Lokalisierung einer wiederkehrenden Quelle von Radiostrahlungsausbrüchen in der nahen Galaxie M81. Eine Pressemeldung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie, Bonn.
Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie.
23. Februar 2022 – Astronomen wurden überrascht von einer Quelle mysteriöser Radiostrahlungsausbrüche am Himmel, so genannter schneller Radiobursts, im bisher geringsten Abstand von der Erde. Präzisionsmessungen mit Radioteleskopen haben ergeben, dass die Ausbrüche in einem Kugelsternhaufen, einem System alter Sterne, entstanden sind, und zwar auf eine Weise, die niemand so erwartet hatte. Der Ursprung in der nahen Spiralgalaxie M 81 stellt die der Erde nächstgelegene Quelle von Radioblitzen dar.
Die Ergebnisse eines internationalen Teams von Wissenschaftlern, darunter Ramesh Karuppusamy und Uwe Bach vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, werden diese Woche in zwei Veröffentlichungen in den Fachzeitschriften „Nature“ und „Nature Astronomy“ präsentiert.
Schnelle Radiostrahlungsausbrüche (Fast Radio Bursts oder FRBs) sind unvorhersehbare, extrem kurzzeitige Lichtblitze aus dem All. Seit ihrer Entdeckung im Jahr 2007 bemühen sich Astronomen, sie zu verstehen. Bislang wurden sie nur mit Radioteleskopen im Radiobereich des Spektrums gefunden.
Jeder dieser Radiostrahlungsausbrüche dauert nur rund ein Tausendstel einer Sekunde. Dennoch sendet jeder Blitz so viel Energie aus, wie die Sonne an einem ganzen Tag abstrahlt. Jeden Tag werden mehrere hundert dieser Radioblitze gezündet, und sie wurden bereits überall am Himmel beobachtet. Die meisten befinden sich in großer Entfernung von der Erde, in Galaxien, die Milliarden von Lichtjahren entfernt sind.
In zwei Artikeln, die diese Woche parallel in den Fachzeitschriften Nature und Nature Astronomy veröffentlicht werden, stellt ein internationales Team von Astronomen Beobachtungen vor, die die Wissenschaftler einen Schritt näher an die Lösung des Rätsels bringen – und gleichzeitig neue Rätsel aufwerfen. Das Team wird gemeinsam von Franz Kirsten (Chalmers-Universität, Schweden, und ASTRON, Niederlande) und Kenzie Nimmo (ASTRON und Universität Amsterdam) geleitet.
Die Wissenschaftler nahmen sich vor, hochpräzise Messungen einer Quelle von sich wiederholenden Blitzen durchzuführen, die im Januar 2020 im Sternbild Ursa Major, dem Großen Bären, entdeckt wurde.
„Wir wollten nach Hinweisen auf die Ursprünge der Ausbrüche suchen. Wenn wir viele Radioteleskope im Verbund benutzen, können wir den Ort der Quelle am Himmel mit äußerster Präzision bestimmen. Das gibt uns die Möglichkeit festzustellen, wie die lokale Umgebung eines schnellen Radiostrahlungsausbruchs aussieht“, sagt Franz Kirsten.
Nahe, aber überraschende Position
Bei der Analyse ihrer Messungen entdeckten die Astronomen, dass die wiederholten Radioblitze von einer Stelle ausgingen, die niemand so erwartet hatte.
Sie verfolgten die Ausbrüche bis in die Außenbezirke der nahe gelegenen Spiralgalaxie Messier 81 (M 81), die etwa 12 Millionen Lichtjahre entfernt ist. Damit stellt diese Entdeckung die bisher nächstgelegene Quelle für schnelle Radiostrahlungsausbrüche dar.
Es gab noch eine weitere Überraschung. Die Position stimmte genau mit einem Kugelsternhaufen überein, einer dichten Ansammlung von sehr alten Sternen.
„Es ist erstaunlich, schnelle Radiostrahlungsausbrüche in einem Kugelsternhaufen zu finden. Dies ist ein Ort im Weltraum, an dem man nur alte Sterne findet. Weiter draußen im Universum hat man solche Ausbrüche an Orten gefunden, an denen die Sterne viel jünger sind“, sagt Kenzie Nimmo.
„Die Ähnlichkeit des Ausbruchs mit der Emission einiger Pulsare in unserer Galaxie bringt uns zwar auf vertrautes Terrain, macht aber auch deutlich, dass die Vorläufer des Strahlungsausbruchs sehr unterschiedlich sein können. Dies ist sicherlich ein Anreiz für die Lokalisierung und Charakterisierung weiterer solcher Radiobursts“, fügt Ramesh Karuppusamy (Max-Planck-Institut für Radioastronomie, MPIfR), ein Mitautor der Studie, hinzu.
Viele schnelle Radiostrahlungsausbrüche wurden in der Umgebung von jungen, massereichen Sternen gefunden, die viel größer als die Sonne sind. An diesen Orten kommt es häufig zu Sternexplosionen, die stark magnetisierte Überreste hinterlassen.
Eine Reihe von Wissenschaftlern sind zu der Überzeugung gelangt, dass schnelle Radiobursts in Objekten entstehen können, die als Magnetare bekannt sind. Magnetare sind extrem dichte Überreste explodierter Sterne, die die stärksten bekannten Magnete im Universum darstellen.
„Wir erwarten, dass Magnetare strahlende und junge Objekte sind und definitiv nicht aus einer Umgebung von alten Sternen kommen. Wenn das, was wir hier sehen, also wirklich ein Magnetar ist, dann kann er nicht durch die Explosion eines jungen Sterns entstanden sein. Es muss einen anderen Weg geben“, sagt Jason Hessels (Universität Amsterdam und ASTRON), ein weiteres Mitglied des Forscherteams.
Die Wissenschaftler glauben, dass es sich bei der Quelle der Radioblitze um etwas handelt, das zwar vorhergesagt, aber bisher noch nie gesehen wurde: ein Magnetar, der sich bildete, als ein Weißer Zwerg genügend Masse angesammelt hatte, um unter seinem eigenen Gewicht zu kollabieren.
„Im Laufe des mehrere Milliarden Jahre dauernden Lebens eines engen Sternhaufens geschehen seltsame Dinge. Wir glauben, dass wir hier einen Stern mit einer ungewöhnlichen Geschichte sehen“, sagt Franz Kirsten.
Gewöhnliche Sterne wie die Sonne werden mit der Zeit alt und verwandeln sich in kleine, dichte, helle Objekte, die man Weiße Zwerge nennt. Viele Sterne im Sternhaufen leben in Doppelsternsystemen zusammen. Von den Zehntausenden von Sternen im Haufen kommen sich einige wenige so nahe, dass ein Stern Material vom anderen aufsammelt.
„Das kann zu einem Szenario führen, das mit dem Fachbegriff „akkretionsinduzierter Kollaps“ bezeichnet wird“, erklärt Kirsten.
„Wenn einer der Weißen Zwerge genug zusätzliche Masse von seinem Begleiter aufnimmt, kann er sich in einen noch dichteren Stern, einen so genannten Neutronenstern, verwandeln. Das ist ein seltenes Ereignis, aber in einem Haufen alter Sterne wäre es der einfachste Weg, um schnelle Radiostrahlungsausbrüche zu erzeugen“, sagt Teammitglied Mohit Bhardwaj von der McGill-Universität in Kanada.
Der schnellste aller Zeiten
Auf der Suche nach weiteren Hinweisen, indem sie ihr Datenvolumen vergrößerten, fanden die Astronomen eine weitere Überraschung: einige der Blitze waren sogar kürzer, als sie erwartet hatten.
„Die Radioblitze veränderten ihre Helligkeit innerhalb von nur ein paar Dutzend Nanosekunden. Das sagt uns, dass sie aus einem winzigen Volumen im Weltraum kommen müssen, kleiner als ein Fußballfeld und vielleicht nur einige Dutzend Meter groß“, sagt Kenzie Nimmo.
Ähnlich ultrakurze Signale wurden auch von einem der berühmtesten Objekte am Himmel, dem Pulsar im Krebsnebel, beobachtet. Dabei handelt es sich um einen winzigen, dichten Überrest einer Supernova-Explosion, die 1054 n. Chr. von der Erde aus im Sternbild Stier (Taurus) beobachtet wurde. Sowohl Magnetare als auch Pulsare sind verschiedene Arten von Neutronensternen und damit extrem dichte Objekte mit der Masse der Sonne in einem Volumen von der Größe einer Stadt, die starke Magnetfelder aufweisen.
„Einige der Signale, die wir gemessen haben, sind kurz und extrem stark, genau wie einige Signale des Krebs-Pulsars. Das deutet darauf hin, dass wir tatsächlich einen Magnetar sehen, allerdings an einem Ort, an dem bisher noch keine Magnetare gefunden wurden“, sagt Kenzie Nimmo.
Künftige Beobachtungen dieses und anderer Systeme werden dabei helfen, herauszufinden, ob es sich bei der Quelle tatsächlich um einen ungewöhnlichen Magnetar handelt oder um etwas anderes, wie einen Pulsar mit ungewöhnlichen Eigenschaften oder ein schwarzes Loch und einen dichten Stern in einer engen Umlaufbahn.
„Diese schnellen Radiostrahlungsausbrüche scheinen uns neue und unerwartete Einblicke in das Leben und Sterben von Sternen zu geben. Wenn das stimmt, könnten sie uns, ähnlich wie Supernovae, etwas über Sterne und ihr Leben sagen, das für das gesamten Universum gilt“, sagt Franz Kirsten.
Weitere Informationen
Um die Quelle mit der höchstmöglichen Auflösung und Empfindlichkeit zu untersuchen, verbanden die Wissenschaftler Teleskopmessungen im Rahmen des Europäischen VLBI-Netzwerks (EVN). Durch die Kombination der Daten von 12 Parabolantennen, die über die halbe Welt verteilt sind (Schweden, Lettland, Niederlande, Russland, Deutschland, Polen, Italien und China), konnten sie genau lokalisieren, wo am Himmel der Radiostrahlungsausbruch seinen Ursprung hat.
Das 100-m-Radioteleskop des MPIfR, das empfindlichste Einzelteleskop in Europa, wurde in zweifacher Hinsicht genutzt: zum einen im Rahmen des EVN-Netzwerks, zum anderen lieferte es mit dem PSRIX-Datenaufzeichnungssystem Pulsardaten mit hoher Zeitauflösung.
„Ich freue mich immer, wenn Daten aus Effelsberg zu einem so tollen Ergebnis beitragen können. Gerade bei VLBI-Beobachtungen von schwachen Signalen kann die Beteiligung unseres 100-m-Teleskops entscheidend sein“, sagt Uwe Bach vom MPIfR, Mitautor und zuständiger VLBI-Experte am Radio-Observatorium Effelsberg.
Die EVN-Messungen wurden durch Daten von mehreren anderen Radioteleskopen ergänzt, darunter das Karl G. Jansky Very Large Array (VLA) in New Mexico, USA.
Publikationen
A repeating fast radio burst source in a globular cluster
F. Kirsten et al., Nature, 2022.
DOI: 10.1038/s41586-021-04354-w
Burst timescales and luminosities link young pulsars and fast radio bursts
K. Nimmo et al., Nature Astronomy, 2022.
DOI: 10.1038/s41550-021-01569-9
Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum: