Ein Komet – Drei Ansichten

Nach dem erfolgreichen Abschluss ihres sechsten Kurskorrekturmanövers befindet sich die Rausonde Rosetta mittlerweile in einer Entfernung von weniger als 20.000 Kilometern zu dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Fotoaufnahmen vom 4. Juli 2014 zeigen dessen unregelmäßig geformten Kern.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, ESA.

ESA
Eine künstlerische Darstellung der Kometensonde Rosetta. Die Raumsonde führt zur Zeit mehrere kritische Kurskorrekturmanöver durch, mit denen eine weitere Geschwindigkeitsanpassung an das Ziel der Mission, den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, erreicht werden soll. Am 6. August soll Rosetta schließlich in eine Umlaufbahn um den Kometen eintreten.
(Bild: ESA)

Nach einer Flugdauer von mehr als zehn Jahren, in denen eine Entfernung von rund 6,4 Milliarden Kilometern zurückgelegt wurde, nähert sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Rosetta ihrem eigentlichen Ziel, dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, gegenwärtig immer weiter an. Um am 6. August 2014 in eine Umlaufbahn um den Kometen eintreten zu können muss die Raumsonde allerdings zuerst noch mehrere Kurskorrekturmanöver (engl. „Orbit Correction Manoeuvre“, kurz „OCM“) durchführen, mit denen die relative Geschwindigkeit der Raumsonde zu 67P/Tschurjumow-Gerasimenko schrittweise weiter reduziert werden soll. Das bisher letzte OCM wurde am 9. Juli absolviert und hatte eine weitere Geschwindigkeitsreduzierung von rund 26 Metern pro Sekunde zur Folge. Seit dem heutigen Tag befindet sich Rosetta in einer Entfernung von weniger als 20.000 Kilometern zu dem Kern des Kometen.

Neue Aufnahmen lassen die unregelmäßige Gestalt des Kometenkerns erahnen
Ebenfalls am heutigen Tag wurden von der ESA drei weitere Aufnahmen des Kometenkerns für die Öffentlichkeit freigegeben, welche bereits am 4. Juli 2014 von der NAC-Kamera, der Telekamera des OSIRIS-Kameraexperiments, angefertigt wurden. Bei OSIRIS handelt es sich um die vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen entwickelte und betriebene Hauptkamera an Bord von Rosetta. Zum Zeitpunkt der Anfertigung dieser Aufnahmen befand sich die Raumsonde noch in einer Entfernung von etwa 37.000 Kilometern zu dem Kometen.

Die Aufnahmen wurden dabei in Abständen von jeweils vier Stunden angefertigt und decken somit einen vollständigen Rotationszyklus des Kometenkerns ab. Für eine Drehung um seine Rotationsachse, so ein erstes Resultat der bisherigen Untersuchungen des Kometen, benötigt 67P/Tschurjumow-Gerasimenko eine Zeitdauer von 12,4 Stunden. Trotz der immer noch geringen Auflösung von etwa 700 Metern pro Pixel lassen sich durch diese Fotos erste Erkenntnisse gewinnen.

ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA
Drei Aufnahmen des Kometenkerns, welche am 4. Juli 2014 in Abständen von jeweils vier Stunden angefertigt wurden. Durch die zwischenzeitlich fortschreitende Rotation des Kometen wurde mit diesen Aufnahme die gesamte Oberfläche erfasst. Der Komet bedeckt dabei in etwa eine Fläche von 30 Pixeln. Jeder Bildpunkt deckt dabei einen Bereich mit einer Größe von etwa 700 Metern ab. Mit zunehmender Annäherung an den Kometen wird sich die Qualität der Aufnahmen noch deutlich verbessern.
(Bild: ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA)

„In diesen Aufnahmen zeigt sich 67P als unregelmäßig erscheinender Körper“, so Dr. Holger Sierks vom MPS, der wissenschaftliche Leiter des OSIRIS-Teams.

Obwohl der im Mittel rund vier Kilometer durchmessende Kern des Kometen in diesen Fotos lediglich eine Fläche von etwa 30 Pixeln überdeckt, deutet sich bereits jetzt an, dass 67P/Tschurjumow-Gerasimenko über eine ‚kartoffelförmige‘ Gestalt verfügt. Die Oberfläche, so das Ergebnis einer ersten Auswertung der Aufnahmen, scheint drei ausgeprägte Strukturen aufzuweisen. Die Fotos deuten zudem darauf hin, dass sich auf dem Nukleus auch eine größere Vertiefung befindet.

Unregelmäßige Formen sind bei realtiv kleinen kosmischen Objekten wie Asteroiden und Kometen nicht unüblich. Bisher wurden fünf Kometen – 1P/Halley, 19P/Borrelly, 81P/Wild, 9P/Tempel und 103P/Hartley – von Raumsonden besucht und im Rahmen von Vorbeiflügen eingehender untersucht. All diese Kometen verfügen über eine unregelmäßige Form. Zuletzt präsentierte sich der Komet Hartley den Kamerasystemen der NASA-Raumsonde Deep Impact am 4. November 2010 als ein in die Länge gestreckter Körper.

Öffentlichkeitsarbeit und zeitnahe Freigabe der Aufnahmen
„Zu sehen wie 67P seine einzigartiges Aussehen nach und nach enthüllt, ist ein unglaubliches Abenteuer“, so der OSIRIS-Wissenschaftler Jean-Baptiste Vincent vom MPS zu den am heutigen Tag veröffentlichten Aufnahmen.

Mit dieser Aussage liegt der Planetologe absolut richtig. Leider ist es jedoch ebenfalls richtig, dass die interessierte Öffentlichkeit von diesem wirklich großen Abenteuer bisher weitgehendst ausgeschlossen ist. Sowohl die vom MPS betriebene OSIRIS-Kamera als auch die Navigationskamera von Rosetta haben während der letzten Monate immer wieder Aufnahmen von dem Zielkometen angefertigt, welche allerdings – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht im Internet veröffentlicht werden. Selbst diese wenigen Aufnahmen sind dabei in der Regel bereits eine Woche alt. Gerade in der jetzigen Phase der Annäherung an den Kometen wäre es überaus interessant, die von ihrer Auflösung her täglich besser werdenden Aufnahmen ‚in Echtzeit‘ im Internet zu betrachten.

Laut dem aktuellen Stand der Planungen sollen weitere Aufnahmen des Kometen jedoch lediglich in einem wöchentlichen Abstand für die Öffentlichkeit ‚freigegeben‘ werden. Diese – wahrscheinlich eher wenigen – Fotos sollen in der Rosetta-Bildgalerie sowie im Rosetta-Blog der ESA erscheinen.

Es wäre wirklich wünschenswert, wenn die für den Betrieb der Navigationskamera verantwortliche ESA und die Mitarbeiter des OSIRIS-Kameraexperiments diese derzeitig angedachte Politik der Bildfreigabe neu überdenken und die von Rosetta angefertigten Aufnahmen in Zukunft mit einer höheren Frequenz und zudem zeitnah im Internet zur Verfügung stellen. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um die Öffentlichkeit auch in den kommenden Monaten für den weiteren Verlauf der Rosetta-Mission zu begeistern.

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