Die Sonne im Blick

Durch kombinierte Beobachtungen von mehreren Raumsonden ist es möglich, die von der Sonne ausgehenden Teilchenströme und deren Quellen langfristig zu beobachten und zu analysieren. Entsprechende Beobachtungen sind unter anderem wichtig, um die aktuelle Entwicklung des Weltraumwetters beurteilen zu können, welches auch Auswirkungen auf das Leben auf der Erde hat. Im Rahmen einer solchen Beobachtung gelang es kürzlich auch, das seltenen Isotop Helium-3 nachzuweisen und dessen Ursprungsort auf der Sonne zu identifizieren.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.

NASA, SDO
Die Sonne, aufgenommen am 31. August 2012 durch das Instrument „Atmospheric Imaging Assembly“ (AIA) an Bord des Sonnenbeobachtungssatelliten SDO. Das AIA ermöglicht Abbildungen der vollen Sonnenscheibe in neun verschiedenen Wellenlängenbereichen im ultravioletten und extrem-ultravioletten Frequenzbereich sowie in einem weiteren Wellenlängenbereich im sichtbaren Bereich des Lichtes mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung. Das mit vier Kameras ausgestattete Instrument fertigt hierzu alle 10 Sekunden ein Bild in HDTV-Auflösung in acht der zehn Frequenzbereiche und in einer Auflösung von 725 Kilometern pro Pixel an. Die hier gezeigte Aufnahme, angefertigt im extrem-ultravioletten Frequenzbereich bei einer Wellenlänge von 304 Ångström, zeigt einen am 31. August 2012 erfolgten ‚Ausbruch‘. Die Ausläufer dieses Flares erreichten drei Tage später die Erde und waren dabei für die Bildung verschiedener Polarlichter verantwortlich.
(Bild: NASA, SDO)

Die Sonne ist keinesfalls der ‚ruhige Ort‘ als der sie einem lediglich mit dem bloßem Auge beobachtenden Betrachter am Taghimmel erscheint, sondern vielmehr – wie jeder andere Stern auch – ein recht aktives Himmelsobjekt. Das Zentralgestirn unseres Sonnensystems schleudert im Rahmen dieser Sonnenaktivität in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen immer wieder große Mengen an energetisch geladenen Teilchen ins Weltall. Gleichzeitig entweicht permanent ein kontinuierlicher Partikelstrom – der Sonnenwind – von deren Oberfläche. Sowohl der eher ‚moderate‘ Sonnenwind als auch die heftigen Erutionen – die kornonalen Masseauswürfe – können dabei direkte und gegebenenfalls eindeutig negative Auswirkungen auf das Leben auf der Erde haben.

Das bekannteste Beispiel für derartige Effekte sind die Polarlichter, welche entstehen, wenn größere Mengen an von der Sonne ausgehenden Partikeln auf die Magnetosphäre der Erde treffen und dabei speziell über den Polarregionen wunderschön anzuschauende Leuchterscheinungen hervorrufen. Deutlich gravierender – und nachteiliger für die Menschheit – können allerdings die Auswirkungen von größeren kornonalen Masseauswürfen sein, welche die Erde ‚direkt“ treffen. Derartige Teilchenströme können sowohl in der Erdumlaufbahn kreisende Satelliten beschädigen als auch zu einer Beeinträchtigung des irdischen Kommunikationsnetzes führen.

Eine weitere Gefahr besteht zudem für das Stromversorgungsnetz, welches ebenfalls sehr anfällig für Störungen durch das Weltraumwetter ist. Durch eine erhöhte Sonnenaktivität hervorgerufene geomagnetische Stürme können gegebenenfalls dazu führen, dass das Stromnetz zusammenbricht. Dies war in der jüngsten Vergangenheit unter anderem im März 1989 der Fall, als in der kanadischen Provinz Quebec das Stromnetz infolge eines geomagnetischen Sturmes ausfiel und sechs Millionen Einwohner der Region einen Zeitraum von neun Stunden ‚im Dunklen‘ verbringen mussten.

Die regelmäßige Überwachung der Sonnenaktivität ist daher mittlerweile unabdingbar, um mögliche Auswirkungen auf die Erde möglichst früh zu registrieren und im gegebenen Fall entsprechende vorsorgliche Maßnahmen einleiten zu können. Zu diesem Zweck stehen den verschiedenen Weltraumorganisationen inzwischen eine Vielzahl von Raumsonden zur Verfügung, welche auf die Beobachtung der Sonne spezialisiert sind. Deren Daten waren bisher allerdings lediglich bruchstückhaft.

Da sich die Sonne innerhalb von etwas mehr als 28 Tagen einmal um ihre Rotationsachse dreht war es bisher nicht möglich, den Teilchenstrom der Sonne und dessen Quellregionen auf der gesamten Sonnenoberfläche über einen längeren Zeitraum hinweg gleichzeitig im Blick zu behalten. Wissenschaftler unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen haben nun erstmals die Daten von drei Raumsonden zu einem ‚Rundumblick‘ kombiniert, bei dem die gesamte Oberfläche der Sonne über mehrere Tage hinweg erfasst werden konnte. Dabei konnten die Forscher auch verfolgen, wie die Sonne ein seltenes Heliumisotop freisetzt.

Sonnenbeobachtungssatelliten
Die meisten der Raumsonden, welche derzeit die Sonne beobachten und erforschen, befinden sich keineswegs in der Nähe der Sonne. Vielmehr bewegen sie sich üblicherweise in der unmittelbaren Nähe zu unserem Heimatplaneten, dessen Umlaufbahn immerhin rund 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt verläuft. Der von der ESA und der NASA betriebene Sonnenbeobachtungssatellit SoHO befindet sich so zum Beispiel in einer Entfernung von lediglich rund 1,5 Millionen Kilometern zur Erde. Der neueste ‚Sonnenspion‘, das am 11. Februar 2010 gestartete Solar Dynamics Observatory (kurz „SDO“) der NASA, befindet sich sogar in einem Erdorbit.

Derartig ‚erdnahe‘ Standorte im Weltall sind zwar für die Kommunikation zwischen einer Raumsonde und den Bodenstationen auf der Erde und speziell für die Übertragungsrate der dabei gewonnenen Daten vorteilhaft – sie bieten jedoch zugleich auch einen entscheidenden Nachteil. Nur die Seite der Sonne, welche sich gerade in ‚Richtung Erde‘ befindet, liegt dabei im Blickfeld der Raumsonden und kann mit den jeweiligen Instrumenten beobachtet werden. Die ‚Rückseite‘ der Sonne bleibt bei den entsprechenden Beobachtungen dagegen jedoch stets für einen Zeitraum von mehreren Tagen ‚verborgen‘.

Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
Im Juli 2011 befanden sich die Raumsonden STEREO-A und STEREO-B fast auf einer Linie mit der Sonne. Zusammen mit den Sonnenobservatorien ACE und SDO, welche in Erdnähe um die Sonne kreisen, war somit ein Rundumblick auf unser Zentralgestirn möglich.
(Bild: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung)

STEREO-A und STEREO-B
An dieser Stelle kommen seit dem Jahr 2011 die beiden Raumsonden STEREO-A und STEREO-B ins Spiel.

Die bereits am 26. Oktober 2006 gestarteten STEREO-Sonden umkreisen die Sonne seit mittlerweile fast acht Jahren auf der gleichen Umlaufbahn wie die Erde. Eine der beiden Sonden – STEREO-A („A“ für „Ahead“ – voraus) – befindet sich dabei ‚vor‘ der Erde. Die andere Sonde – STEREO-B („B“ für „Behind“ – hinterher) – folgt unserem Heimatplaneten auf dessen Umlaufbahn um die Sonne. Dabei driften die STEREO-Sonden von Jahr zu Jahr immer weiter auseinander. Anfang des Jahres 2011 nahmen die beiden Raumsonden dabei eine Formation im Weltraum ein, bei der sich die Sonne genau zwischen diesen beiden Sonden befand. Somit ergab sich für STEREO-A und STEREO-B erstmals die Gelegenheit, zum selben Zeitpunkt nahezu die gesamte Oberfläche der Sonne zu dokumentieren.

„Zusammen mit Sonden in Erdnähe ist es nun möglich, alle Seiten der Sonne gleichzeitig im Blick zu halten“, so Radoslav Bučík vom MPS. „Auf diese Weise können wir erstmals langfristige Prozesse ohne Unterbrechung verfolgen“, so der Wissenschaftler weiter. Hierdurch kann nicht nur die aktuelle Aktivität der Sonne überwacht werden. Vielmehr ergibt sich auch die Möglichkeit, die physikalischen Prozesse im Rahmen eines ‚Rundumblickes‘ zu untersuchen, die aktuell auf der Sonne ablaufen.

In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern von der Johns Hopkins University in Baltimore/USA und der Universität von Alcalá (Spanien) untersuchten die Mitarbeiter des MPS dabei unter anderem die Verteilung des Helium-Isotops „Helium-3“, welches von der Sonne gelegentlich in das Weltall abgegeben wird. Helium-3 ist nicht nur in der Sonnenmaterie, sondern im gesamten Sonnensystem ein sehr selten auftretendes Isotop. Das schwerere Isotop „Helium-4“, dessen Kern aus zwei Protonen und ebenfalls zwei Neutronen besteht, tritt zum Beispiel etwa 10.000mal so häufig auf. Auch der Sonnenwind spiegelt dieses Verhältnis dieser beiden Spielarten des Heliums wieder. Gelegentlich wird unsere Sonne jedoch zu einer wahren ‚Helium-3-Schleuder‘. Über einen begrenzten Zeitraum entweicht dabei ein Teilchenstrom mit einer stark erhöhten Konzentration dieses seltenen Isotops.

NASA, SDO
Am 8. Juli 2011 ’schleuderte‘ die Sonne eine erhöhte Konzentration von Helium-3 ins All. Die Quellregion ließ sich mithilfe der Sonden SDO (oben, 8. Juli) und STEREO A (unten, 15. Juli) über einen Zeitraum von mehreren Tagen überwachen.
(Bild: NASA, SDO)

„Offenbar gibt es einen Mechanismus auf der Sonne, der bei diesen Ereignissen Helium-3 deutlich wirksamer ins All beschleunigt als andere Teilchen“, so Radoslav Bučík weiter. Wie dieser Mechanismus funktioniert, ist bisher jedoch noch völlig unklar.

Eines der Probleme bei der Untersuchung dieses Effektes bestand bisher darin, dass sich diese Teilchen in der Vergangenheit lediglich über einen Zeitraum von maximal einen Tag verfolgen ließen. Da die Sonne rotiert beschreiben die Teilchen – vergleichbar mit dem Wasserstrahl eines rotierenden Rasensprengers – eine Art Spiralbahn. Nach nur wenigen Stunden verschwanden sie deshalb aus dem Blickfeld des jeweiligen Messinstruments. Erst die neue, zu Beginn des Jahres 2011 erreichte Beobachtungsgeometrie der STEREO-Sonden ermöglicht jetzt – in Kombination mit den Daten weiterer Sonnenbeobachtungssatelliten – einen tieferen Einblick. Lediglich wenige Monate später konnten so Daten über den Helium-3-Ausstoß gewonnen werden, welche von den beteiligten Wissenschaftlern in den folgenden Jahren ausgewertet wurden.

Am 1. Juli 2011 registrierte das Massespektrometer SIT an Bord von STEREO-B eine deutlich erhöhte, von der Sonne ausgehende Helium-3-Konzentration. Am 7. Juli wurden diese Teilchen mittels des Teilchenspektrometers ULEIS an Bord der NASA-Raumsonde ACE auch in der Nähe der Erde nachgewiesen. Als Quelle, so das Resultat der Auswertungen, konnten die Wissenschaftler eine spezielle aktive Region auf der Oberfläche der Sonne identifizieren. Derartige Regionen befinden sich oftmals in der Nähe eines Sonnenflecks und weisen hohe Magnetfeldstärken auf. Am 9. und am 16. Juli zeichneten die Raumsonden ACE und STEREO-A erneut erhöhte Helium-3-Werte auf. Auch hier konnten die Wissenschaftler in ihren Berechnungen die selten Isotope bis zu ihrem Ursprungsort zurückverfolgen.

„Dass helium-3-reiche Ereignisse mehrere Tage anhalten können, war eine große Überraschung“, so Radoslav Bučík. Offenbar weist das Sonnenplasma auch über längere Zeiträume Bedingungen auf, welche die Freisetzung von Helium-3 begünstigen. Dies könnte wiederrum ein wichtiger Hinweis sein, der dabei hilfreich sein könnte, den hierfür zugrunde liegenden Beschleunigungsmechanismus zu identifizieren.

„Diesen Mechanismus zu verstehen, hat weitreichende Konsequenzen“, ergänzt Bučík. „Er könnte uns helfen zu verstehen, wie es der Sonne grundsätzlich gelingt, Teilchen in so genannten Flares ins All zu schleudern.“

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