Die neue Rolle der Cepheiden

Wie können große kosmische Entfernungen sicher bestimmt werden?

Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: Ohio State University, ESO.

Zur Bestimmung von ULPCs in M81 leistet das Large Binocular Telescope (LBT) gute Dienste
(Bild: Ohio State University)

Über Jahrhunderte hinweg standen Sterne im Allgemeinen für Unvergänglichkeit und göttliche Reinheit. Im Laufe der Astronomiegeschichte erkannte man dann später, dass es bezüglich der göttlichen Reinheit und ihrer Auslegung noch einigen Nachbesserungsbedarf gab, und die Unvergänglichkeit wich schleichend einer ebenso wenig schmeichelnden, wie ungerechtfertigten Natur aus Monotonie und Gleichförmigkeit. Eine Gruppe von Sternen, die mit diesem Trugschluss mitunter in Stundenabständen aufräumen, kennt man unter der Bezeichnung Cepheiden. Den gigantischen Mitgliedern der Cepheiden-Sterngruppe ist eines gemeinsam: Ihr durch regelmäßige Pulsation wandelbares Äußeres. Die klassischen Delta-Cepheiden sind vielleicht die bekanntesten Vertreter solcher auch pulsationsveränderliche Sterne genannten Sonnen, die ihren Namenspatron in Delta Cephei im Cepheus haben.

In Fragen der Astrophysik und hierbei im speziellen im Rahmen der kosmischen Distanzmessung, fällt den Cepheiden eine Schlüsselrolle zu. Ihre Leuchtkraft dient als Indikator für Entfernungsmessungen. Ihre Pulsation unterliegt hierbei streng periodischen Abläufen, deren Dauer sich typischerweise auf etwa 5 Tage beläuft. Darüber hinaus expandieren Pulsationsveränderliche während ihres Pulsationsprozesses auf Grundlage des Kappa-Mechanismusses radial um einige Millionen Kilometer, was jedoch nicht ursächlich für die so wichtigen Helligkeitsänderungen angesehen werden kann.

Grundsätzlich halten sich in einem Stern die massenabhängige Gravitationskraft auf der einen, und der durch die Kernfusion erzeugte Strahlungsdruck auf der anderen Seite die Waage. Jedoch unterliegt die Strahlung auf ihrem Weg zur Photosphäre eines Sterns in seinem Inneren einer vielfachen Streuung, sie diffundiert Richtung Sternoberfläche. Die hieraus resultierende teilweise Undurchlässigkeit der Sternatmosphäre beschreibt man unter dem Begriff der Opazität, die oftmals durch den griechischen Buchstaben Kappa klassifiziert wird.

Vereinfacht lässt sich bei Abweichungen von diesem Gleichgewichtszustand bei zunehmender Temperatur ein Ansteigen der Opazität und damit eine Expansion annehmen, die den Stern bis über den Gleichgewichtspunkt hinaus ausdehnt. Sobald dieser Gleichgewichtspunkt überschritten wird, gewinnt die Gravitation wieder zunehmend an Bedeutung, woraufhin der Stern schrumpft. Diese periodisch wiederkehrende Oszillation macht die Pulsation aus.

In ihrer Rolle als Entfernungsmarkierungen macht man sich neben der festen Korrelation ihrer absoluten Helligkeit mit dem Logarithmus ihrer Pulsationsperiode auch ihre Riesenhaftigkeit zunutze. Mit dem HST lassen sie sich noch in 64 Millionen Lichtjahren Entfernung mit entsprechend notwendiger Genauigkeit nachweisen. Durch die 1912 von Henrietta Swan aufgestellte sogenannte Perioden-Leuchtkraft-Beziehung ist es möglich, aus den beobachtbaren Leuchtwechseln des Cepheiden auf seine absolute Helligkeit zu schließen. Diese Hilfsgröße ist absolut notwendig, um tatsächliche Helligkeitswerte vergleichbar zu machen.

Bei Entfernungen ab ca. 80 bis 100 Millionen Lichtjahren stößt die klassische Cepheidenmethode indes an ihre Grenzen, da die emittierten Lichtsignale inmitten der Strahlung anderer heller Sterne verlorengeht.

Eine bislang kaum beachtete Gruppe von Sternen der Cepheidenklasse birgt jedoch das Potential, die Grenzen der Entfernungsbestimmung weit nach hinten zu verschieben. Die sogenannten ultralangperiodischen Cepheiden (ULP-Cepheiden) weisen einen – wie ihr Name schon vermuten lässt – im Vergleich zu den bisher zur Entfernungsbestimmung verwendeten kurzperiodischen Cepheiden, längeren Pulsationsprozess von mehreren Monaten oder gar Jahren auf. Mit bisher nachgewiesenen 12-20 Sonnenmassen sind ULPCs desweiteren auch noch massereicher und leuchtkräftiger als ihre ohnehin schon schwergewichtigen kurzperiodischen Brüder.

Kurzperiodische Cepheiden waren schon immer gute Distanzmarker, denn ihre Pulsationsperiode steht in direktem Zusammenhang zu ihrer Helligkeit. Polaris ist ein klassischer Vertreter dieser Gattung in unserer Milchstraße
(Bild: ESO)

Die derzeitige Entfernungsbestimmung von Objekten im mittleren und fernen Universum besteht im Regelfall aus einer Kombination mehrerer Messmethoden (z. B. Farben-Helligkeits-Diagramm, Helligkeitsmessung von Typ-Ia-Novae oder Entfernungsabschätzungen mittels Hubble-Konstante) und einer indirekten Ableitung der Entfernung aus ihren Ergebnissen. Mit jeder neu hinzugekommenen Komponente innerhalb dieser Kalkulationsrechnungen steigt das Fehlerrisiko, bzw. erhöhen sich die methodisch bedingten Messtoleranzen, die letztinstanzlich zu einer unerwünscht aufsummierten Verwässerung des Endergebnisses in Bereiche von über 20 % führen können. Im Umkehrschluss bedeutet also jede Eliminierung oder Auslassung einzelner Kalkulationskomponenten eine Reduzierung potentiell auftretender Fehlerquellen und ist im Hinblick auf eine gesteigerte Ergebnisgenauigkeit unerlässlich.

Die enorm leuchtkräftigen ULP-Cepheiden bieten unter weiterer Berücksichtigung ihrer ohnehin schon für genaue Entfernungsmessungen günstigen und zuvor beschriebenen familieneigenen Merkmale nun das Potential, Landmarken für die ersten direkten stellaren Distanzmessungen in Zonen zwischen etwa 150 und 320 Millionen Lichtjahren zu fungieren.

18 von ihnen – allesamt in Galaxien der nahen Umgebung (deren Entfernungen bereits hinreichend genau bestimmt sind) beheimatet – werden derzeit als Referenzobjekte zu Kalibrierungszwecken verwendet, denn noch liegen auch bei der Entfernungsbestimmung mittels ULP-Cepheiden die Ungenauigkeitsraten in einem Bereich zwischen 10 und 15 %, was zwar die grundsätzliche Eignung der ULP-Methode zur Entfernungsbestimmung ab mittleren Skalen untermauert, die allerdings auch durch kongruent belastbares Datenmaterial im Verlauf der noch nicht abgeschlossenen Kalibrierungen signifikant gesenkt werden können.

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