Das US-amerikanische Gammastrahlen-Teleskop Fermi konnte im April 2013 dank eigener Triebwerke einer gefährlich nahen Begegnung mit Weltraumschrott aus dem Weg gehen, dem Nanosatelliten PEGASO aus Ecuador war das am 22. Mai 2013 nach Angaben seines Betreibers nicht vergönnt.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: EXA, NASA.
Am 30. April 2013 gab die US-amerikanische Luft- und Raumfahrtagentur (NASA) bekannt, dass es notwendig geworden war, das 2008 gestartete Gammastrahlen-Teleskop Fermi im Weltraum auf Abstand zu einem Stück Weltraumschrott zu bringen, welches die Bahn des Teleskops kreuzte.
Die Fermi-Projektwissenschaftlerin Julie McEnery erhielt am 29. März 2013 eine routinemäßige E-Mail, die einen Hinweis auf eine möglicherweise gefährliche Begegnung zwischen dem US-amerikanischen Raumfahrzeug und dem ausgedienten sowjetischen Satelliten Kosmos 1805 enthielt. Kosmos 1805 kreist seit dem Start auf einer Zyklon-3-Rakete am 10. Dezember 1986 um die Erde. Der mit der NORAD-Nr. 17.191 und als COSPAR-Objekt 1986-097A katalogisierte Satellit vom Typ Tselina-D hatte die Aufgabe, Radiosignale verschiedener Einrichtungen, Anlagen und Einheiten abzufangen, er diente also der militärischen Funkaufklärung.
Eine Arbeitsgruppe am Goddard-Raumflugzentrum (GSFC) in Greenbelt im US-amerikanischen Bundesstaat Maryland betreibt einen automatisierten Dienst, der Begegnungen von Raumfahrzeugen im Weltraum vorausberechnet und entsprechende Risikoabschätzungen liefert. Die Daten des CARA für Conjunction Assessment Risk Analysis genannten Dienstes wiesen Ende März darauf hin, dass es in Wochenabstand zu einer ungewöhnlich nahen Begegnung zwischen Fermi und Kosmos 1805 kommen würde.
Ohne vorherige Bahnänderung eines der Raumflugkörper könnten sie sich am 4. April 2013 auf vorausberechnete rund 213 Meter annähern – ein Abstand, der wegen der Unsicherheiten in den Berechnungen berechtigten Anlass zur Sorge bot. Eric Stoneking vom GSFC vergleicht die Ermittlung des voraussichtlich Vorbeiflugabstands mit dem Versuch, Regen an einem konkreten Ort zu einer ganz bestimmten Zeit in Wochenabstand exakt vorherzusagen.
Die relative Geschwindigkeit bei der direkten Begegnung der beiden Objekte würde rund 43.450 km/h betragen. Kollidierte Fermi mit seiner Startmasse von rund 4,3 Tonnen direkt mit dem auf rund 1,4 Tonnen taxierten Kosmos 1.805, würde eine Energie frei, wie bei einer Explosion von 2,5 Tonnen hochwirksamen Sprengstoffs. Unmittelbare Folge: Vollständige Zerstörung beider Erdtrabanten. Nachteilige Folgenerscheinung: Neue Trümmerwolken, die wiederum andere um die Erde kreisende Objekt bedrohen.
Was war zu tun? Der ausgediente Sowjetsatellit würde seine Bahn nicht ändern, also lag es am aktiven Raumfahrzeug Fermi, seinen Orbit so anzupassen, dass ein ausreichender Sicherheitsabstand erreicht wird. Julie McEnery informierte deshalb die Fermi-Arbeitsgruppe für Flugdynamik.
Vor zwei vorangegangenen Begegnungen zwischen Fermi und Kosmos 1805 war man sich jeweils sicher, dass sie mit ausreichendem Abstand erfolgen würden. Nun aber mussten die Flugdynamiker ein Ausweichmanöver planen. An Bord von Fermi gibt es Triebwerke, deren Vorhandensein sich aus dem Willen erklärt, dass Fermi niemals eine Bedrohung für andere Raumfahrzuge darstellen darf, und deshalb zum Einsatz kommen sollen, um Fermi nach Beendigung der wissenschaftlichen Aufgaben gezielt in die Erdatmosphäre wieder eintreten zu lassen und den Satelliten dadurch zu zerstören. Diese Triebwerke waren der Schlüssel für ein erfolgreiches Ausweichmanöver.
Die CARA-Arbeitsgruppe und Experten eines Raumflugzentrums auf der Luftwaffenbasis Vandenberg (Joint Space Operations Center, JSpOC) berechneten, wie groß der Impuls sein müsste, um für Fermi sichere Verhältnisse zu schaffen, und gleichzeitig zu gewährleisten, dass das Weltraumteleskop auf seiner neuen Bahn nicht sofort einem anderen Objekt zu nahe kommen würde. Außerdem wurden geeignete Zeitpunkte für das Manöver und vielleicht erforderliche zusätzliche Triebwerkszündungen festgelegt.
Da das Antriebssystem zum Deorbiting eigentlich nicht im Verlauf der wissenschaftlichen Mission von Fermi benutzt werden sollte, war man angesichts der Tatsache, dass nun brennbare Flüssigkeiten durch vorher nie benützte Rohrleitungen strömen sollten, einigermaßen nervös, berichtete McEnery. Doch es ging alles gut.
Am 3. April 2013 stellte Fermi vor der Triebwerkszündung die Himmelbeobachtung ein. Die beiden Solarzellenausleger, die für eine Spannweite von rund 15 Metern sorgen, wurden in geeignete Parkpositionen gefahren und die Hochgewinnantenne eingeklappt. Das Antriebssystem an Bord arbeitete dann seiner Konstruktion entsprechend. Sämtliche Schubdüsen des Systems gaben einen eine Sekunde dauernden Schubstoß ab, was ausreichte, um die voraussichtliche Vorbeiflugdistanz auf rund 9,6 Kilometer anzuheben.
Wenig später nahm Fermi den Beobachtungsbetrieb wieder auf. Die Begegnung mit dem alten sowjetischen Satelliten, der nicht mit Einrichtungen zu seiner Entsorgung ausgestattet worden war, war überstanden. Für künftig notwendige Ausweichmanöver von Fermi ist man bei der NASA jetzt besser gewappnet als jemals zuvor.
Die Betreiber des Nanosatelliten NEE-01 PEGASO hatten keine Möglichkeit, seine Bahn nach einem Hinweis des JSpOC auf eine mögliche Kollision aktiv zu beeinflussen. Der Satellit der zivilen Ecuadorianischen Raumfahrtagentur (EXA) mit einer Masse von nur etwas über 1,2 Kilogramm war erst am 26. April 2013 auf einer chinesischen Trägerrakete des Typs Langer Marsch 2D in den Weltraum gelangt.
Der kosmische Winzling mit einer würfelförmigen, von Solarzellen bedeckten Grundstruktur (Kantenlänge rund 10 Zentimeter) und zwei kleinen Auslegern mit Solarzellen (Spannweite rund 76 Zentimeter) hatte am 16. Mai 2013 ein erstes Live-Video mit Ton zur Erde gesendet. Am 22. Mai 2013 begegnete der Satellit nach Angaben der EXA einer ausgebrannten, ramponierten Raketenstufe einer sowjetischen, 1985 gestarteten Zyklon-3-Rakete, die mutmaßlich von allerlei Partikeln begleitet werde, und unnütz um die Erde kreist. Die Stufe ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 15.890 und als COSPAR-Objekt 1985-058B, und diente dem Transport von Kosmos 1666, wie Kosmos 1805 ein militärischer Funkaufklärer.
Obwohl es nach Angaben des US-amerikanischen Kommandos für Weltraumüberwachung keine unmittelbare Kollision zwischen der Raketenstufe und PEGASO gab, hat der Satellit laut EXA seine korrekte Fluglage eingebüßt. Die EXA bestätigte gegenüber Raumfahrer.net am 28. März 2013 wildes Taumeln des Satelliten und gestörte Systeme an Bord. Einen Zusammenstoß mit mindestens einem der die Raketenstufe begleitenden Weltraumschrott-Teilen nimmt die EXA an.
In ihrem Webauftritt berichtete die EXA am 23. März 2013, dass es nicht möglich sei, Daten vom Satelliten zu empfangen und Kommandos an ihn abzusetzen. Der Transceiver an Bord von PEGASO arbeite, Daten von PEGASO könnten aber der wegen des Taumelns nicht ausgerichteten Antenne des Satelliten am Boden nicht dekodiert werden.
Die EXA hofft dennoch, den unter anderem mit einer hochauflösenden Videokamera und einem Fernsehsender ausgestatteten Satelliten nach dem unterstellten direkten Debris-Treffer wieder unter Kontrolle zu bekommen, erläuterte ein Mitarbeiter der EXA Raumfahrer.net.