Dnepr

Unter dem Namen Dnepr wird die R-36M, die stärkste Interkontinentalrakete der Welt, als Satellitenträger vermarktet.

Autor: Stefan Heykes.

Dnepr mit CryoSat-2
(Bild: ESA / S. Corvaja)

Nach dem Ende des kalten Krieges und durch geschlossene Abrüstungsverträge wurde eine Vielzahl an stationierten Interkontinentalraketen überflüssig. Statt sie zu verschrotten, versucht Russland genau wie die USA diese als kommerzielle Trägerraketen zu verwenden. Die stärkste dieser sogenannten Konversionsraketen ist die Dnepr, eine nahezu unveränderte R-36MUTTCh. Während die Basisversion R-36M bereits 1974 flog, wurde diese Modifikation erst fünf Jahre später in Dienst gestellt. Für diese Rakete gab es eine ganze Reihe von Bezeichnungen. R-36M war der Name, den der Hersteller KB Jushnoje aus Dnepropetrovsk/Ukraine dieser Rakete gab. Die sowjetischen bzw. heute russischen Streitkräfte führen die Waffe unter dem Systemindex RS-20, während der NATO-Codename SS-18 Satan lautete.

Entwicklung der R-36M
Das Vorgängermodell R-36 wurde ab 1962 entwickelt. Es entstanden vier Varianten mit unterschiedlicher Bewaffnung, die 1967 und 1968 in Dienst gestellt wurden. Es handelte sich bei der R-36 um die erste sowjetische Interkontinentalrakete der dritten Generation. Diese verwendeten lagerfähige Treibstoffe (Unsymmetrisches Dimethylhydrazin und Distickstofftetroxid) und konnten aus verbunkerten Silos heraus gestartet werden.

Bereits 1968 begann die Arbeit an der Weiterentwicklung R-36M. Man erhöhte die Leistung und modernisierte vor allem die Steuerung des Post-Burn-Vehicle (PBV), dass die Sprengköpfe aussetzt. Dadurch war es erstmals möglich, multiple Sprengköpfe mitzuführen und zu unterschiedlichen Zielen zu bringen. Durch diese Modernisierungen stieg die Startmasse von 183 auf 211 t an, auch die Länge der Rakete wuchs von 34,5 auf 37,25 m.

Technik
Grundsätzlich ist die R-36M eine zweistufige Rakete. Beide Stufen verwenden die Treibstoffmischung UDMH/NTO. Eine wirkliche dritte Stufe gibt es nicht, das PBV dient vor allem zur Einstellung der genauen Flugbahn der Sprengköpfe. Auch dieses PBV verwendet die gleichen Treibstoffe. Die gesamte Rakete hat einen Durchmesser von 3 m, die Länge schwankt je nach Bewaffnung zwischen 32,5 und 37,25 m

Die erste Stufe verwendet vier Triebwerke vom Typ RD-263. Dieser Aufbau ist etwas ungewöhnlich, da in Russland zu jener Zeit oft mehrere Brennkammern und Düsen von einer einzigen Treibstoffpumpe beliefert wurden, hier aber vier komplett unabhängige Triebwerke verwendet werden. Außerdem sind diese Triebwerke schwenkbar, während zur Steuerung bis dahin oft zusätzliche kleine Verniertriebwerke verwendet wurden. Die Schubkraft dieser Triebwerke ist sehr hoch, so dass die R-36M dank einem Gesamtschub von 4166 kN mit einer Beschleunigung von 2g abheben kann. Damit ist sie unter den Flüssigraketen wohl der absolute Rekordhalter. Der Block von vier RD-263 wird auch als RD-264 bezeichnet. Diese Stufe wiegt betankt 161,5 t, leer kommt sie auf 13,6 t.

Die zweite Stufe verwendet einen Triebwerksblock RD-0228. Dieser setzt sich aus dem Haupttriebwerk RD-0229 und vier Verniertriebwerken RD-0230 zusammen. Der Schub dieses Triebwerksblocks beträgt 760kN. Die Vollmasse dieser Stufe beträgt 41,1 t, die Leermasse 4,4 t. Alle Triebwerke der Dnepr haben relativ hohe Brennkammerdrücke (das RD-264 mit 200 bar den höchsten Brennkammerdruck aller eingesetzten Triebwerke mit dieser Treibstoffkombination) und sind dadurch relativ effizient. Dies ist auch nötig, um die grundsätzlich geringe Leistung dieser Treibstoffe voll auszunutzen. Speziell entwickelte Raumfahrtträger verwenden andere Treibstoffe und können dadurch oft bei gleicher Größe mehr Leistung bringen

Das PBV enthält mit 1890kg bei 2356kg Leermasse sehr wenig Treibstoff und ist daher kaum als echte Raketenstufe anzusehen. Auch das Triebwerk RD-869, von dem vier Stück zusammen lediglich 8 kN Schub liefern ist zu schwach, um als wirkliche Raketenstufe zu arbeiten. Allerdings wurde dieses PBV ursprünglich entworfen, um bis zu 28 Sprengköpfe auf unterschiedliche Bahnen zu bringen. Daher ist es nicht möglich gewesen, das PBV auf hohe Leistung zu trimmen. Dies schränkt die Fähigkeiten der Dnepr relativ stark ein.

Für den Start aus dem Silo heraus wird ein kleiner Feststoffantrieb genutzt. Er katapultiert die R-36M aus dem Silo heraus und wird anschließend von einem eigenen Antrieb zur Seite hin entfernt. Die R-36M zündet ihre Triebwerke dann in etwa 20m Höhe über dem Silo, um so Beschädigungen zu vermeiden.

Die Konversion zur Dnepr
Für die Verwendung als Trägerrakete werden derzeit ausgemusterte Exemplare der R-36MUTTCh verwendet, in Zukunft ist auch eine Verwendung der R-36M2 denkbar. Von diesen Modellen sind insgesamt etwa 150 Exemplare vorhanden, die das ukrainische Unternehmen ISC Kosmotras umrüsten kann. Bei der Umrüstung wird lediglich die Steuerung leicht verändert, da keine ballistische, suborbitale Bahn angeflogen werden soll, sondern für Satelliten immer ein stabiler Orbit geplant ist. Die Nutzlast in eine niedrige Umlaufbahn (200km) liegt bei 3700kg. Allerdings nimmt diese sehr stark ab, je höher die geplante Umlaufbahn ist. Raketen mit echten Oberstufen haben einen viel geringeren Leistungsabfall als die Dnepr. Daher gab es auch Pläne, eine solche Oberstufe für die Dnepr zu entwickeln, allerdings wurden diese bislang nicht realisiert

Die Verwendung für multiple Sprengköpfe macht es aber auch möglich, mehrere Satelliten in unterschiedlich Umlaufbahnen zu bringen. Daher ist die Dnepr prädestiniert für Missionen mit mehreren Kleinsatelliten und hat bereits mehrfach solche Flüge ausgeführt. Bis auf einen Fehlstart mit 18 Satelliten an Bord waren alle kommerziellen Flüge der Dnepr erfolgreich.

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