Die Spiralgalaxie NGC 3621

Eine heute von der ESO veröffentlichte Aufnahme zeigt die Galaxie NGC 3621, welche auf den ersten Blick wie ein Musterbeispiel für eine klassische Spiralgalaxie erscheint. In Wirklichkeit ist die Galaxie aber eher ungewöhnlich. Sie verfügt über keine zentrale Verdickung, den sogenannten Bulge, und muss somit der Kategorie der Pure-Disc-Galaxien zugeordnet werden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO, Wikipedia.

ESO, Joe DePasquale
Diese Aufnahme der Spiralgalaxie NGC 3621 wurde mit dem Wide Field Imager des 2,2-Meter-Teleskops am La-Silla-Observatorium in Chile aufgenommen.
(Bild: ESO, Joe DePasquale)

Die am 17. Februar 1790 von dem Astronomen William Herschel entdeckte und im Sternbild Wasserschlange (Hydra) gelegene Spiralgalaxie NGC 3621 ist etwa 22 Millionen Lichtjahre von unserer Heimatgalaxie entfernt. Mit einer scheinbaren Helligkeit von 9,4 mag und einer Winkelausdehnung von 11,0 x 5,9 Bogenminuten ist sie vergleichsweise hell und kann bereits mit Amateurfernrohren relativ gut beobachtet werden. Die nebenstehende Aufnahme wurde allerdings mit einem weit größeren Instrument, dem Wide Field Imager des 2,2-Meter-Teleskops am La-Silla-Observatorium in Chile, angefertigt.

Dieses Teleskop wurde im Jahr 1984 in Betrieb genommen und ist eine Leihgabe der Max-Planck-Gesellschaft an die Europäische Südsternwarte (ESO). Der Wide Field Imager des Teleskops, eine astronomische Kamera mit einem Blickfeld von 34 x 33 Bogenminuten und einem Detektor mit 67 Millionen Pixeln, liefert Bilder, welche nicht nur von besonderem wissenschaftlichen Interesse, sondern auch von einem hohen ästhetischen Wert sind.

Die Galaxie NGC 3621 verfügt über eine auffallend flache, pfannkuchenartige Gestalt. Dies deutet nach der Meinung der Astronomen darauf hin, dass NGC 3621 sich bisher noch nie über längere Zeiträume in der Nähe anderer „Sterneninseln“ befand oder gar mit einer anderen Galaxie kollidiert ist. Ein solcher Zusammenstoß hätte die dünne Scheibe aus Sternen durcheinander gewirbelt und eine Verdickung in der Mitte der Scheibe, einen sogenannten Bulge, erzeugt.

Nach der Ansicht der meisten Astronomen stellen Kollisionen und Verschmelzungen mit anderen Galaxien einen natürlichen Wachstumsmechanismus dar, durch den Galaxien im Laufe der Jahrmilliarden immer größer werden. Im Verlauf eines solchen hierarchischen Galaxienwachstums sollten sich aufgrund gravitativer Einflüsse große Bulges in den Zentren der Spiralgalaxien ausbilden. Neuere Forschungsergebnisse deuten allerdings darauf hin, dass Pure-Disc-Galaxien wie NGC 3621, welche in ihrem Zentrum über keinen Bulge verfügen, im Universum anscheinend häufiger vorkommen als bisher angenommen.

ESO, IAU, Sky&Telescope
Die Galaxie NGC 3621 befindet sich innerhalb des Sternbildes Wasserschlange. Von Mitteleuropa aus kann sie aufgrund ihrer südlichen Lage allerdings nicht beobachtet werden.
(Bild: ESO, IAU, Sky & Telescope)

NGC 3621 ist für die Astronomen aber noch aus einem anderen Grund von großem Interesse. Verglichen mit anderen Galaxien befindet sie sich relativ nahe an unserer Milchstraße. Dies führt dazu, dass die Wissenschaftler eine Vielzahl von astronomischen Objekten innerhalb von NGC 3621 im Detail untersuchen können, etwa Sternentstehungsgebiete, Staubwolken und die sogenannten Cepheiden. Hierbei handelt es sich um hell leuchtende Sterne, die bis zu 30.000 Mal heller werden können als die Sonne in unserem Planetensystem.

Die Helligkeit dieser Sterne variiert periodisch in einem Zeitraum von mehreren Tagen bis Monaten. Die Zeitdauer dieser Helligkeitsschwankungen ist abhängig von der absoluten Helligkeit des Sterns, welche wiederum von der Entfernung unabhängig ist. Kennt man die absolute Helligkeit eines Cepheiden und misst seine scheinbare Helligkeit, so lässt sich daraus seine Entfernung zur Erde ableiten. Die Cepheiden sind daher für Astronomen für die Bestimmung von Entfernungen innerhalb des Universums von großer Bedeutung.

Ende der 1990er Jahre wurde NGC 3621 zusammen mit 17 weiteren Galaxien für ein Schlüsselprojekt des Hubble-Weltraumteleskopes ausgewählt, in dessen Verlauf die Cepheiden in diesen Galaxien näher untersucht wurden. Durch die mit Hilfe dieser Messungen erfolgte Kalibrierung der Entfernungsskala konnte die Expansionsrate des Universums genauer bestimmt werden als je zuvor. Im Verlauf der Messungen konnten die Astronomen innerhalb der Galaxie NGC 3621 insgesamt 69 Cepheiden erfolgreich vermessen.
Das heute von der ESO veröffentlichte Bild entstand durch eine Kombination von mehreren Schwarz-Weiß-Aufnahmen, welche mit vier verschiedenen Farbfiltern angefertigt und anschließend entsprechend eingefärbt wurden. Die Belichtungszeit der einzelnen Aufnahmen betrug zwischen 30 und 40 Minuten.

Die so gewonnenen Einzelaufnahmen wählte der Amateurastronom Joe DePasquale für seine Teilnahme an dem ESO-Bildwettbewerb „ESO’s Hidden Treasures 2010“ aus dem umfangreichen Datenarchiv der ESO aus. Dieser Wettbewerb bot Amateurastronomen die Möglichkeit, die in dem Archiv der ESO enthaltenen und bisher noch nicht kalibrierten und nachbearbeiteten Rohbilder am heimischen Computer aufzubereiten. Mit seiner Version der Galaxie NGC 3621 belegte Joe DePasquale bei dem Wettbewerb den fünften Platz.

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