Mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile haben Astronom*innen 42 der größten Objekte im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter abgelichtet. Nie zuvor war eine so große Gruppe von Asteroiden so scharf abgebildet worden. Eine Pressemitteilung des ESO Science Outreach Network (ESON).
Quelle: ESON.
12. Oktober 2021 – Die Beobachtungen zeigen ein breites Spektrum an eigenartigen Formen, von kugelförmig bis hin zu Hundeknochen, und helfen den Astronom*innen, die Ursprünge der Asteroiden in unserem Sonnensystem zu ergründen.
Die scharfen Bilder dieser 42 Objekte sind ein großer Fortschritt bei der Erforschung von Asteroiden, der dank bodengestützter Teleskope möglich wurde, und tragen zur Beantwortung der ultimativen Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest bei [1].
„Nur drei große Asteroiden des Hauptgürtels, Ceres, Vesta und Lutetia, wurden bisher mit hoher Detailgenauigkeit abgebildet, da sie von den Weltraummissionen Dawn und Rosetta der NASA bzw. der Europäischen Weltraumorganisation besucht wurden“, erklärt Pierre Vernazza vom Laboratoire d’Astrophysique de Marseille in Frankreich, der die heute in Astronomy & Astrophysics veröffentlichte Asteroidenstudie leitete. „Unsere ESO-Beobachtungen haben scharfe Bilder für viele weitere Ziele, insgesamt 42, geliefert.“
Die bisher geringe Zahl detaillierter Beobachtungen von Asteroiden bedeutete, dass wichtige Merkmale wie ihre 3D-Form oder Dichte bisher weitgehend unbekannt blieben. Zwischen 2017 und 2019 machten sich Vernazza und sein Team daran, diese Lücke zu schließen, indem sie eine gründliche Untersuchung der wichtigsten Himmelskörper im Asteroidengürtel durchführten.
Die meisten der 42 Objekte in ihrer Stichprobe sind größer als 100 km; insbesondere hat das Team fast alle Asteroiden des Gürtels abgebildet, die größer als 200 km sind, nämlich 20 von 23. Die beiden größten Objekte, die das Team untersuchte, waren Ceres und Vesta mit einem Durchmesser von 940 und 520 Kilometern, während die beiden kleinsten Asteroiden Urania und Ausonia jeweils nur etwa 90 Kilometer groß sind.
Durch die Rekonstruktion der Formen der Objekte stellte das Team fest, dass die beobachteten Asteroiden hauptsächlich in zwei Familien unterteilt sind. Einige sind nahezu perfekt kugelförmig, wie z. B. Hygiea und Ceres, während andere eine eigentümlichere, „längliche“ Form haben, deren unbestrittene Königin der „Hundeknochen“-Asteroid Kleopatra ist.
Durch die Kombination der Formen der Asteroiden mit Informationen über ihre Massen fand das Team heraus, dass sich die Dichten innerhalb der Probe erheblich unterscheiden. Die vier am wenigsten dichten Asteroiden, darunter Lamberta und Sylvia, haben eine Dichte von etwa 1,3 Gramm pro Kubikzentimeter, was in etwa der Dichte von Kohle entspricht.
Die dichtesten Asteroiden, Psyche und Kalliope, weisen Dichten von 3,9 bzw. 4,4 Gramm pro Kubikzentimeter auf, was mehr ist als die Dichte von Diamant (3,5 Gramm pro Kubikzentimeter).
Dieser große Unterschied in der Dichte deutet darauf hin, dass die Zusammensetzung der Asteroiden stark variiert, was den Astronomen wichtige Hinweise auf ihre Herkunft geben könnte. „Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass diese Körper seit ihrer Entstehung beträchtlich gewandert sind. Kurz gesagt, diese enorme Vielfalt in ihrer Zusammensetzung können wir nur verstehen, wenn die Körper in verschiedenen Regionen des Sonnensystems entstanden sind“, erklärt Josef Hanuš von der Karlsuniversität in Prag, Tschechische Republik, einer der Autoren der Studie. Die Ergebnisse stützen insbesondere die Theorie, dass sich die Asteroiden mit der geringsten Dichte in den abgelegenen Regionen jenseits der Neptunbahn gebildet haben und zu ihrem heutigen Standort migrierten.
Diese Ergebnisse wurden dank der Empfindlichkeit des SPHERE-Instruments (Spectro-Polarimetric High-contrast Exoplanet REsearch) am VLT der ESO möglich [2]. „Dank der verbesserten Fähigkeiten von SPHERE und der Tatsache, dass nur wenig über die Form der größten Asteroiden des Hauptgürtels bekannt war, konnten wir auf diesem Gebiet erhebliche Fortschritte erzielen“, sagt Mitautor Laurent Jorda, ebenfalls vom Laboratoire d’Astrophysique de Marseille.
Mit dem kommenden Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das derzeit in Chile gebaut wird und noch in diesem Jahrzehnt in Betrieb gehen soll, werden die Astronom:innen in der Lage sein, weitere Asteroiden im Detail zu beobachten. „ELT-Beobachtungen von Asteroiden des Hauptgürtels werden es uns ermöglichen, Objekte mit Durchmessern von bis zu 35 bis 80 Kilometern, je nach ihrer Lage im Gürtel, und Krater mit einer Größe von 10 bis 25 Kilometern zu untersuchen“, sagt Vernazza. „Ein SPHERE-ähnliches Instrument am ELT würde es uns sogar ermöglichen, eine ähnliche Auswahl von Objekten im fernen Kuipergürtel abzubilden. Das bedeutet, dass wir in der Lage sein werden, die geologische Geschichte einer viel größeren Anzahl von kleinen Körpern vom Erdboden aus zu charakterisieren.“
Endnoten
[1] In Per Anhalter durch die Galaxis von Douglas Adams ist die Zahl 42 die Antwort auf die „letzte Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“. Heute, am 12. Oktober 2021, ist der 42. Jahrestag der Veröffentlichung des Buches.
Weitere Informationen
Diese Ergebnisse wurden in einem Artikel vorgestellt, der in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheint (VLT/SPHERE imaging survey of the largest main-belt asteroids: Final results and synthesis).
Das Team besteht aus P. Vernazza (Universität Aix Marseille, CNRS, CNES, Laboratoire d’Astrophysique de Marseille, Frankreich [LAM]), M. Ferrais (LAM), L. Jorda (LAM), J. Hanuš (Institute of Astronomy, Faculty of Mathematics and Physics, Karls-Universität, Prag, Tschechische Republik [CU]), B. Carry (Université Côte d’Azur, Observatoire de la Côte d’Azur, CNRS, Laboratoire Lagrange, Frankreich [OCA]), M. Marsset (Department of Earth, Atmospheric and Planetary Sciences, MIT, Cambridge, USA [MIT]), M. Brož (CU), R. Fetick (French Areospace Lab [ONERA] und LAM), M. Viikinkoski ( Mathematics & Statistics, Tampere University, Finland [TU]), F. Marchis (LAM und SETI Institute, Carl Sagan Center, Mountain View, USA), F. Vachier (Institut de mécanique céleste et de calcul des éphémérides, Observatoire de Paris, PSL Research University, CNRS, Sorbonne Universités, UPMC University Paris 06 und Université de Lille, Frankreich [IMCCE]), A. Drouard (LAM), T. Fusco (French Areospace Lab [ONERA] und LAM), M. Birlan (IMCCE und Astronomisches Institut der Rumänischen Akademie, Bukarest, Rumänien [AIRA]), E. Podlewska-Gaca (Fakultät für Physik, Institut der astronomischen Sternwarte, Adam-Mickiewicz-Universität, Posen, Polen [UAM]), N. Rambaux (IMCCE), M. Neveu (University of Maryland College Park, NASA Goddard Space Flight Center, USA [UMD]), P. Bartczak (UAM), G. Dudziński (UAM), E. Jehin (Forschungsinstitut für Weltraumwissenschaften, Technologien und Astrophysik, Universität Lüttich, Belgien [STAR]), P. Beck (Institut de Planetologie et d’Astrophysique de Grenoble, UGA-CNRS, Frankreich [OSUG]), J. Berthier (IMCCE), J. Castillo-Rogez (Jet Propulsion Laboratory, California Institute of Technology, Pasadena, USA [JPL]), F. Cipriani (European Space Agency, ESTEC – Scientific Support Office, Noordwijk, Niederlande [ESTEC]), F. Colas (IMCCE), C. Dumas (Thirty Meter Telescope, Pasadena, USA [TMT]), J. Ďurech (CU), J. Grice (Laboratoire Atmosphères, Milieux et Observations Spatiales, CNRS und Université de Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines, Guyancourt, Frankreich [UVSQ] und School of Physical Sciences, The Open University, Milton Keynes, UK [OU]), M. Kaasalainen (TU), A. Kryszczynska (UAM), P. Lamy (Departamento de Fisica, Ingeniería de Sistemas y Teoría de la Señal, Universidad de Alicante, Alicante, Spanien), H. Le Coroller (LAM), A. Marciniak (UAM), T. Michalowski (UAM), P. Michel (OCA), T. Santana-Ros (Institut de Ciències del Cosmos, Universitat de Barcelona, Spanien und Europäische Südsternwarte, Santiago, Chile), P. Tanga (OCA), A. Vigan (LAM), O. Witasse (ESTEC), B. Yang (Europäische Südsternwarte, Santiago, Chile), P. Antonini (Observatoire des Hauts Pays, Bédoin, Frankreich), M. Audejean (Observatoire de Chinon, Chinon, Frankreich), P. Aurard (AMU, Observatoire de Haute Provence, Institut Pythéas, Saint-Michel l’Observatoire, Frankreich [OHP]), R. Behrend (Genfer Observatorium, Sauverny, Schweiz und Labor für Hochenergiephysik und Astrophysik, Cadi Ayyad Universität, Marrakesch, Marokko [UCA]), Z. Benkhaldoun (UCA), J. M. Bosch (B74, Avinguda de Catalunya 34, 25354 Santa Maria de Montmagastrell (Tarrega), Spanien), A. Chapman (Cruz del Sur Observatorium, Stadt San Justo, Buenos Aires, Argentinien), L. Dalmon (OHP), S. Fauvaud (Observatoire du Bois de Bardon, Taponnat, Frankreich und Association T60, Observatoire Midi-Pyrénées, Toulouse, Frankreich), Hiroko Hamanowa (Hong Kong Space Museum, Tsimshatsui, Hong Kong, PR China [HKSM]), Hiromi Hamanowa (HKSM), J. His (OHP), A. Jones (I64, SL6 1XE, Maidenhead, UK), D-H. Kim (Korea Astronomy and Space Science Institute, Daejeon, Korea [KASI] und Chungbuk National University, Chungdae-ro, Seowon-gu, Cheongju-si, Chungcheongbuk-do, Korea), M-J. Kim (KASI), J. Krajewski (Fakultät für Physik, Institut der astronomischen Sternwarte, Adam-Mickiewicz-Universität, Poznań, Polen), O. Labrevoir (OHP), A. Leroy (Observatoire OPERA, Saint Palais, Frankreich [OPERA] und Uranoscope, Gretz-Armainvilliers, Frankreich), F. Livet (Institut d’Astrophysique de Paris, Paris, Frankreich, UMR 7095 CNRS et Sorbonne Universités), D. Molina (Anunaki Observatory, Calle de los Llanos, Manzanares el Real, Spanien), R. Montaigut (Club d’Astronomie de Lyon Ampere, Vaulx-en-Velin, Frankreich und OPERA), J. Oey (Kingsgrove, NSW, Australien), N. Payre (OHP), V. Reddy (Planetary Science Institute, Tucson, USA), P. Sabin (OHP), A. G. Sanchez (Rio Cofio Observatory, Robledo de Chavela, Spanien), und L. Socha (Cicha 43, 44-144 Nieborowice, Polen).
Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Die Organisation hat 16 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Hinzu kommen das Gastland Chile und Australien als strategischer Partner. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist außerdem einer der Hauptpartner bei zwei Projekten auf Chajnantor, APEX und ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das European Extremely Large Telescope (E-ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.
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Wissenschaftlicher Artikel
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