Vor zwanzig Jahren, in der Nacht vom 13. auf den 14. März 1986, begegnete die ESA-Raumsonde Giotto dem Halleyschen Kometen. Dies war die erste Mission der ESA in den tiefen Weltraum und gleichzeitig Teil einer ehrgeizigen internationalen Bemühung, die Rätsel um jenes geheimnisvolle Objekt zu lösen.
Ein Beitrag von Ingo Froeschmann und Axel Orth. Quelle: ESA. Vertont von Dominik Mayer.
Das Abenteuer begann mit dem Start von Giotto mit einer Ariane-1-Trägerrakete (Flug V14) am 2. Juli 1985. Nach drei Umrundungen der Erde wurde das Triebwerk an Bord gezündet, um die Raumsonde in eine interplanetare Flugbahn zu befördern. Acht Monate und nahezu 150 Millionen Kilometer dauerte die Reise, bis die Instrumente der Raumsonde am 12. März 1986 erstmals die Wasserstoffionen des Halleyschen Kometen erkannten, der sich in 7,8 Mio. km Entfernung befand.
Giottos Rendezvous mit Halley fand ungefähr einen Tag danach statt, als die Sonde den Bugschock des Sonnenwindes passierte (die Region, in der eine Schockwelle entsteht, wenn die sich mit Überschallgeschwindigkeit bewegenden Solarpartikel auf Unterschallgeschwindigkeit verlangsamen). Mit dem Eintritt in den dichtesten Teil der Nebelhülle des Kometen begann die Kamera, das hellste Objekt (den Kern) in ihrem Sichtfeld zu verfolgen.
Die Aufregung im Europäischen Raumflugkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt wuchs, als die ersten, unscharfen Bilder und Daten eintrafen. Die zehn Experimententeams prüften die neuesten Informationen auf Mark und Bein und setzten alles daran, eine vorläufige Analyse bekannt geben zu können.
Und die Aufregung wuchs nicht nur in Darmstadt, sondern in ganz (Fernseh-)Deutschland: Ältere Raumfahrtinteressierte werden sich sicher noch an „Die Nacht des Kometen“ erinnern, wie die damalige stundenlange Liveübertragung im ZDF mit Joachim Bublath betitelt war. Die Spannung dieser Nacht hielt locker jedem Vergleich mit heutigen Raumfahrt-Großereignissen wie der Huygens-Landung auf Titan und mit Deep Impact stand. Apropos Deep Impact: Europa kann heute noch stolz darauf sein, mit Giotto ausnahmsweise mal den Amerikanern um fast 20 Jahre voraus gewesen zu sein, als diese Mitte 2005 ihre nationale „Night of the Comet“ erlebten – wie das Ereignis in den USA tatsächlich genannt wurde.
Der erste von 12.000 Staubaufschlägen wurde 122 Minuten vor der größten Annäherung verzeichnet. Als Giotto sich bis auf rund 2.000 km annäherte und einen vom Kometenkern wegströmenden Materialstrahl durchquerte, bei dem sich die Häufigkeit der Staubaufschläge stark erhöhte, wurden weitere Bilder zur Erde übertragen.
Dabei bewegte sich die Raumsonde mit einer Geschwindigkeit von 68 km pro Sekunde in Relation zum Kometen fort. 7,6 Sekunden vor Erreichen des geringsten Abstands geriet Giotto durch den Aufprall eines ‚großen‘ (ein Gramm) Teilchens ins Trudeln. Der Kontakt zur Erde ging kurzzeitig verloren und die Bildschirme im ESOC blieben leer. Das Fernsehpublikum und besorgte Giotto-Teammitglieder rechneten mit dem Schlimmsten, aber zum allseitigen Erstaunen trafen plötzlich wieder Bruchstücke von Informationen ein. Giotto hatte überlebt.
Innerhalb von 32 Minuten stabilisierten die Triebwerke der standhaften Raumsonde ihre Bewegung, und der Kontakt wurde wiederhergestellt. In der Zwischenzeit hatte sich Giotto dem Kometenkern bis auf 596 km angenähert und befand sich bereits wieder auf dem Weg in den interplanetaren Raum.
Der erstaunlich robuste, kleine Raumflugkörper lieferte für weitere 24 Stunden wissenschaftliche Daten von seiner Reise. Der letzte Staubaufschlag wurde 49 Minuten nach der größten Annäherung erfasst. Diese historische Begegnung endete am 15. März, als die Experimente an Bord von Giotto abgeschaltet wurden.