Am 6. Mai 2020 gab die Gruber-Stiftung bekannt, dass Volker Springel, geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik, zusammen mit Lars Hernquist, Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, den Gruber-Kosmologiepreis 2020 für prägende Beiträge zu kosmologischen Simulationen erhält. Diese Methode testet bestehende Theorien über die Entstehung von Strukturen auf Skalen von Sternen über Galaxien bis hin zum Universum selbst und eröffnet neue Forschungsideen. Der Preis würdigt ihre transformativen Arbeiten zur Strukturbildung im Universum sowie die Entwicklung von numerischen Algorithmen und frei verfügbaren Codes, die von vielen anderen Forschern weiter verwendet werden, um das Feld wesentlich voranzubringen. Eine Pressemeldung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik.
Quelle: MPA.
Computersimulationen in der Kosmologie beginnen mit der traditionellen Quelle astronomischer Daten: Beobachtungen des Universums. Dann, durch eine Kombination von Theorie und bekannter Physik, die sich den Anfangsbedingungen annähern könnte, stellen die Simulationen die darauf folgenden Prozesse nach, die zu der gegenwärtigen Struktur geführt hätten. Durch einen Vergleich der Eigenschaften des simulierten Universums und der Galaxien mit Beobachtungen kann die Gültigkeit des zugrunde liegenden kosmologischen Modells getestet werden.
Mit diesem Werkzeug zeigten Hernquist und Springel, einzeln oder zusammen, dass Informationen aus dem kosmischen Mikrowellenhintergrund (die Reliktstrahlung des Urknalls) und Lichtspektren von Quasaren zuverlässige Prädiktoren für heutige galaktische Strukturen sind. Mit Hilfe von Computersimulationen haben sie auch Theorien über die kalte dunkle Materie (die unsichtbare Materie, die etwa vier Fünftel der Materie des Universums ausmacht) und die dunkle Energie (eine geheimnisvolle Kraft, die eine beschleunigte späte Expansion des Universums verursacht) getestet, sowie darüber hinaus untersucht, wie sie im Zusammenspiel mit gewöhnlichen Baryonen die heutigen sichtbaren Strukturen entstehen lassen.
Zusätzlich zu ihren eigenen Entdeckungen haben Hernquist und Springel anderen Forschern die Mittel zur Verfügung gestellt, um die Kosmologie zu transformieren. So betonten sie zum Beispiel die Notwendigkeit von Simulationen, die Rückkopplungen einbeziehen – den Teil von ausströmender Materie (z.B. Gas) und Energie, der in evolutionäre Prozesse zurückfließt. Im Jahr 2005 zeigten sie in Zusammenarbeit mit ihrer Mitarbeiterin Tiziana Di Matteo, dass die Rückkopplung von Schwarzen Löchern die Wachstumsbeziehung zwischen supermassiven Schwarzen Löchern und ihren Wirtsgalaxien bestimmt.
Dank ihres Beispiels ist die Rückkopplung heute ein Standardbestandteil kosmologischer Simulationen auf praktisch jeder Skala, von der Sternentwicklung, protoplanetaren Scheiben, supermassereichen Schwarzen Löchern, der Gasphysik in Galaxien und Galaxienverschmelzungen bis hin zur Physik der dunklen Materie, die die Verteilung von Superhaufen von Galaxien in netzartigen Strukturen bestimmt.
Hernquist und Springel haben auch mehrere Codes geschrieben, die für Kosmologen heute unverzichtbar geworden sind. Hernquist (zusammen mit Neal Katz) schuf TreeSPH, mit dessen Hilfe Hernquist und später auch andere Forscher großräumige Strukturen untersuchen konnten. Springel schrieb zwei Codes, die heute die kosmologische Forschung dominieren. Im Jahr 2001 stellte er (zusammen mit Naoki Yoshida und Simon White) GADGET vor, das er bei der Erstellung der Millennium-Simulation verwendete, der ersten reinen Simulation mit dunkler Materie, die ein repräsentatives Volumen des Universums umfasste. Die daraus resultierende Bilderserie lieferte eine aufschlussreiche und überzeugende Darstellung der Strukturen, die dazu beitrug, die Idee eines “kosmischen Netzes” zu popularisieren. Springel leitete auch die Entwicklung von AREPO, einem Simulationsprogramm für bewegliche Gitter, das er und Hernquist (und ein Team von Mitarbeitern) anschließend bei der Erstellung von Illustris verwendeten, einer Simulation der Entstehung der Galaxienverteilung in einem weiten Bereich des Universums im Jahr 2014.
Die Probleme der kosmischen Strukturbildung und der Entstehung und Entwicklung von Galaxien sind äußerst komplex, so dass numerische Simulationen derzeit die einzige praktische Möglichkeit sind, ein vollständiges theoretisches Modell zu erstellen. Der bemerkenswerte Erfolg zeitgenössischer Modelle wie Illustris, die die Eigenschaften des Universums von seinen größten Strukturen bis hin zu einzelnen Galaxien über nahezu die gesamte Geschichte der kosmischen Zeit hinweg reproduzieren können, ist das Ergebnis einer triumphalen Verbindung zwischen modernsten Berechnungen und tiefen astrophysikalischen Erkenntnissen. Der diesjährige Gruber-Kosmologiepreis würdigt die führende Rolle, die Lars Hernquist und Volker Springel bei diesem Durchbruch gespielt haben. Die beiden Preisträger teilen sich die mit 500.000 Dollar dotierte Auszeichnung und erhalten bei einer Zeremonie, die noch in diesem Jahr stattfinden wird, jeweils eine goldene Anstecknadel.
Hernquist war ein Pionier auf dem Gebiet der kosmologischen Simulationen, als er Ende der 1980er Jahre in das noch junge Feld eintrat, und ist seither zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten auf diesem Gebiet geworden. Springel, der 1998 in das Feld eintrat und Anfang der 2000er Jahre erstmals eine Zusammenarbeit mit Hernquist einging, hat mehrere der in der kosmologischen Forschung am weitesten verbreiteten Codes geschrieben und angewendet. Zusammen bilden Hernquist und Springel, in den Worten eines Gruber-Preis-Nominierten, “eine der produktivsten Kooperationen in der Kosmologie überhaupt”.
Zusätzliche Informationen
Der Kosmologiepreis ehrt einen führenden Kosmologen, Astronomen, Astrophysiker oder wissenschaftlichen Philosophen für theoretische, analytische, konzeptuelle oder beobachtende Entdeckungen, die zu grundlegenden Fortschritten in unserem Verständnis des Universums führen. Das internationale Gruber-Preisprogramm ehrt Persönlichkeiten aus den Bereichen Kosmologie, Genetik und Neurowissenschaften, deren bahnbrechende Arbeiten neue Modelle liefern, die grundlegende Veränderungen in Wissen und Kultur inspirieren und ermöglichen. Die Auswahlbeiräte wählen Persönlichkeiten aus, deren Beiträge in ihrem jeweiligen Fachgebiet unser Wissen voranbringen und potenziell einen tiefgreifenden Einfluss auf unser Leben haben. Die Gruber-Stiftung wurde 1993 von dem verstorbenen Peter Gruber und seiner Frau Patricia Gruber gegründet. Die Stiftung begann ihr internationales Preisprogramm im Jahr 2000 mit dem erstmals vergebenen Kosmologiepreis.