Dem neuen südkoreanische Raumfahrtträger KSLV-1 gelang es auch im zweiten Anlauf nicht, einen Satelliten auf eine Erdumlaufbahn zu bringen. Nach etwas über zwei Minuten Flug kam es in rund 70 Kilometern Höhe zur Zerstörung der Rakete.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: Chrunitschew, KARI, Korean Times, RIAN, Yonhap. Vertont von Peter Rittinger.
Südkoreas staatliches Luft- und Raumfahrtforschungsinstitut KARI arbeitet bei der Entwicklung der KSLV-1-Rakete eng mit dem russischen Raketen- und Satellitenhersteller Chrunitschew zusammen. Die erste, mit einem Flüssigkeitstriebwerk ausgestattete Stufe der KSLV-1 wird von Chrunitschew gebaut. Das Triebwerk dieser Stufe ist ebenfalls von russischer Herkunft. Der RD-151 genannte Motor ist eine schubreduzierte Variante des RD-191 von Energomasch, welcher in der ersten Stufe der in Entwicklung befindlichen russischen Angara-Rakete zum Einsatz kommen soll. Von der ersten Stufe der Angara wurde auch die Grundkonstruktion für die erste Stufe der KSLV-1 übernommen. Bei der zweiten Stufe der KSLV-1 handelt es sich um einen südkoreanischen Entwurf. Ihr Feststoffmotor und die Nutzlastverkleidung an der Spitze der Rakete kommen ebenfalls aus Südkorea.
Nachdem es im August 2009 beim Jungfernflug der KSLV-1 nicht gelungen war, einen STSat 2 genannten Forschungs- und Technologiesatelliten auf eine Bahn um die Erde zu bringen, setzten die Südkoreaner ihre Hoffnungen darauf, dass der zweite Flug einer KSLV-1 erfolgreich verlaufen und STSat 2b schließlich die Erde umkreisen würde. Wie sein beim ungeplanten Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zerstörter Vorgänger hatte STSat 2b eine Masse von rund 100 Kilogramm und sollte auf einer Bahn mit einem Perigäum, dem der Erde nächstliegende Bahnpunkt, von rund 300 Kilometern über der Erde, und einem Apogäum, dem von der Erde am weitesten entfernte Bahnpunkt bei rund 1.500 Kilometern über der Erde arbeiten.
Der Start der KSLV-1 mit STSat 2b an Bord erfolgte am 10. Juni 2010 um 10:01 Uhr MESZ von der an der Küste gelegenen Startanlage des Naro Space Center in Goheung. Nach einem ersten Schwenk weg von der Startanlage und der Küstenlinie steuerte die Rakete schließlich in südlicher Richtung, um ihre Mission ohne einen Überflug bewohnter Gebiete erfüllen zu können. In etwa sieben Kilometern Höhe durchbrach die Rakete die Schallmauer und folgte dann weiter der vorgegebenen Trajektorie. Nach offiziellen Angaben trat 137,19 Sekunden nach dem Start in rund 70 Kilometern Höhe ein Ereignis ein, das alle von der fliegenden Rakete ausgesendeten Signale unterbrach. Den Flug der Rakete verfolgende Kameras zeigten eine offensichtlich nicht geplante Abfolge von Zerlegevorgängen. Die Überreste von Rakete und Nutzlast fielen nach Angaben des KARI vor der Südküste der Insel Jeju ins Meer.
Die eigentliche Ursache für das Versagen der Rakete ist so kurz nach dem Vorfall nicht zu benennen. An Hand der Videobilder vom Flug des Projektils lässt sich sicher sagen, dass es sich in einzelne Bestandteile zerlegte, und dass vor und während dieses Vorgangs verschiedene Lichteffekte auftraten.
Alle weitergehenden Verlautbarungen, angefangen mit einer durch die Medien verbreiteten Aussage von Ahn Byung-man, südkoreanischer Minister für Wissenschaft und Bildung, Kamerabilder aus dem Inneren der Rakete würden für eine Explosion der ersten Stufe sprechen, dürften in das Reich der Spekulationen gehören.
Für eine Schuldzuweisung Richtung Russland ist es zu früh. Die koreanische Times (The Korea Times) berichtet, Ahn Byung-man habe trotzdem geäußert, die erste Stufe der Rakete sei explodiert, und dies falle unter russische Verantwortung. An gleicher Stelle meldet die koreanische Times auch, dass das RD-151-Triebwerk der Rakete laut Angaben informierter Quellen deutlich an Schub verloren habe, als die Rakete von ihrer Bahn abwich. Tak Min-jae vom südkoreanischen Institut für fortschrittliche Wissenschaft und Technik KAIST soll gesagt haben, es sei möglich, dass eine Turbopumpe versagt hat, welche zu große Treibstoffmengen in das Triebwerk förderte und so eine Explosion auslöste. Ein Triebwerksversagen ist angesichts des Beobachteten wahrscheinlicher als eine Explosion der gesamten ersten Raketenstufe.
Jetzt eine ausschließliche Verantwortung der südkoreanischen Seite zu behaupten ist ebenfalls unangemessen. Die russische Nachrichtenagentur RIAN berichtet, die KSLV-1 könnte nach Angaben aus der russischen Raumfahrtbranche wegen einer verfrühten Zündung der südkoreanischen zweiten Raketenstufe explodiert sein. Die Lichtblitze in den Bildern aus den Videoaufzeichnungen würden darauf hinweisen, sie könnten auch ein Anzeichen dafür sein, dass die Pyrotechnik zur Trennung der beiden Raketenstufen zu früh aktiviert wurde. Wäre der Feststoffmotor der zweiten Stufe tatsächlich zur Unzeit in Betrieb gesetzt worden, hätte sich dies möglicherweise gut beobachten lassen.
„Explosion to ignite Korea-Russia blame game“ als Überschrift eines Artikels in der koreanischen Times bringt es auf den Punkt: Die (vermeintliche) Explosion zündete ein südkoreanisch-russisches Schmierentheater. Den Entwicklern und Erbauern der Rakete ist zu wünschen, dass es ihnen gelingt, die KSLV-1 möglichst bald zur Einsatzreife zu bringen. Einen dritten Start soll es nach offiziellen Angaben aus Südkorea auf jeden Fall geben. Wann es soweit sein wird, ist offen.
Raumcon: