Am 1. August startete der unbemannte Frachter Progress-M 16M zur Internationalen Raumstation und koppelte hier nach nicht einmal 6 Stunden, also weniger als 4 Erdumläufen an. Dies erforderte gegenüber dem bisher üblichen Vorgehen einige Änderungen.
Ein Beitrag von Günther Glatzel. Quelle: Roskosmos, NASASpaceflight. Vertont von Peter Rittinger.
Diese betreffen sowohl die ISS-Bahn als auch die Technik an Bord des anfliegenden Raumschiffes. Am Prinzip des Verfahrens ändert sich allerdings nichts. Mit dem Start des Raumschiffes muss man warten, bis der Startplatz möglichst genau in der Bahnebene des Ziels, hier also der Internationalen Raumstation, liegt. Zusatzbedingung ist, dass die ISS erst „vor kurzem“ den darüberliegenden Bahnpunkt durchflogen hat. Hier kommt nun der wesentliche Unterschied zum Tragen.
Beim Annäherungsverfahren innerhalb von 50 Stunden, wie es in den letzten Jahren immer zum Einsatz kam, kann die ISS bis zu 270 Grad dem Raumschiff vorausfliegen. Dafür benötigt die ISS 67 bis 68 Minuten. Dieser Umstand, dass die Bahnebene den Startort kreuzt und die ISS maximal 68 Minuten voraus ist, tritt täglich einmal ein.
Beim neuen Verfahren müssen die Anpassungsmanöver in kürzerer Zeit aufeinander erfolgen. In dieser Zeit kann das Raumschiff aber einen so hohen Phasenwinkel von 270 Grad nicht aufholen und gleichzeitig die Bahn der des Ziels angleichen. Der Winkel muss auf etwa 30 Grad begrenzt sein. Das bedeutet, dass die ISS keine 8 Minuten zuvor den Startplatz überflogen haben darf. Dieser Fall tritt nur im Abstand von etwa 3 Tagen ein.
Um langfristig planen zu können, müssen daher die Bahnparameter, insbesondere Flughöhe und Umlaufzeit, über einen längeren Zeitraum konstant bleiben und können nicht an die Bedürfnisse wechselnder Nutzlastanforderungen angepasst werden. Dies soll nun für die Zukunft gewährleistet werden. Die Bahn der ISS wurde seit Anfang Juni 2011 auf relativ konstante 400 Kilometer angehoben, die Umlaufzeit auf etwa 92,6 Minuten justiert.
Mit Progress-M16M wurde nun ein neues, schnelleres Rendezvousverfahren erstmals getestet. Dabei werden nach dem ersten Umlauf die Bahnparameter des Raumschiffes mit hoher Präzision vom Boden aus gemessen und zusammen mit den aktuellen Werten der ISS an das Raumschiff übermittelt. Es folgen zwei Bahnmanöver des Raumschiffs zur Reduzierung des Phasenwinkels. Dies muss und kann bei Progress-MM nun aufgrund der verbesserten Rechentechnik autonom gesteuert werden.
Ergibt die anschließende Messung, dass die Manöver im Rahmen der festgelegten Toleranzen erfolgreich waren, werden zwei weitere Bahnkorrekturen ausgeführt, welche das Raumschiff im 4. Orbit zur ISS führen. Hier werden dann mittels des Rendezvoussystems Kurs relativ zur Station die notwendigen kleinen Lage- und Geschwindigkeitskorrekturen berechnet und ausgeführt, die letztlich zum Ankoppeln führen.
Das neue Verfahren wurde zwar bei einem unbemannten Raumschiff getestet, ist aber eigentlich für die bemannten Sojus-Raumschiffe gedacht. Diese sind in Form, Masse, elektronischer und Triebwerksausrüstung den unbemannten Progress-Raumschiffen recht ähnlich. Auch die Trägerraketen sind vom gleichen Grundtyp. Ein erster bemannter Test des deutlich kürzeren Anfluges auf die Internationale Raumstation soll in der ersten Jahreshälfte 2013 erfolgen. Damit wird die Zeit, welche die Raumfahrer in den recht beengten Verhältnissen innerhalb der Kapsel zubringen, deutlich verkürzt, was auch das eigentliche Ziel der Neuerung ist.
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