dass andere Mittel benötigt werden, um die Geheimnisse zu enthüllen. Das hierfür verwendete Werkzeug stellen Beobachtungen im Infrarot- und Submillimeterbereich des elektromagnetischen Spektrums dar (Raumfahrer.net berichtete). In diesem Wellenlängenbereich leuchten zum Beispiel Staubwolken hell auf, deren Temperatur nur einige Grad über dem absoluten Nullpunkt liegt. Entsprechende Untersuchungen der Thackaray-Globulen haben bestätigt, dass in deren Inneren gegenwärtig kein aktiver Sternentstehungsprozess abläuft.
Die hier gezeigte Himmelsregion wurde bereits in der Vergangenheit unter anderem durch das Hubble-Weltraumteleskop abgebildet. Diese gezeigte Aufnahme des FORS-Instruments am Very Large Telescope der ESO deckt jedoch einen größeren Ausschnitt des Himmels ab und zeigt die gesamte Sternentstehungslandschaft unter einem für ein bodengebundenes Teleskop außergewöhnlich guten Seeing von lediglich 0,5 Bogensekunden. Der interessierte Betrachter erhält somit einen umfassenden Überblick über eine faszinierende Landschaft der Sternentstehung.
Diese Aufnahme wurde im Rahmen des „Cosmic Gems Programm“ (übersetzt „kosmische Edelsteine“), einer ESO-Initiative zur Erstellung von astronomischen Aufnahmen für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, erstellt. Dieses Programm nutzt dabei hauptsächlich Zeiten, während derer die Beobachtungsbedingungen nicht den strengen Ansprüchen wissenschaftlicher Beobachtungsarbeit genügt. Hierbei werden in erster Linie Bilder von interessanten und faszinierenden Himmelsobjekten angefertigt, welche neben dem wissenschaftlichen Interesse auch ästhetische Gesichtspunkte erfüllen. Die Bilddaten sind anschließend im wissenschaftlichen Archiv der ESO für jedermann zugänglich. Auch professionelle Astronomen können sie für ihre Zwecke nutzen.
Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum: