Flüssiges Wasser ist eine wichtige Voraussetzung, damit Leben auf einem Planeten entstehen kann. Wie Forschende der Universität Bern, der Universität Zürich und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS in einer neuen Studie berichten, könnte Wasser anders als bisher angenommen auch über Milliarden von Jahren auch auf Planeten existieren, die sich stark von der Erde unterscheiden. Dies stellt unsere bisherigen Vorstellungen von potenziell bewohnbaren Planeten in Frage. Eine Medienmitteilung der Universität Bern.
Quelle: Universität Bern 27. Juni 2022.
27. Juni 2022 – Das Leben auf der Erde begann in den Ozeanen. Bei der Suche nach Leben auf anderen Planeten ist daher das Potenzial für flüssiges Wasser eine wichtige Voraussetzung. Um es zu finden, haben Forschende traditionell nach Planeten gesucht, die unserem eigenen ähneln. Langfristig flüssiges Wasser muss aber nicht unbedingt unter ähnlichen Bedingungen wie auf der Erde vorkommen. Forschende der Universität Bern und der Universität Zürich, die Mitglieder des Nationalen Forschungsschwerpunkt PlanetS sind, berichten in einer in der Zeitschrift Nature Astronomy veröffentlichten Studie, dass günstige Bedingungen über Jahrmilliarden sogar auf Planeten herrschen könnten, die unserem Heimatplaneten kaum ähneln.
Urtümliche Treibhäuser
«Einer der Gründe, warum Wasser auf der Erde flüssig sein kann, ist die Atmosphäre», erklärt Studienmitautorin Ravit Helled, Professorin für Theoretische Astrophysik an der Universität Zürich und Mitglied des NFS PlanetS. «Mit ihrem natürlichen Treibhauseffekt fängt sie genau die richtige Menge an Wärme ein, um die notwendigen Bedingungen für Ozeane, Flüsse und Regen zu schaffen», so die Forscherin.
Die Erdatmosphäre war in ihrer Frühzeit jedoch ganz anders. «Als sich der Planet erstmals aus kosmischem Gas und Staub bildete, sammelte er eine Atmosphäre an, die hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium bestand – eine so genannte Uratmosphäre», erklärt Helled. Im Laufe ihrer Entwicklung verlor die Erde jedoch diese ursprüngliche Atmosphäre.
Andere, massereichere Planeten können viel größere Uratmosphären ansammeln, die sie in einigen Fällen erhalten können. «Solche massiven Uratmosphären können auch einen Treibhauseffekt hervorrufen – ähnlich wie die heutige Erdatmosphäre. Wir wollten deshalb herausfinden, ob diese Atmosphären die notwendigen Bedingungen für flüssiges Wasser schaffen können», sagt Helled.
Flüssiges Wasser für Milliarden von Jahren
Dazu modellierte das Team unzählige Planeten und simulierte deren Entwicklung über Milliarden von Jahren. Dabei berücksichtigten sie nicht nur die Eigenschaften der Planetenatmosphären, sondern auch die Intensität der Strahlung ihrer jeweiligen Sterne sowie die nach außen abstrahlende innere Wärme der Planeten. Während diese geothermische Wärme auf der Erde nur eine geringe Rolle für die Bedingungen an der Oberfläche spielt, kann sie auf Planeten mit massiven Uratmosphären einen substanziellen Beitrag dazu leisten.
«Wir haben herausgefunden, dass in vielen Fällen die ursprünglichen Atmosphären durch die intensive Strahlung der Sterne verloren gegangen sind – vor allem auf Planeten, die sich in der Nähe ihres Sterns befinden. Doch in den Fällen, in denen Atmosphären erhalten wurden, können Bedingungen entstehen, unter denen flüssiges Wasser existieren kann», berichtet Marit Mol Lous, Doktorandin und Hauptautorin der Studie. Laut der Forscherin der Universität Bern und der Universität Zürich sind «in Fällen, in denen genügend geothermische Wärme die Oberfläche erreicht, die intensive Strahlung von einem Stern wie der Sonne nicht einmal nötig, damit Bedingungen an der Oberfläche herrschen, die die Existenz von flüssigem Wasser erlauben»
«Am wichtigsten ist vielleicht, dass unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Bedingungen über sehr lange Zeiträume anhalten können – bis zu mehreren zehn Milliarden Jahren», betont die Forscherin, die auch Mitglied des NFS Planeten ist.
Horizont für die Suche nach außerirdischem Leben erweitern
«Für viele mag dies eine Überraschung sein. Die Astronomie erwartet normalerweise, dass flüssiges Wasser in Regionen um Sterne vorkommt, die genau die richtige Menge an Strahlung erhalten: nicht zu viel, damit das Wasser nicht verdampft, und nicht zu wenig, damit es nicht komplett gefriert», erklärt Studien-Mitautor Christoph Mordasini, Professor für Theoretische Astrophysik an der Universität Bern und Mitglied des NFS PlanetS.
«Da das Vorhandensein von flüssigem Wasser eine wahrscheinliche Voraussetzung für Leben ist und das Leben auf der Erde wahrscheinlich viele Millionen Jahre gebraucht hat, um sich zu entwickeln, könnte dies den Horizont für die Suche nach außerirdischen Lebensformen erheblich erweitern. Nach unseren Ergebnissen könnte es sich sogar auf sogenannten freischwebenden Planeten, die nicht um einen Stern kreisen, entwickeln», so Mordasini.
Dennoch bleibt der Forscher vorsichtig: «Unsere Ergebnisse sind zwar aufregend, sollten aber mit Vorsicht genossen werden. Denn damit solche Planeten langfristig flüssiges Wasser haben können, müssen sie die passende Atmosphäre haben. Wir wissen nicht, wie häufig dies der Fall ist.» Und selbst unter den richtigen Bedingungen wisse man nicht, wie wahrscheinlich es sei, dass sich Leben in einem solch exotischen potentiellen Habitat entwickle. «Das ist eine Frage für die Astrobiologie. Mit unserer Arbeit haben wir jedoch gezeigt, dass unsere erdzentrische Vorstellung von einem lebensfreundlichen Planeten möglicherweise zu eng gefasst ist», so Mordasini abschließend.
Publikation
Marit Mol Lous, Ravit Helled & Christoph Mordasini: Potential long-term habitable conditions on planets with primordial H-He atmospheres, Nature Astronomy, June 2022, DOI: 10.1038/s41550-022-01699-8.
https://www.nature.com/articles/s41550-022-01699-8
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