Frankreichs Präsident Hollande lud Spitzenvertreter der Raumfahrt in den Elysée Palast ein, um über die industrielle Zukunft des Ariane-Systems zu beraten. Airbus und Safran kündigten dabei ein gemeinsames Joint Venture an, dass die ESA Ministerratstagung im Dezember beeinflussen dürfte. Diese Kooperation favorisiert ein alternatives Ariane-6-Konzept mit einem Flüssigkeitstriebwerk in der Hauptstufe.
Ein Beitrag von Thomas Brucksch. Quelle: Airbus Group, Safran, SpaceNews, LesEcho, Le Revenu, Le Observateur, NordNet.
Der Satellitentransport ist ein mehr oder weniger wettbewerbsorientierter und kommerzieller Bereich der Raumfahrt. Die Ariane hat einen Marktanteil von 25%, die USA nur 16% am weltweiten Raumtransportmarkt.
ESA und die Politik verbrachten mehr als 10 Jahre mit zum Teil innovativen Konzepten für ein Nachfolgesystem (FLPP), um dann doch ein relativ konventionelles Design vorzuschlagen. Die ESA-Mitgliedsstaaten verschoben immer wieder konkrete Maßnahmen, aus Furcht vor den Kosten und Projektrisiken.
Frankreich drängt mit dem Ariane-6-Entwurf auf einen Nachfolger, der mit SpaceX wettbewerbsfähig sein soll. Das Feststoffkonzept erntete jedoch auch Kritik von verschiedenen Seiten.
Ein neues Kapitel schlug jetzt die Industrieseite auf, in dem Airbus DS und Safran ein Joint Venture gründen. Der offizielle Auftrag:
– Weiterentwicklung und beschleunigte Indienststellung der Trägerrakete Ariane 5 ME als logische Evolution der Ariane 5 mit verbesserter Oberstufe auf Basis des Vinci-Antriebs; und- Weiterentwicklung der Trägerrakete Ariane 6 in einer gemeinsam vereinbarten Konfiguration, die dem Anforderungsprofil der ESA, den nationalen Raumfahrtagenturen, von Arianespace und Satellitenbetreibern entspricht.
Immerhin repräsentieren beide Partner etwa 2/3 der Arianeproduktion. Die Industrie will damit die Design-Hoheit zurückgewinnen und auch die Vermarktung übernehmen, so dass in einem weiteren Schritt auch Arianespace integriert werden soll.
Während Minister Gabriel mit seinem französischen Amtskollegen in Toulouse die Airbus Flugzeugfertigung besichtigte, verhandelte man in Paris das neue Industriebündnis. Teilnehmer waren (vlnr): Verteidiungsminister Jean-Yves Le Drian, -, CNES-Chef Le Gall, Jean-Lin Fournereaux (Safran), Staatssekretärin Genevieve Fioraso, Safran-Chef Jean-Paul Herteman, Präsident Hollande, Eutelsat Chef Michel de Rosen, Airbus Strategiechef Marwan Lahoud, -, ESA-Chef Dordain und Arianespace-Chef Israel.
Und wie das so üblicherweise ist, alle finden es gut, und äußern ihre Gedanken in den Nebensätzen. So meinte DLR-Chef Wörner im Nachgang, dass das ja nur eine Businesslösung sei. Wenn es um Wettbewerbsfähigkeit geht, kommt man daran aber wohl kaum vorbei. Mittlerweile erfuhr man von Safran, dass man in einem gemeinsamen Team von 40 Ingenieuren in einem Monat ein alternatives Konzept erarbeitet hat: zwei Trägersysteme für 3-7 t und 8,5 t auf Basis der Ariane 5 Technologie.
Staatssekretärin Fioraso wies darauf hin, dass man hier ein europäisches Projekt realisiert und Airbus Strategiechef M. Lahoud auch ihre deutsche Kollegin Zypries über den Fortgang informieren werde.
Le Gall zeigte sich einer neuen Konfiguration aufgeschlossen, hielt jedoch an den Kostenzielen fest. Arianespace rechnet schon mal den Umsatz mit ca. 2 Mrd € des gemeinsamen Unternehmens zusammen.
Der Hauptvertragspartner im Ariane-Projekt wird also größer – nicht mehr Airbus, sondern Airbus/Safran/Arianespace-JV. Gewichtige Fragen bleiben offen oder stellen sich jetzt um so mehr: Wird die angestrebte Effizienzsteigerung durch Verringerung von Standorten industriell umgesetzt. Bedeutet das Ende der Ariane 5 und der Übergang zur Ariane 6 eine Reduzierung der Kapazitäten um 50 %, da ja dann kleinere, weniger Träger gebaut werden. Was bedeutet eine vertikale Unternehmensstruktur für andere europäische Raumfahrtfirmen und die staatlichen Agenturen.
Die ESA wollte im Wettbewerb Angebote der Industrie einholen und sich Ende 2014 von den jeweiligen Ländern finanzieren lassen. Mit dem JV und dem alternativen Trägerkonzept könnte man wieder auf Anfang stehen.
Dabei wäre der Zusammenschluss im Grunde eine Fortsetzung dessen, was einmal zu Airbus geführt hatte, der Zusammenschluss einzelner Firmen zu einem Konzern, der im transatlantischen Wettbewerb steht. Möglicherweise bedeutet es aber auch den Ausstieg von Airbus aus der Raumfahrt durch die Schaffung eines vor allem französischen Raumfahrtkonzerns.
Europas Raumfahrtindustrie verändert sich – vielleicht – oder auch nicht.
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