Sowohl die Welt der Astrophysik als auch der Kosmologie stecken voller Rätsel. So kann zum Beispiel niemand genau erklären, wie Galaxien, Galaxienhaufen und sogar Superhaufen entstanden sind.
Ein Beitrag von Sven Flock.
Denn die klassische Theorie beschreibt ein Universum, das zu Beginn eine homogene und isotrope Massenverteilung aufweist. Somit hätten sich nie Massenansammlungen bilden können, die sich zu größeren Strukturen herauskristallisieren, welche letzten Endes die Keime unserer Galaxie und unserer Existenz sind. Ein weiteres Rätsel aus dem Bereich der Kosmologie: die kritische Massendichte. Dieser Parameter ist eine unverzichtbare Größe im klassischen Standardmodell des Urknalls, wenn es um die Zukunft der Entwicklung unseres Universums geht.
Nur leider kommt der experimentell beobachtbare und daraus geschätzte Wert nur auf gerade mal 10% des theoretischen Wertes. Seit der Inflationären Theorie des Universums (diese Theorie ist eine Ergänzung bzw. Modifikation der klassischen Urknalltheorie, welche eine Phase extrem schneller Expansion des globalen Universums beschreibt) ist man sich sehr sicher, dass der Wert des Parameters stimmen muss. Wo ist also die ganze fehlende Materie, damit man Theorie und Experiment wieder in Einklang bringen kann? Aus diesen Gründen machten sich die Wissenschaftler Gedanken, wie sie das Defizit an Materie eliminieren könnten, ohne die bereits vorhandenen Tatsachen und Theorien in Widerspruch zu führen. Deshalb kam man zu folgenden Schluss: es gibt Materie – man kann diese nicht visuell oder durch Emission von elektromagnetischer Strahlung beobachten, aber, und das ist das Ausschlaggebende, sie macht sich durch Ihre Gravitation bemerkbar – Die Geburtsstunde der dunklen Materie. Jetzt wird auch klar, wie der Begriff “Dunkle” Materie entstanden ist – sie ist nicht sichtbar, aber dennoch vorhanden.
Dieser Artikel erörtert nun im Einzelnen die physikalischen Hintergründe für die Einführung der dunklen Materie, in der Astrophysik, sowie in der Kosmologie, die in der Einleitung nur angeschnitten wurden. Des Weiteren werden Kandidaten vorgestellt, die für diese Rolle in Frage kommen, um nun letztlich den angestrebten theoretischen Wert des Parameters zu erreichen.
Noch eine Bemerkung zur der Objektivität dieses Artikels: Nicht alle führenden Wissenschaftler akzeptieren die Vorstellung von dunkler Materie, die Lager sind vielmehr gespalten. Die Einführung ist zwar eine Möglichkeit, um die Widersprüche aus den bereits existenten Theorien und Modellen zu beseitigen, soll aber noch lange nicht bedeuten, dass diese richtig ist. Am Ende wird daher noch ein kleiner Überblick über Alternativen gegeben.
1.) Der Grund für die Einführung der dunklen Materie
1.1.) Ohne dunkle Materie wäre das Universum anders, als wir es bebachten
Die Widersprüche treten im klassischen kosmologischen Standardmodell auf. Um zu verstehen, was es damit auf sich hat, muss ich auf Aspekte der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART – 1916) sowie auf die Friedmannschen Expansionsmodelle zu sprechen kommen.
Ausgangspunkt ist die Weiterentwicklung der Speziellen Relativitätstheorie aus dem Jahre 1905. Einsteins Ziel bestand darin, die Relativitätsprinzipen sowie invariante Größen, in Einklang mit der Gravitation zu bekommen. Dabei musste man sich aber von der damals gegenwärtigen Vorstellung von Raum und Zeit distanzieren. Einstein stellte sich die Raumzeit wie eine Art Gummituch vor, welche ohne Anwesenheit von Masse eine euklidische Geometrie aufweist. Laut Einstein besitzt Masse die Eigenschaft, die lokale Geometrie der Raumzeit zu verändern, sie zu krümmen. Gravitation ist somit äquivalent zur Raumzeit.
Sowohl Materie als auch Licht sind gezwungen, der Krümmung in der Raumzeit zu folgen, genau wie sie die Raumzeit verformt, was wiederum Materie dazu zwingt, sich entlang einer Geodäte durch die Raumzeit zu bewegen. Eine Geodäte ist die kürzest mögliche Verbindung zwischen zwei Punkten. Es wird dabei der Weg des geringsten Widerstandes gegangen.
“Einstein hat Newtons kalte, mechanistische Auffassung vom Raum, Zeit und Gravitation durch eine dynamische und geometrische Beschreibung ersetzt, die eine Krümmung der Raumzeit berücksichtigt. Auf diese Weise hat er die Gravitation mit der Grundstruktur der Raumzeit verwoben. Statt dem Universum als zusätzliche Struktur übergestülpt zu werden, wird die Gravitation auf fundamentalster Ebene zu einem integralen Bestandteil des Kosmos”
Bereits ein Jahr nach Veröffentlichung der ART verfasste Einstein einen weiteren Artikel mit dem Namen “Kosmologische Betrachtungen zur Allgemeinen Relativitätstheorie”. Darin erarbeite er die Konsequenzen seiner Theorie auf das ganze Universum. In dieser Abhandlung geht er von einem statischen Universum aus. Auch andere Physiker setzten sich mit diesem Thema auseinander. So auch der russische Mathematiker Alexander Friedmann. Im Gegensatz zu Einstein verwarf er die Annahme, dass der Kosmos statisch sei. Friedmann hat festgestellt, dass sich die Lösungen dieser so genannten Feldgleichungen in drei Kategorien einteilen lassen.
Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die 3 Modelle. Ganz deutlich zu erkennen ist, dass das Gesamtalter des Universums je nach Modell stark variiert. Der Parameter tH steht für die Hubblezeit und ist der Kehrwert zur Hubblekonstante. Diese Größe ist ausschlaggebend für die Expansionsgeschwindigkeit.
Das Bemerkenswerte ist, dass alle drei Lösungen von einer Expansion des Raumes ausgehen.
Im ersten Fall ist die Gravitation in der Lage, die Expansion des Universums zum Stillstand zu bringen und wieder umzukehren, die potentielle Energie überwiegt im Gegensatz zur kinetischen. Wie Einstein zeigt, beeinflusst die Masse die lokale Geometrie der Raumzeit. Wendet man die Gleichungen auf das gesamte Universum an, so stellt sich heraus, dass das Universum selbst eine globale Geometrie aufweisen muss. Die Raumzeit besitzt im Fall 1 eine sphärische Krümmung – eine Krümmung vergleichbar mit einer Kugeloberfläche. Man spricht hierbei von einem geschlossenen Universum.
Die zweite Lösung zeigt ein Gleichgewicht zwischen potentieller und kinetischer Energie. Dies führt dazu, dass zwar die Beschleunigung abgebremst wird, jedoch erst nach unendlicher Zeit zum Stillstand kommt.
In der dritten Möglichkeit reicht die Anziehungskraft aller Materie im Raum nicht aus, um die Expansion zu stoppen. Das hyperbolisch gekrümmte Universum dehnt sich unendlich und unendlich lang aus. Als zweidimensionale Analogie ist die Geometrie einer Sattelfläche äquivalent – man bezeichnet dies als ein offenes Universum.
(In der Abbildung sieht man auf der linken Seite den Entwicklungsverlauf des Universums anhand der Entfernung zweier Galaxien in einem Diagramm, in der Mitte die Geometrie aus der Außensicht und auf der rechten Seite befindet man sich innerhalb dieses Raumes. Der mit der Entfernung vom Betrachter zunehmende Braunton soll die Perspektivdarstellung unterstützen.)
Die zweite Lösung zeigt ein Gleichgewicht zwischen potentieller und kinetischer Energie. Dies führt dazu, dass zwar die Beschleunigung abgebremst wird, jedoch erst nach unendlicher Zeit zum Stillstand kommt.
In der dritten Möglichkeit reicht die Anziehungskraft aller Materie im Raum nicht aus, um die Expansion zu stoppen. Das hyperbolisch gekrümmte Universum dehnt sich unendlich und unendlich lang aus. Als zweidimensionale Analogie ist die Geometrie einer Sattelfläche äquivalent – man bezeichnet dies als ein offenes Universum.
Aber was hat das ganze mit der dunklen Materie auf sich? Der Schlüssel zu der Wahl, welches Modell nun letzten Endes zutrifft, hängt von der bereits in der Einleitung erwähnten kritischen Massendichte ab. Ist die im Universum beobachtbare Massendichte geringer als dieser kritische Wert, so trifft Modell 3 zu – ein offenes Universum, liegt der Wert darüber, tritt das Modell 1 in Kraft – das geschlossene Universum.
Bis zu Beginn der 80er des 20. Jahrhunderts war man sich nicht schlüssig, welches Modell nun zutrifft, denn es ist experimentell sehr schwierig abzuschätzen, wieviel Materie im Universum vorhanden ist. Materie kann folglich nur wahrgenommen werden, wenn EM-Stahlung von ihr emittiert wird. In Frage kommen also Galaxien, Sterne (wie unsere Sonne) sowie Radio- und Röntgenquellen (Quasare und schwarze Löcher), obwohl letztere nicht mehr im sichtbaren Bereich des EM-Spektrums liegen. Mit all diesen Objekten war die Wissenschaft vertraut, außerdem konnte man aus der Nukleosynthese (eine Phase im Urknallmodell, welche die Atomkernbildung beschreibt) das Vorkommen von Wasserstoff, Helium und Lithium abschätzen. Die daraus errechnete Massendichte schwankte damals im Bereich von 10-30% der kritischen Dichte. Das bedeutet also, dass wir in einem offenen Universum leben.
1982 stellte Alan Guth eine Modifikation der klassischen Urknalltheorie vor. Er fügte eine Phase, welche eine exponentiell ansteigende Expansionsgeschwindigkeit des Universums mit sich bringt, hinzu. Diese sogenannte Inflation zwingt das Universum, sich nach Modell 2 zu verhalten – also ein Universum mit einer vorherrschenden Massendichte, die exakt der kritischen Dichte entspricht.
Mit anderen Worten. Wo ist die fehlende Materie? Denn es müssen genau 100% erreicht werden – sonst ist ein Widerspruch zu den Friedmannschen Gleichungen vorhanden: Flaches Universum à Massendichte = kritische Dichte à euklidische Geometrie! Der Schlüssel zur Lösung des Problems: Es muss Materie existieren, die nicht mit Licht oder der so genannten elektromagnetischen Wechselwirkung interagiert. Dies hat zur Folge, dass man diese Form von Materie nicht visuell registrieren kann, sie macht sich nur durch ihre Gravitation bemerkbar, denn…
1.2) …ohne Dunkle Materie würden keine Galaxien und somit auch keine Erde existieren