ESO: Schwarze Löcher beim Frühstück

ESO-Teleskope beobachten Schwarze Löcher beim Frühstück im kosmischen Morgengrauen. Eine Pressemitteilung des ESO Science Outreach Network (ESON).

Quelle: ESON

19. Dezember 2019 – Astronomen haben mit dem Very Large Telescope der ESO Vorräte an kaltem Gas um einige der frühesten Galaxien des Universums herum beobachtet. Diese Gashalos sind die perfekte Nahrung für supermassereiche Schwarze Löcher im Zentrum dieser Galaxien, die heute so aussehen, wie sie vor über 12,5 Milliarden Jahren waren. Diese Reservoirs könnten erklären, wie diese kosmischen Giganten in einer Epoche des Universums, die als kosmische Morgendämmerung bekannt ist, so schnell wachsen konnten.

Dieses Bild zeigt einen der Gashalos, die mit dem MUSE-Instrument auf dem Very Large Telescope der ESO neu beobachtet wurden, überlagert von einem älteren Bild einer Verschmelzung von Galaxien, die mit ALMA gewonnen wurde. Der großflächige Halo aus Wasserstoffgas ist blau dargestellt, während die ALMA-Daten orange eingefärbt sind. Der Halo ist an die Galaxie gebunden, die in ihrem Zentrum einen Quasar enthält. Das schwache, glühende Wasserstoffgas im Halo ist die perfekte Nahrungsquelle für das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum des Quasars. Die Objekte in diesem Bild befinden sich bei einer Rotverschiebung von 6,2, d. h. sie werden so gesehen, wie sie vor 12,8 Milliarden Jahren waren. Während Quasare hell sind, sind die Gasspeicher um sie herum viel schwieriger zu beobachten. Aber MUSE konnte das schwache Glühen des Wasserstoffgases in den Halos erkennen, so dass Astronomen endlich die Lebensmittelvorräte freilegen konnten, die supermassereiche Schwarze Löcher im frühen Universum versorgen.
(Bild: ESO/Farina et al.; ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), Decarli et al.)

„Wir können nun zum ersten Mal zeigen, dass primordiale Galaxien in ihrer Umgebung genügend Nahrung haben, um sowohl das Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher als auch die erhöhte Sternentstehung zu füttern“, sagt Emanuele Paolo Farina vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, Deutschland, der die heute im The Astrophysical Journal veröffentlichte Forschung leitete. „Dies trägt fundamental zur Lösung des Rätsels bei, wie man sich vorzustellen hat, auf welche Weise sich kosmische Strukturen vor mehr als 12 Milliarden Jahren gebildet haben.“

Astronomen haben sich gefragt, wie supermassereiche Schwarze Löcher so früh in der Geschichte des Universums so groß werden konnten. „Die Anwesenheit dieser frühen Geschöpfe mit einer Masse, die mehrere Milliarden Mal so groß ist wie die unserer Sonne, ist ein großes Geheimnis“, sagt Farina, der auch am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München forscht. Das bedeutet, dass die ersten Schwarzen Löcher, die sich aus dem Kollaps der ersten Sterne gebildet haben könnten, sehr schnell gewachsen sein müssen. Bislang hatten die Astronomen jedoch die „Nahrung der Schwarzen Löcher“ – Gas und Staub – nicht in ausreichender Menge entdeckt, um dieses schnelle Wachstum zu erklären.

Um die Sache noch komplizierter zu machen, zeigten frühere Beobachtungen mit ALMA, dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array, viel Staub und Gas in diesen frühen Galaxien, die eine schnelle Sternentstehung förderten. Diese ALMA-Beobachtungen deuten darauf hin, dass für die Versorgung eines schwarzen Lochs wenig übrig bleiben könnte.

Um dieses Rätsel zu lösen, verwendeten Farina und seine Kollegen das MUSE-Instrument am Very Large Telescope (VLT) der ESO in der chilenischen Atacama-Wüste, um Quasare zu untersuchen – extrem helle Objekte, die von supermassereichen Schwarzen Löchern angetrieben werden, die im Zentrum gewaltiger Galaxien liegen. Die Studie untersuchte 31 Quasare, die man so sieht, wie sie vor mehr als 12,5 Milliarden Jahren waren, zu einer Zeit, als das Universum noch ein Kleinkind war, nur etwa 870 Millionen Jahre alt. Dies ist eine der größten Stichproben von Quasaren aus dieser frühen Zeit in der Geschichte des Universums, die bislang untersucht wurden.

Die Astronomen fanden heraus, dass 12 Quasare von riesigen Gasspeichern umgeben waren: Halos aus kühlem, dichtem Wasserstoffgas, die sich über 100.000 Lichtjahre von den zentralen Schwarzen Löchern und mit einer milliardenfach höheren Masse als die der Sonne erstrecken. Das Team aus Deutschland, den USA, Italien und Chile fand auch heraus, dass diese Gashalos fest mit den Galaxien verbunden waren und somit die perfekte Nahrungsquelle darstellten, um sowohl das Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher als auch die heftige Sternentstehung zu unterstützen.

Die Forschung war dank der hervorragenden Empfindlichkeit von MUSE, dem Multi Unit Spectroscopic Explorer, am VLT der ESO möglich, von dem Farina sagt, dass er in der Untersuchung von Quasaren „ein entscheidender Faktor“ sei. „In wenigen Stunden pro Objekt konnten wir uns in die Umgebung der massereichsten und unersättlichsten Schwarzen Löcher des jungen Universums begeben“, fügt er hinzu. Während Quasare hell sind, sind die Gasspeicher um sie herum viel schwieriger zu beobachten. Aber MUSE konnte das schwache Glühen des Wasserstoffgases in den Halos erkennen, so dass Astronomen endlich die Lebensmittelvorräte freilegen konnten, die supermassereiche Schwarze Löcher im frühen Universum versorgen.

Diese Abbildung zeigt einen Gashalo, der einen Quasar im frühen Universum umgibt. Der Quasar in Orange hat zwei kräftige Jets und ein supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum. Der Halo aus glühendem Wasserstoffgas ist blau dargestellt. Eine Forschergruppe untersuchte 31 Quasare, die man so sieht, wie sie vor mehr als 12,5 Milliarden Jahren waren, zu einer Zeit, als das Universum noch ein Kleinkind war, nur etwa 870 Millionen Jahre alt. Die Astronomen fanden 12 Quasare, die von riesigen Gasspeichern umgeben waren: Halos aus kühlem, dichtem Wasserstoffgas, die sich über 100.000 Lichtjahre von den zentralen Schwarzen Löchern und mit einer milliardenfach höheren Masse als die der Sonne erstrecken. Sie stellen die perfekte Nahrungsquelle dar, um das Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher zu fördern.
(Bild: ESO/M. Kornmesser)

In Zukunft wird das Extremely Large Telescope (ELT) der ESO den Wissenschaftlern helfen, noch mehr Details über Galaxien und supermassereiche Schwarze Löcher in den ersten wenigen Milliarden Jahren nach dem Urknall zu erfahren. „Mit der Leistungsfähigkeit des ELT werden wir in der Lage sein, noch tiefer in das frühe Universum einzutauchen, um viele weitere solche Gasnebel zu finden“, schließt Farina.

Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Die Organisation hat 16 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Hinzu kommen das Gastland Chile und Australien als strategischer Partner. Die ESO führt ein ehrgeiziges Programm durch, das sich auf die Planung, den Bau und den Betrieb leistungsfähiger bodengebundener Beobachtungseinrichtungen konzentriert, die es Astronomen ermöglichen, wichtige wissenschaftliche Entdeckungen zu machen. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope (VLT) und das weltweit führende Very Large Telescope Interferometer sowie zwei Durchmusterungsteleskope: VISTA im Infrarotbereich und das VLT Survey Telescope (VST) für sichtbares Licht. Am Paranal wird die ESO zukünftig außerdem das Cherenkov Telescope Array South beherbergen und betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlenobservatorium der Welt. Die ESO ist zusätzlich einer der Hauptpartner bei zwei Projekten auf Chajnantor, APEX und ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das Extremely Large Telescope (ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

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