Im galaktischen Exil

Kürzlich wurden zwei Sterne entdeckt, die ausgestoßen von ihrer Galaxie in den Ozean des intergalaktischen Weltalls driften. Diese Sterne stammen von einem binären Sternensystem und werden nahe eines Schwarzen Loches auf Hyper-Geschwindigkeit beschleunigt.

Ein Beitrag von Andreas Tramposch. Quelle: CfA.

„Diese beiden Sterne werden sprichwörtlich verbannt,“ sagt Warren Brown, Astronom am Harvard-Smithsonian Center für Astrophysik. „Sie wurden von ihrer Heimatgalaxie ausgestoßen und driften nun im Ozean des intergalaktischen Weltalls.“ Bei einer Geschwindigkeit von 2 Millionen Kilometer pro Stunde (555,55 Kilometer pro Sekunde) sind diese Sterne so schnell, dass sie nie wieder zurückkehren werden. Brown und seine Kollegen haben 2005 den ersten stellar verbannten Stern beobachtet. Europäische Wissenschaftler haben zwei weitere intergalaktische Sterne entdeckt, wobei einer davon von unserer benachbarten Galaxie – bekannt als die Große Magellanische Wolke – stammen könnte. Mit der letzten Entdeckung ist die Anzahl der Sterne, welche die Galaxie verlassen haben, auf fünf gestiegen. „Diese Sternen formen eine neue Klasse astronomischer Objekte- von der Galaxie verbannte Sterne,“ sagt Brown. Astronomen erwarten, dass um die 1.000 verbannten Sterne in unserer Galaxie existieren. Verglichen mit 100 Milliarden Sternen, die in der Milchstraße existieren, dürfte sich die Suche nach den verbannten Sternen schwieriger als die Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen gestalten. „Die Entdeckung der beiden neuen verbannten Sterne war weder Glück noch Zufall,“ sagt Margaret Geller, Astronomin am Smithonian Observatorium. „Wir machten eine gezielte Suche um diese Sterne zu finden. Durch das Verständnis ihres Ursprunges wussten, wir wo wir suchen mussten.“

SDSS Collaboration
Dieses Foto zeigt einen der kürzlich entdeckten hyperschnellen Sterne. Mit einer Geschwindigkeit von 2 Millionen Kilometer pro Stunde (555,55 Kilometer pro Sekunde) und 240.000 Lichtjahre von unserer Erde entfernt verlässt der Stern die Galaxie.
(Bild: SDSS Collaboration)

Der Theorie mancher Wissenschaftler zufolge, wurden diese verbannten Sterne vor Millionen von Jahren aus dem galaktischen Zentrum ausgestoßen. Jeder dieser Sterne war einmal ein Teil eines binären Sternensystems (zwei Sterne befinden sich so nahe nebeneinander, dass sie sich durch die Gravitationskräfte gegenseitig beeinflussen). Wenn sich dieses Sternenpaar zu nahe einem Schwarzen Loch in der Galaxiemitte nähert, wird aufgrund der gewaltigen Anziehungskraft des Schwarzen Loches das Sternenpaar getrennt, wobei ein Stern vom Schwarzen Loch eingefangen wird und der andere Stern mit enormer Geschwindigkeit fliehen kann. Die zwei kürzlich entdeckten Sterne haben jeweils die vierfache Masse unserer Sonne. Viele ähnliche Sterne existieren im galaktischen Zentrum, was die Theorie wie verbannte Sterne entstehen, unterstützt.

Bei detaillierten Studien des Zentrums der Milchstraße konnte festgestellt werden, dass Sterne ein Schwarzes Loch in einem sehr gestreckten, elliptischen Orbit umkreisen – jener Sorte von Orbits, die erwartet werden würden, wenn ein ehemaliger Weggefährte mit Hypergeschwindigkeit fliehen würde.

„Computermodelle haben gezeigt, dass hyperschnelle Sterne auf natürlichem Weg in der Nähe des galaktischen Zentrums entstehen,“ sagt Avi Loeb, Astronom am Harvard-Smithsonian Center für Astrophysik. „Wir wissen, dass binäre Sternensysteme existieren. Wir wissen, dass das galaktische Zentrum ein massenreiches Schwarzes Loch beinhaltet. So ist es verständlich, dass verbannte Sterne aus binären Sternenpaaren entstehen, die sich zu nahe einem Schwarzen Loch nähern.“ Astronomen glauben, dass im Durchschnitt alle 100.000 Jahre ein Stern von einer Galaxie ausgestoßen wird. So sind die Chancen so ein Spektakel mitzuerleben sehr gering.

Um die extremen Bedingungen im Zentrum der Galaxie zu verstehen und wie diese Extreme zur Entstehung von hyperschnellen Sternen beitragen, muss die Jagd auf mehr Exemplare intergalaktischer Sterne fortgesetzt werden. Hyperschnelle Sterne offenbaren eine einzigartige Eigenschaft galaktischer Strukturen. Während ihrer Lebenszeit reisen diese Sterne durch die Galaxie, bis sie die Galaxie verlassen. Falls man die genauere Bewegung dieser Sterne messen könnte, könnte man mehr über die Form der Milchstraße und dem Weg, wie die mysteriöse dunkle Materie verteilt wird, lernen.

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