Die 33. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist am 14. März 2019 auf dem Flughafen Bordeaux-Mérignac erfolgreich zu Ende gegangen. Eine Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Quelle: DLR.
Die 33. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) stand ganz im Zeichen der Wissenschaft. Sie endete planmäßig am 14. März 2019 mit dem dritten Flugtag auf dem Flughafen Bordeaux-Mérignac in Frankreich. Der Airbus A310 ZERO-G der französischen Firma Novespace beherbergte zehn wissenschaftliche Experimente aus den Bereichen Humanphysiologie, Fundamentalphysik und Materialwissenschaften.
Darunter war auch wieder die Multi-Useranlage TEMPUS, eine Einrichtung zum Aufschmelzen und berührungsfreien Wiedererstarren von metallischen Legierungen. TEMPUS („Tiegelfreies elektromagnetisches Positionieren unter Schwerelosigkeit“) beinhaltet eine Vielzahl von Einzelexperimenten. Für das DLR Raumfahrtmanagement, das die Kampagnen ausrichtet, fällt die 33. Auflage zugleich in ein Jubiläumjahr: Vor 20 Jahren führte das DLR die erste eigenständige Parabelflugkampagne durch.
Wissenschaftler und Ingenieure führen ihre Experimente an Bord eigenhändig durch
„Unsere 33. DLR-Parabelflugkampagne zeichnete sich durch viele interessante Experimente aus – so hatten wir Wissenschaftler dabei, die mit ihren Versuchen das allererste Mal in Schwerelosigkeit forschten, aber auch flug-erfahrene Experimentatoren, die mit komplett neuen Aufbauten neue Fragestellungen untersuchten. Die Vorbereitungen zur Kampagne waren deshalb für die Wissenschaftler, aber auch für Novespace sehr intensiv, damit alle Experimente in der Zeit bis zur Kampagne flugfertig wurden. Ein paar der Versuche haben mit der Teilnahme an diesem Flug außerdem ihre Datenaufnahme beendet, sodass wir gespannt sind auf die Ergebnisse und nachfolgenden Publikationen“, bilanziert Dr. Katrin Stang, Parabelflug-Programmleiterin des DLR Raumfahrtmanagements.
Experimente mit Blick auf Weltraumanwendungen
Die Experimente der 33. Parabelflugkampagne stammten aus unterschiedlichen Forschungsgebieten und wurden an Universitäten und Instituten aus allen Teilen Deutschlands vorbereitet. So untersuchte etwa Dr. Tina Sorgenfrei vom Institut für Geo- und Umweltnaturwissenschaften der Universität Freiburg das Schmelzverhalten von technisch wichtigen Halbleiterkristallen bei Schwerelosigkeit.
Die Abwesenheit der Schwerkraft war auch die entscheidende Voraussetzung für die Experimente von Prof. Ralf Stannarius und Torsten Trittel von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Die Wissenschaftler untersuchten eine fundamentale Fragestellung der Fluiddynamik: die Oszillationen freischwebender flüssiger Membranen. Dafür regten sie zentimetergroße flüssigkristalline Blasen akustisch zu Schwingungen an. Der Mehrwert der Mikrogravitation in diesem Fall: die Objekte schwebten während der Aufzeichnung frei am Ort im Sichtbereich der Kamera.
In einem weiteren Experiment in Kooperation mit Prof. Jan Lagerwall von der Universität Luxembourg wurden ähnliche Blasen, flüssigkristalline Schalen, in wässriger Umgebung untersucht. In Abwesenheit der Schwerkraft ändern sie ihre Geometrie. Nach Polymerisation unter Mikrogravitation sollen symmetrische Objekte entstehen, die später im Labor untersucht werden können. „Unsere beiden Experimente OASIS und MiShell haben sehr gut funktioniert, unsere Erwartungen wurden übertroffen. Mit den Erkenntnissen aus dieser Kampagne werden wir zum fundamentalen Verständnis der Dynamik dünner flüssiger Filme beitragen“, hält Prof. Stannarius fest.
Annette Hagengruber und ihr Team vom Institut für Robotik und Mechatronik des DLR in Oberpfaffenhofen beschäftigten sich mit dem Thema, wie sich Muskelsignale verwenden lassen, um zum Beispiel einen Roboter fernzusteuern. Das ECOS getaufte Experiment („Elektromyographie für Teleoperierte Anwendungen in Schwerelosigkeit“) ging der Frage nach, wie eine solche Mensch-Maschine-Schnittstelle unter Weltraumbedingungen arbeitet. Die Probanden steuerten dabei einen Cursor mittels der Kontraktion verschiedener Muskelgruppen. Deren Aktivität wurde von acht kabellosen Elektroden am Ober- und Unterarm der Hand der Probanden gemessen.
Für den Einsatz im Weltraum liegt ein wesentlicher Vorteil des Systems in seiner Tragbarkeit, da die Sensoren auf der Haut angebracht werden. Darüber hinaus kann es gerade in der Schwerelosigkeit von Vorteil sein, dass sich das Referenzsystem der Schnittstelle mit dem Anwender bewegt und somit immer relativ zum Anwender ausgerichtet ist. Anette Hagengruber ist von ihren bisherigen Testergebnissen sehr angetan: „Unser Experiment hat erfreulicherweise wie erwartet funktioniert. Wir hatten weder Ausfälle bei den Testpersonen noch bei der Hardware. Zuhause werden wir nun die erhaltenen Daten analysieren. Nach dem guten Abschluss dieser Kampagne wollen wir in Zukunft die Bedingungen für unsere Probanden noch etwas komplexer gestalten.“
Ihrer Profession entsprechend war das kooperative Experiment von PD Dr. Ramona Ritzmann und Dr. Kathrin Freyler vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Freiburg und Prof. Kirsten Albracht von der Fachhochschule Aachen sowie Prof. Marco Narici von der Universität Padua mit der Analyse von Bewegungen verbunden. Die Forschungsgruppe will mehr darüber erfahren, wie das Zentrale Nervensystem mit veränderten Gravitationsbedingungen umgeht und welche Folgen das für die Bewegungssteuerung hat. Dafür ließen sie die Versuchspersonen Sprünge ausführen, sogenannte Drop Jumps und Drop Landings, die mit vier verschiedenen Methoden im Detail analysiert wurden.
Die wissenschaftlichen Erfolgsaussichten für die humanwissenschaftliche Weltraumforschung betreffen vor allem neue Erkenntnisse über die Gesunderhaltung aber auch die Fortbewegung des Menschen bei variierenden Weltraumbedingungen. Hinsichtlich zukünftiger Flüge zum Mars und Mond ist das Wissen über die Anpassungsfähigkeit des menschlichen motorischen Systems von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, missions-kritische Aufgaben zu bewältigen. Eine große Anschlussfähigkeit ist zudem durch die Anwendung beim Astronautentraining zur Vorbereitung auf die ISS oder interplanetare Langzeitmissionen gegeben.
Dr. Kathrin Freyler freut sich: „Mit der Teilnahme an dieser Kampagne haben wir unsere Datenaufnahme zu diesem Projekt abgeschlossen. Erste Analysen haben gezeigt, dass wir spannende Ergebnisse zu erwarten haben, die wir in Zukunft weiter ausbauen möchten.“ Die Erkenntnisse können außerdem zum Verständnis von menschlicher Bewegung auch auf der Erde von Nutzen sein: sie können in die Entwicklung von Geräten und Trainingsprogrammen einfließen, die im Bereich der Rehabilitation Anwendung finden.
Seit 20 Jahren im Dienst der Schwerelosigkeit
Seit 1999 organisiert das DLR Raumfahrtmanagement regelmäßig eigene Parabelflüge für biologische, humanphysiologische, physikalische, technologische und materialwissenschaftliche Fragestellungen. Das aktuell genutzte Forschungsflugzeug, der A310 ZERO-G, startete im April 2015 zu seinem ersten wissenschaftlichen Parabelflug. Zuvor war ein Airbus A300 mit dieser Aufgabe betraut. Genutzt wird die von der französischen Firma Novespace angebotene Fluggelegenheit jeweils ein- bis zweimal jährlich auf wissenschaftlichen Kampagnen des DLR, der Europäischen Weltraumagentur ESA und der französischen Raumfahrtagentur CNES. Eine DLR-Parabelflugkampagne besteht in der Regel aus drei Flugtagen mit zirka vier Flugstunden, an denen jeweils 31 Parabeln geflogen werden.
Dabei steigt das Flugzeug aus dem horizontalen Flug steil nach oben, drosselt die Schubkraft der Turbinen und folgt dabei der Flugbahn einer Parabel. Während jeder Parabel herrscht für etwa 22 Sekunden Schwerelosigkeit. Insgesamt stehen so bei einer Flugkampagne etwa 35 Minuten Schwerelosigkeit – im Wechsel mit normaler und nahezu doppelter Erdbeschleunigung – zur Verfügung, die Forscher für ihre Experimente nutzen können.
Bis zu 40 Wissenschaftler können an einem Flug teilnehmen, bei dem sich zwischen zehn und 13 Experimenten an Bord befinden. Ein besonderer Vorteil für die Wissenschaftler und Ingenieure besteht darin, dass sie ihre vertrauten Laborgeräte verwenden können. Die Instrumente werden eigenhändig in die sogenannten „Racks“ (Halterungen) eingebaut, und die Wissenschaftler können auf der Kampagne die Experimente an Bord selbst durchführen und genauso kontrollieren wie in ihrem Labor auf der Erde. Parabelflüge finden zudem regelmäßig und zu kalkulierbaren und verlässlichen Terminen statt.