Welchen Alterungsprozessen unterliegen Kugelsternhaufen? Dieser Frage ging kürzlich ein Astronomenteam nach.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.
Während sich einige Menschen auch im Alter von 90 Jahren noch in einer vergleichsweise guten Verfassung präsentieren, zeigen andere bereits die ersten Symptome eine Altersschwäche, bevor sie die 50 überschritten haben. Die Geschwindigkeit, mit welcher der Alterungsprozess eines Menschen voranschreitet, dürfte damit nur wenig von seinem tatsächlichen biologischen Alter abhängig sein, sondern vielmehr von anderen Umständen wie zum Beispiel seinem Lebensstil beeinflusst werden.
Eine neue Studie, welche ein internationales Astronomenteam mit dem MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium der Europäischen Südsternwarte (kurz „ESO“) und dem von den Weltraumagenturen NASA und ESA betriebenen Weltraumteleskop Hubble (kurz „HST“) durchführte, hat nun ergeben, dass dies anscheinend auch für Sternhaufen zutrifft.
Bei einem Kugelsternhaufen handelt es sich um eine Ansammlung von Sternen, welche durch Gravitationskräfte auf engstem Raum aneinander gebunden sind. Diese kugelförmigen Sternansammlungen verfügen typischerweise über Durchmesser von mehreren Dutzend Lichtjahren und beherbergen teilweise deutlich mehr als 100.000 Sterne. Diese Sternhaufen sind dabei wiederum gravitativ an Galaxien gebunden, in deren Halo sie sich bewegen.
Bisher konnten Astronomen in der Umgebung unserer Heimatgalaxie mehr als 150 solcher Kugelsternhaufen entdecken, welche viele der ältesten bekannten Sterne unserer Heimatgalaxie beherbergen. Die meisten dieser die Milchstraße umkreisenden Kugelsternhaufen befinden sich von unserem Sonnensystem aus gesehen in Richtung der zentralen Verdickung der Milchstraßenscheibe.
Größere und entsprechend massereichere Galaxien können allerdings von noch deutlich mehr Kugelsternhaufen umkreist werden. Aus der Umgebung der Andromedagalaxie – auch bekannt unter der Bezeichnung Messier 31 – sind so zum Beispiel mehr als 500 dieser Sternhaufen bekannt. Die im Sternbild Jungfrau (lateinischer Name „Virgo“) gelegenen Galaxie Messier 87 wird anscheinend sogar von bis zu 12.000 solcher Kugelsternhaufen umkreist.
Die Beobachtungen der Astronomen zeigen, dass sich die in einem Kugelsternhaufen konzentrierten Sterne alle zur gleichen Zeit und aus der gleichen Ansammlung von interstellaren Gaswolken gebildet haben. Allgemein geschah dies bereits vor üblicherweise etwa 12 bis 13 Milliarden Jahren. Dies datiert die Entstehungsphase dieser Sternhaufen in ein kosmisches Zeitalter, in dem seit dem Urknall, welcher vor etwa 13,7 Milliarden Jahren erfolgte, erst wenige hundert Millionen Jahre vergangen waren.
Obwohl sich die Kugelsternhaufen somit bereits in längst vergangenen Zeiten gebildet haben und ihre Sterne dementsprechend alt sind, haben Astronomen im Rahmen einer Studie jetzt festgestellt, dass einige dieser Sternhaufen „in ihrem Herzen“ trotzdem „jung“ geblieben sind.
„Obwohl diese Sternhaufen schon vor Milliarden von Jahren entstanden sind, haben wir uns doch gefragt, ob einige von ihnen vielleicht schneller oder langsamer altern als andere“, so Francesco Ferraro von der Università di Bologna in Italien, der Leiter des Astronomenteams. „Durch die Untersuchung der Verteilung einer bestimmten Sorte blauer Sterne, die es in Kugelsternhaufen gibt, haben wir herausfinden können, dass einige Sternhaufen sich tatsächlich viel schneller entwickelt haben. Daraus haben wir eine Methode entwickelt, um die Alterungsrate zu bestimmen.“
Kugelsternhaufen entstehen innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne, so dass alle in einem bestimmten Sternhaufen enthaltenen Sterne in etwa über das gleiche Alter verfügen. Da die in Kugelsternhaufen beheimateten hellen, massereichen Sterne ihren Brennstoff sehr schnell verbrauchen und Kugelsternhaufen sehr alt sind, sollten diese Sternhaufen eigentlich nur noch relativ massearme Sterne enthalten.
Dies ist aber nicht immer der Fall, denn unter ganz bestimmten Bedingungen können Sterne zusätzliches „Lebenselixier“ – also zusätzlichen Brennstoff für die im Inneren eines Stern erfolgende Kernfusion – aus ihrer Umgebung erhalten, welcher sie dann noch weiter wachsen und heller werden lässt.
Dieser Fall kann zum Beispiel dann eintreten, wenn ein massereicher Stern von einem masseärmeren Begleitstern Materie abzieht, wenn die beiden Komponenten eines Doppelsternsystems miteinander verschmelzen oder wenn zwei gravitativ nicht aneinander gebundene Sterne miteinander kollidieren. Die auf diese Weise neu erstarkten Sterne werden als sogenannte Blaue Nachzügler bezeichnet. Blaue Nachzügler sind, verglichen mit den typischen Sternen innerhalb eines Kugelsternhaufens, sowohl heller als auch massereicher.
Schwerere Sterne driften im Laufe der Zeit durch einen gravitativen Prozess, der dem Sedimentationsprozess von Schwebeteilchen in Wasser ähnelt, in das Zentrum eines Kugelsternhaufens ab. Aufgrund ihrer relativ hohen Massen werden die Blauen Nachzügler dabei besonders stark beeinflusst. Sie sind aber bei weitem nicht die einzigen massereichen oder leuchtkräftigen Sterne innerhalb eines Kugelsternhaufens.
Ein Beispiel hierfür sind die Roten Riesen. Rote Riesensterne sind noch einmal deutlich heller als die Blauen Nachzügler, verfügen jedoch über eine viel geringere Masse und werden daher von dem Sedimentationsprozess nicht so stark beeinflusst. Aufgrund ihrer roten Farbe sind sie leicht von Blauen Nachzüglern zu unterscheiden.
Die extrem dichten Zentralbereiche von Sternen, die deutlich massereicher waren als zum Beispiel unsrere Sonne und die bereits vor Milliarden von Jahren explodiert sind, sogenannte Neutronensterne, verfügen über eine ähnliche Masse wie die Blauen Nachzügler und sind ebenfalls von dem Sedimentationsprozess betroffen. Sie sind allerdings nur sehr schwer zu beobachten und geben daher für die Astronomen keine guten Studienobjekte ab. Blaue Nachzügler sind somit die einzigen Sterne im Inneren von Kugelsternhaufen, welche sowohl eine große Masse als auch eine große Helligkeiten miteinander kombinieren.
Um den erfolgenden Alterungsprozess von Kugelsternhaufen besser verstehen zu können, studierten die an der Untersuchung beteiligten Astronomen die Positionen von Blauen Nachzüglern in 21 Kugelsternhaufen mit vier verschiedenen Teleskopen. Von den 21 im Rahmen dieser Forschungsarbeit untersuchten Sternhaufen wurden 20 mit dem Hubble Space Telescope, 12 mit dem MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop der ESO, acht mit dem Canada-France-Hawaii-Teleskop und einer mit dem Subaru-Teleskop beobachtet. Das HST stellte dabei hochaufgelöste Aufnahmen der dicht bevölkerten Zentren von 20 der Kugelsternhaufen zur Verfügung, während die bodengebundenen Observatorien Bilder mit einem größeren Gesichtsfeld lieferten, welche auch die dünner besiedelten Außenbereiche der Sternhaufen darstellten.
Im Vorfeld der Studie gingen die Astronomen davon aus, dass das Alter eines Kugelsternhaufens durch die Verteilung der massereichen Sterne bestimmt werden kann. Die Erwartung war, dass solche Sterne in einem noch relativ jungen Haufen willkürlich verstreut sind, sich in einem alten Haufen jedoch infolge des erfolgenden Sedimentationsprozesses in dessen Zentrum konzentrieren sollten.
Bei einer systematisch erfolgten Auswertung der Aufnahmen stellten die Astronomen jedoch fest, dass einige der Kugelsternhaufen im Gegensatz zu dieser Annahme vergleichsweise jung erscheinen, da sich die Blauen Nachzügler über den gesamten Haufen verteilen. Der Großteil der untersuchten Sternhaufen erscheint dagegen deutlich älter, da die dortigen Blauen Nachzügler sich in der Mitte der Haufen konzentrieren. Eine dritte Gruppe von Kugelsternhaufen befindet sich dagegen offenbar mitten in einem gegenwärtig ablaufenden Alterungsprozess. Hier befinden sich die Blauen Nachzügler gegenwärtig noch außerhalb des Zentrums, wandern aber in Richtung der Mitte der Sternhaufen.
„Da all diese Kugelsternhaufen etwa gleich alt sind, zeigen uns die Untersuchungen, wie sehr sich die Entwicklungsgeschwindigkeit von Haufen zu Haufen unterscheidet“, so Barbara Lanzoni von der Università di Bologna, eine der an der Studie beteiligten Astronomen. „Wir gehen davon aus, dass der Sedimentationsprozess bei den schnell alternden Haufen nach wenigen hundert Millionen Jahren abgeschlossen sein kann, während er bei den langsamsten Vertretern ein Vielfaches des gegenwärtigen Alters des Universums andauern wird.“
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse von F. R. Ferraro et al. wurden am 20. Dezember 2012 unter dem Titel „Dynamical age differences amongst coeval star clusters as revealed by blue stragglers“ in der Fachzeitschrift Nature publiziert.
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Fachartikel von F. R. Ferraro et al.: