Größe, Form und Masse von Tschurjumow-Gerasimenko

Die Auswertung der Daten der Raumsonde Rosetta ermöglicht erste Aussagen bezüglich der Größe, des Volumens und der Masse des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Diese Daten sind wichtig für die Planung der weiteren Aktivitäten.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: EPSC 2014.

ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA
Dieses Modell zeigt die Form und Gestalt des Kometen 67P. Deutlich erkennbar ist, dass dieser aus einem größeren ‘Körper’ und einem kleinerem ‘Kopf’besteht, die durch einen ‘Hals’ miteinander verbunden sind.
(Bild: ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA)

Am 2. März 2004 begann für die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Kometensonde Rosetta eine mehr als 10 Jahre dauernde Reise zu dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko (der Einfachheit halber ab hier als “67P” abgekürzt). Während des Fluges zu dem Zielkometen hat Rosetta dreimal die Erde und einmal den Mars passiert und dabei im Rahmen dieser Swing-by-Manöver ‘Schwung’ für die weitere Reise genommen.

Außerdem wurden bei zwei nahen Vorbeiflügen, welche am 5. September 2008 und am 10. Juli 2010 erfolgten, die beiden Asteroiden (2867) Steins und (21) Lutetia mit verschiedenen Instrumenten näher untersucht. Am 8. Juni 2011 wurde die Raumsonde schließlich in einen rund 31 Monate andauernden, energiesparenden Tiefschlafmodus versetzt, welcher bis zum 20. Januar 2014 andauerte (Raumfahrer.net berichtete live). In den folgernden Monaten näherte sich Rosetta dem Ziel der Reise weiter an. Der Komet wurde schließlich am 6. August 2014 erreicht (Raumfahrer.net berichtete).

Aber bereits in den Jahren zuvor war der Komet 67P ein Objekt, welches von diversen Observatorien und Weltraumteleskopen intensiv studiert wurde. Die an diesen Kampagnen beteiligten Astronomen kamen dabei unter anderem zu dem Ergebnis, dass der Kern des Kometen leicht in die Länge gezogen ist und sehr wahrscheinlich einen Durchmesser von etwa 5 x 3 Kilometern aufweist.

Die Prognose erweist sich als nicht zutreffend
Im Juli 2014 musste diese Ansicht jedoch revidiert werden. Aufgrund der immer weiter abnehmenden Distanz zwischen Rosetta und 67P erreichten die Aufnahmen der OSIRIS-Kamera – der vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen entwickelten und betriebenen Hauptkamera an Bord der Raumsonde – eine immer höhere Auflösung. Auf den Aufnahme, welche von der OSIRIS-Kamera am 4. Juli angefertigt wurden, war deutlich zu erkennen, dass der Komet nicht nur über eine leicht unregelmäßige Form verfügt, sondern vielmehr eine ‘kartoffelähnliche’ Gestalt aufweist.

Nochmals deutlich besser aufgelöste Aufnahmen vom 11. Juli erweckten den Eindruck, dass 67P scheinbar sogar aus zwei einzelnen Objekten besteht. Ein ‘Kopfstück’ ist dabei durch einen ‘Hals’ mit einem ‘Hauptkörper’ verbunden. Diese faszinierende Form machte es den beteiligten Wissenschaftlern relativ einfach, die Rotationsachse des Kometen zu bestimmen und so dessen Rotationsperiode zu ermitteln. Für eine vollständige Drehung um seine Rotationsachse benötigt 67P demzufolge ziemlich genau 12,4053 Stunden.

ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA
Diese Sequenz aus neun Einzelbildern zeigt, dass 67P
(Bild: ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA)

Die extrem unregelmäßige Form des Kometenkerns macht es jedoch ungleich schwerer, aus den gewonnenen Daten die exakten Abmessungen des Kometen sowie das daraus resultierende Volumen zu ermitteln. Kompliziert werden diese Bestimmungen durch verschiedene Oberflächenformationen, welche dem Kern von 67P eine sehr unebene Oberfläche verleihen. Ein direkt an der Spitze des ‘Kopfes’ befindliches Bassin verfügt zum Beispiel über eine Tiefe von etwa 250 Metern. Diverse kleinere Bassins erreichen typischerweise Tiefen von etwa 30 Metern. Größere Depressionen sind dagegen sogar bis zu 300 Meter tief.

Zwecks der Ermittlung von Durchmesser, Masse und Volumen von 67P wurde zunächst aus einer Vielzahl von OSIRIS-Aufnahmen ein möglichst naturgetreues 3D-Modell des Kometenkerns erstellt. Anschließend wurden an diesem Modell ‘Körper’ und ‘Kopf’ getrennt untersucht und ‘vermessen’.

Die Abmessungen des Kometen 67P
Der ‘Körper’ von 67P verfügt laut diesen Analysen über die ungefähren Abmessungen von 4,1 x 3,6 x 1,7 Kilometern. Hieraus berechneten die Wissenschaftler ein Volumen von etwa 13 Kubikkilometern. Der deutlich kleinere ‘Kopf’ misst in etwa 2,6 x 2,4 x 1,6 Kilometer, woraus sich ein Volumen von rund 5,7 Kubikkilometern ergibt. Zusätzlich zu diesen beiden Werten muss noch das Volumen des ‘Halses’ berücksichtigt werden, welches mit einem Wert von rund zwei Kubikkilometern veranschlagt wurde. Das Volumen des gesamten Kometenkerns, so das zur Zeit allerdings nur vorläufige Ergebnis dieser Studie, liegt demzufolge bei rund 21 Kubikkilometern mit einem Unsicherheitsfaktor von plus/minus drei Kubikkilometern.

Masse und Dichte…
Außerdem konnten auch erste Aussagen über die Masse des Kometen getätigt werden, welche jedoch ebenfalls noch überprüft und mit aktuelleren Beobachtungen und Messdaten ergänzt werden müssen. Die Gesamtmasse von 67P liegt demzufolge bei einem Wert von 10,2 Milliarden Tonnen, wobei der Unsicherheitsfaktor derzeit noch bei plus/minus 0,7 Milliarden Tonnen liegt.

Anhand der Angaben über Masse und Volumen konnte auch die mittlere Dichte des Kometen auf einen Wert von 0,43 Gramm pro Kubikzentimeter berechnet werden. Dieser Wert deutet darauf hin, dass der Kern des Kometen in seiner Gesamtheit sehr porös sein muss. Derzeit werden dabei verschiedene Modelle bezüglich des inneren Aufbaus des Kometen sowie der Mengenanteile und der Verteilung von Wassereis, Gestein und Staub diskutiert.

Das Gravitationsfeld…
Auch die Vermessung des Gravitationsfeldes des Kometen, welche durch das RSI-Experiment (kurz für “Radio Science Investigation”) erfolgt, befindet sich noch in einem ersten Stadium. Bei dem RSI handelt es sich um ein Radiowellenexperiment, welches für die Bestimmung des kometaren Gravitationsfeldes das Telekommunikationssystem von Rosetta nutzt. Während des Fluges um den Kometen wird die Raumsonde durch die von 67P ausgehenden gravitativen Einflüsse zwar minimal, aber doch nachweisbar von der vorgesehenen Flugbahn abgelenkt. Diese ‘Störung’ liefert den Wissenschaftlern letztendlich Erkenntnisse über das Gravitationsfeld des Kometen.

ESA, Rosetta, NavCam
Diese Mosaikaufnahme besteht aus vier Einzelaufnahmen, welche die Navigationskamera der Raumsonde Rosetta am 7. September 2014 aus einer Entfernung von etwa 51 Kilometern zur Kometenoberfläche aufgenommen hat.
(Bild: ESA, Rosetta, NavCam)

Die Abweichung macht sich durch eine geringfügig veränderte Laufzeit sowie durch minimale Änderungen der Phasenfrequenz, Amplitude und Polarisation eines Radio-Trägersignals bemerkbar, welches Rosetta während einer RSI-Messkampagne konstant zur Erde aussendet, bemerkbar. Hierzu sendet Rosetta im Bereich des S-Bandes und des X-Bandes mit einem Oszillator eine hochstabile Trägerwelle in Richtung Erde aus.

Durch die relative Bewegung zwischen der Raumsonde und den Bodenstationen des ESTRACK der ESA, welche dieses Trägersignal empfangen, entsteht ein Doppler-Effekt. Durch die Auswertung dieser Daten lässt sich nicht nur die Gesamtmasse des Kometen und die sich daraus ergebende mittlere Dichte näher bestimmen. Vielmehr können hierdurch auch Aussagen über den inneren Aufbau von 67P getätigt werden. Speziell erhoffen sich die beteiligten Wissenschaftler durch das RSS-Experiment weitere Erkenntnisse über Heterogenitäten und Massekonzentrationen im Kern des Kometen.

Allerdings hat Rosetta den Kometen 97P während der letzten Wochen auf einer Flugbahn umkreist, welche in Höhen zwischen etwa 100 und 50 Kilometern über der Kometenoberfläche verlief. Diese noch relativ große Entfernung und die ‘geringe’ Masse des Kometen waren dafür verantwortlich, dass die Raumsonde bisher nur minimal von der Gravitation des Kometen beeinflusst wurde. Trotzdem hat das RSI-Team bereits Messungen durchgeführt, welche insgesamt 80 Stunden andauerten.

Diese Daten reichen allerdings noch nicht aus, um das Schwerkraftfeld von 67P exakt zu bestimmen. Je weiter sich Rosetta jedoch in den kommenden Wochen der Oberfläche von 67P nähert, desto deutlicher wird sich die Gravitation des Kometen auf die Flugbahn der Raumsonde bemerkbar machen und desto genauer werden die Modelle des Gravitationsfeldes von 67P ausfallen. Erst vor wenigen Stunden hat Rosetta zum Beispiel ein weiteres Flugmanöver durchgeführt, mit dem ein Orbit erreicht wurde, welcher in einer Entfernung von jetzt nur noch 29 Kilometern zu dem Kometen verläuft.

…und dessen Bedeutung
Eine möglichst genaue Kenntnis des Gravitationsfeldes von 67P ist unter anderem nötig, um die Landung des von Rosetta mitgeführte Kometenlander Philae zu planen. Dieser soll am 11. November 2014 von Rosetta abgetrennt werden und etwa fünf bis sieben Stunden später möglichst punktgenau sein noch festzulegendes Landegebiet auf der Kometenoberfläche erreichen. Zwecks der Festlegung des Zeitpunktes der Abtrennung muss jedoch bekannt sein, wie stark die Gravitation des Kometen die anschließende Flugbahn von Philae beeinflussen wird.

Und auch für den weiteren Verlauf der Rosetta-Mission ist eine möglichst genaue Kenntnis der gravitativen Kräfte notwendig, welche in Zukunft auf die Raumsonde einwirken werden. In Zukunft, so die aktuellen Planungen, soll sich Rosetta der Oberfläche des Kometen bis auf eine Entfernung von nur noch etwa zehn Kilometern nähern. Zu welchen Zeitpunkten wird es dann erforderlich sein, die Flugbahn der Raumsonde durch kurze Aktivierungen der Triebwerke zu korrigieren? Sollten hierbei komplexere Kurskorrekturmanöver nötig sein, so bedarf es einer längeren Vorbereitungszeit, um diese Manöver zu planen.

Aber auch für die wissenschaftliche Untersuchung des Kometen sind exakte Kenntnisse über dessen Gravitationsfeld entscheidend. Nicht nur die Gravitation des Kometen wird in Zukunft die Flugbahn von Rosetta verändern. Ein weiterer Faktor ist hierbei der ‘Gasdruck’, welcher durch die von dem Kometen entweichenden Gase entsteht, und der ebenfalls auf die Raumsonde einwirken wird. Durch eine genaue Kenntnis der Gravitationskräfte kann letztendlich berechnet werden, wie stark dieser auf Rosetta einwirkende Druck ausfällt.

Die hier nur kurz angerissenen Forschungsergebnisse wurden an den letzten beiden Tagen auf dem European Planetary Science Congress, einer gegenwärtig in der Nähe von Lissabon stattfindenden Fachtagung der Planetenforscher, vorgestellt.

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