Vor kurzem veröffentlichte eine Forschergruppe Daten des am Südpol befindlichen BICEP-2-Observatoriums, mit denen sie aus der Frühzeit des Universums stammende Gravitationswellen belegen wollte. Diese würden starke Indizien für die so genannte Inflationstheorie, die die Astronomen und Kosmologen benötigen um die Struktur des heutigen Universums erklären zu können, liefern. Nun mehren sich die Zweifel daran, ob die Interpretation der Daten richtig ist.
Ein Beitrag von Hans Lammersen. Quelle: Sterne und Weltraum.de.
Die Theorie der Inflation postuliert eine schnelle Expansionsbewegung zu Beginn des Universums. Sie wurde bereits in den 80er Jahren entwickelt, um ungeklärte Fragen der Urknalltheorie zu lösen. Allerdings kann man sie (bisher) nicht beweisen. Denn alles, was sich unmittelbar nach dem Urknall abgespielt hat (die Inflation soll sich in einem Zeitraum von 10-35 Sekunden nach dem Urknall ereignet haben), ist bisher einer direkten Beobachtung verschlossen gewesen. Denn erst nach etwa 380.000 Jahren wurde das Universums für Strahlung durchlässig. Wir können also nicht weiter als bis in eine Zeit von 380.000 Jahren nach dem Urknall zurückschauen. Diese Grenze wird als Mikrowellenhintergrund bezeichnet. In den letzten Jahrzehnten hat man sie aber durch verschiedene Satelliten immer genauer vermessen.
Die Forschergruppe von BICEP-2 hatte nun behauptet, im Mikrowellenhintergrund Polarisationen nachgewiesen zu haben, die nur von Gravitationswellen stammen können, die infolge der Inflation entstanden sind. Dies wäre eine außerordentlich wichtige Entdeckung. Doch diese Aussage gerät nun immer mehr unter Beschuss.
Erste Zweifel an den Aussagen wurden schon relativ schnell laut. So hielten Physiker wie William Jones (Princeton) sie für eine Überinterpretation der vorliegenden Daten. Die Zahl der Zweifler hat sich nun vermehrt, da einige Forschergruppen die Berechnungen nicht nachvollziehen konnten. Außerdem wurden und werden systematische Mängel genannt: Der Studie fehlt ein Abschnitt, in dem mögliche Fehlerquellen aufgelistet werden (der bisher auch, entgegen einem Versprechen der Forschergruppe, nicht nachgeliefert worden ist). Weiterhin fehlt bisher die Veröffentlichung in einem Journal, bei dem die Aufsätze vor der Veröffentlichung kritisch durchgesehen werden. Am schwersten wiegt aber der Vorwurf, dass die Daten möglicherweise durch Staub verfälscht worden sind. Die BICEP-2-Studie beruht auf Messungen bei einer einzigen Wellenlänge. Dabei bezogen sich die Wissenschaftler auf Daten des Satelliten Planck, der eine Karte der Staubverteilung erstellt hat. Diese Daten sind aber noch gar nicht veröffentlicht, sondern es gibt sie derzeit nur in vorläufiger Form, die eventuell noch korrigiert werden muss. Es gibt nicht wenige Astronomen, die es für verwegen halten, eine so wichtige Aussage über einen Eckpfeiler der Urknalltheorie auf der Basis von Daten zu treffen, die noch gar nicht vernünftiger Form vorliegen. Überdies hat das BICEP-2 Team auch die Störungen durch weit entfernte, staubreiche Galaxien nicht heraus gerechnet.
Der Konflikt wird wohl bald gelöst. Es gibt weitere Gruppen, die an Studien zu der Polarisation der Hintergrundstrahlung. Daher wird man in absehbarer Zeit wissen, ob man wirklich Signale vom Beginn des Universums nachweisen kann.
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