Im Rahmen der Auswertung von Datensätzen des Weltraumteleskops WISE zeigte sich, dass Asteroiden mit einem hohen Metallgehalt weniger Wärmestrahlung in ihre Umgebung abgeben als hauptsächlich aus Gestein bestehende Asteroiden. Zukünftige Analysen der Infrarot-Strahlung sollen jetzt bei der Identifikation dieser seltenen Asteroiden, von denen bei einer Kollision mit der Erde eine besonders hohe Gefahr ausgehen würde, helfen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR.
Es ist unklar, wann genau der letzte wirklich große Einschlag eines Asteroiden oder Kometen auf der Erde erfolgte. Die Zeugnisse solcher Einschläge existieren jedoch überall auf der Welt. Prominente Beispiele hierfür sind das Nördlinger Ries in Bayern oder der Barringer-Krater im US-Bundesstaat Arizona.
Das Risiko von Asteroideneinschlägen auf der Erde
Ein weiteres Beispiel, diesmal aus der jüngeren Geschichte, findet sich in der Tunguska-Region in Sibirien, wo am 30. Juni 1908 durch die Explosion eines Asteroiden in der Erdatmosphäre Millionen von Bäumen entwurzelt wurden. Und erst am 15. Februar 2013 ging über der russischen Stadt Tscheljabinsk ein lediglich etwa 17 bis 20 Meter durchmessender Asteroid nieder (Raumfahrer.net berichtete), der nicht nur enorme finanzielle Schäden verursachte. Durch die Auswirkungen der bei diesem Ereignis erzeugten Druckwelle wurden laut russischen Medienberichten weit über 1.000 Menschen verletzt.
Die in Arizona, Sibirien und dem Ural verursachten Schäden wurden durch relativ kleine Objekte mit lediglich wenigen Dutzend Metern Durchmesser hervorgerufen. Allerdings existieren in unserem Sonnensystem eine Vielzahl solcher der Erde potentiell gefährlich nahe kommende Objekte, welche teilweise über Durchmesser von mehreren hundert Metern, in einigen Fällen sogar von mehreren Kilometern verfügen. Sie werden als „Near Earth Objects“ (kurz „NEO“) bezeichnet. Bisher wurden von Amateur- und Berufsastronomen mehr als 10.700 solcher NEOs entdeckt und jeden Monat kommen mehrere Dutzend weitere Objekte hinzu.
Die Gefahr durch metallreiche Asteroiden
Eine besondere Gefahr für die Erde stellen dabei Asteroiden dar, welche hauptsächlich aus Metallen zusammengesetzt sind, da diese über eine höhere Dichte und Masse verfügen als vergleichbar große, hauptsächlich aus Gesteinen bestehende Asteroiden. Der Asteroid, der im Februar 2013 in 20 bis 30 Kilometern Höhe nahe der Stadt Tscheljabinsk mit der Wucht von 500 Kilotonnen TNT zerbarst, war zum Beispiel ein steinartiges Objekt. Ein metallischer Asteroid derselben Größenklasse wäre bei seinem Flug durch die Erdatmosphäre deutlich widerstandsfähiger gewesen und hätte tiefer in die Atmosphäre eindringen oder gar die Erdoberfläche erreichen können. Die Schäden wären dadurch noch erheblich größer ausgefallen.
„Es ist wichtig, die Zusammensetzung potenziell gefährlicher Asteroiden möglichst früh festzustellen“, so Prof. Dr. Alan W. Harris, Asteroidenforscher am Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof, der das internationale Asteroiden-Suchprojekt NEOShield, in dem unter anderem die Eigenschaften von Asteroiden, aber auch die Verhinderung von Asteroideneinschlägen auf der Erde untersucht werden, leitet (Raumfahrer.net berichtete). Nur wenn der Aufbau und die Zusammensetzung eines auf Kollisionskurs mit der Erde befindlichen Asteroiden bekannt ist kann dieser effektiv von seiner Flugbahn in Richtung Erde abgelenkt werden, so Prof. Alan Harris weiter.
Das Weltraumteleskop WISE
Jetzt haben die Planetologen des DLR Tausende von Datensätzen des NASA-Weltraumteleskops WISE (kurz für Wide-field Infrared Survey Explorer) ausgewertet – und kamen dabei auch den metallischen Asteroiden auf die Spur. Für ihre Analysen machten sich die beteiligten Wissenschaftler das Prinzip der unterschiedlichen thermischen Leitfähigkeit der Asteroiden – Metall leitet Wärme besser als Gestein – zunutze. Die Sonnenenergie dringt somit tiefer in die Oberfläche eines metallreichen Asteroiden ein und wird dort absorbiert. Im Rahmen von Infrarotbeobachtungen erscheinen die Oberflächen dieser Asteroiden deshalb „kühler“ als die Oberflächen von Gesteinsasteroiden.
Belegt werden konnte dies durch den Vergleich von Reflexionsmessungen bei Radarabtastungen und Messungen der infraroten Wärmestrahlung von bekannten metallischen Asteroiden. Bisher sind den Wissenschaftlern lediglich etwa 40 Asteroiden bekannt, welche als metallreich identifiziert werden konnten. Mit der neuen Infrarot-Methode der DLR-Wissenschaftler wird diese Zahl jetzt allerdings wohl um einiges steigen.
„Im Katalog der WISE-Beobachtungen weisen noch viele Asteroiden Anzeichen für einen hohen Metallgehalt auf“, betont Prof. Alan Harris.
Potentielle Rohstoffquellen für die Hi-Tech-Industrie
Neben einer rechtzeitigen Gefahrenerkennung und der Einschätzung des Impaktrisikos könnte eine möglichst umfassende Katalogisierung von metallreichen Asteroiden in Zukunft noch einen weiteren Nutzen mit sich bringen. Metallische Asteroiden könnten nämlich einmal eine wichtige Quelle für den Abbau von wertvollen Rohstoffen wie Osmium, Iridium, Platin oder Palladium werden. Das ist derzeit allerdings noch Zukunftsmusik, welche laut der Einschätzung von Prof. Alan Harris frühestens die nächste oder übernächste Generation betreffen wird. Allerdings, so Alan Harris weiter, ist dieses Szenario mittlerweile nicht mehr komplett unrealistisch.
Derzeit untersuchen bereits mehrere US-amerikanische Privatfirmen die Möglichkeiten, Asteroiden zukünftig als Rohstoffquellen zu erschließen. Und auch die NASA plant, einen etwa sechs Meter durchmessenden Asteroiden einzufangen, diesen in eine Umlaufbahn um den Mond zu befördern und dort zu erforschen. Eines der vielen Probleme, welche derzeit noch bei diesen hochambitionierten Projekten auftreten, besteht in der Auswahl von dafür geeigneten Asteroiden. Die Infrarot-Beobachtung bietet eine neue Möglichkeit, metallreiche Kandidaten unter den erdnahen Objekten herauszufiltern.
Zusätzlich erlaubt die Untersuchung von Asteroiden jedoch auch einen Blick in die Vergangenheit. Die meisten Asteroiden des heutigen Sonnensystems sind die Überbleibsel von gewaltigen Kollisionen, welche sich seit der Entstehungsphase unseres Sonnensystems ereignet haben. Über die detaillierten Eigenschaften dieser Körper ist im Allgemeinen bisher allerdings nur sehr wenig bekannt.
„Deshalb forschen wir im NEOShield-Projekt zurzeit gemeinsam mit zwölf Partnern aus Forschung und Industrie und bündeln unser Wissen“, so Prof. Alan Harris. Neben der nun entdeckten Methode, mit der metallreiche Asteroiden identifiziert werden können, liegen NEOShield auch bereits erste Messdaten und Ergebnisse für Computer-Modellierungen von Einschlagsszenarien vor.
Die Infrarot-Methode zur Identifizierung von metallreichen Asteroiden wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „Astrophysical Journal Letters“ unter dem Titel „How to find metal-rich asteroids“ publiziert.
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Fachartikel von Alan W. Harris und Line Drube:
- How to find metal-rich asteroids (engl.)