Letzte Daten aus dem Pluto-Charon-System

Die US-amerikanische Raumsonde New Horizons hat die letzten Daten, die sie während des Vorbeifluges an Pluto und Charon gesammelt hatte, zur Erde übertragen. Die Daten befanden sich seit Juli 2015 in digitalen Aufzeichnungsgeräten an Bord der Sonde. Während ihrer Beobachtungskampagnen im Pluto-Charon-System konnte die Sonde wegen der starr montierten Hauptantenne und der über den Sondenkörper verteilten Instrumente große Datenmengen nicht unmittelbar Richtung Erde schicken.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: NASA.

.Baugruppen und Komponenten von
New Horizons – Illustration
(Bilder: NASA Presskit)

Ein langer Weg zur Erde
Rund 5,5 Milliarden Kilometer legten die Daten auf ihrem Weg von der Sonde zu Erde zurück. Von New Horizons´ 2,1-m-Parabol-Hochgewinnantenne (High Gain Antenna, HGA) ausgestrahlt und mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs benötigten sie für die Strecke eine Zeit von rund fünf Stunden und acht Minuten.

Die letzten Datenpakete mit vom bildgebenden Instrument Ralph/LEISA gesammelten Informationen erreichten das Johns Hopkins Labor für angewandte Physik (Applied Physics Laboratory, APL) in Laurel im US-amerikanischen Bundesstaat Maryland um 11:48 Uhr MESZ am 25. Oktober 2016. Als Empfangsantenne für die Daten vom Infrarotspektrometer LEISA (Linear Etalon Imaging Spectral Array) kam eine des US-amerikanischen Tiefraumnetzwerks (Deep Speace Network, DSN) bei Canberra in Australien zum Einsatz.

Baugruppen und Komponenten von New Horizons - Illustration
(Bilder: NASA Presskit)

Aus dem Pluto-Charon-System gelangten damit zum jetzigen Zeitpunkt insgesamt über 50 Gigabyte Informationen zur Erde. Sie wurden von New Horizons in einem Zeitraum von rund 15 Monaten zur Erde übertragen. Zu über 400 verschiedenen wissenschaftlichen Fragestellungen wurden Daten erfasst, die es jetzt auszuwerten gilt. Die Daten dürften in jeder Hinsicht einzigartig sein, insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass heute überhaupt nicht abzusehen ist, wann wieder ein von der Erde geschicktes Raumfahrzeug im Pluto-Charon-System arbeiten wird.

Antennen des DSN bei Canberra, Australien
(Bild: NASA)
Antennen des DSN bei Canberra, Australien
(Bild: NASA)

Das Wichtigste zuerst
Wegen der hohen Vorbeifluggeschwindigkeit am Pluto-Charon-System, und weil man nur einen Versuch hatte, wurde New Horizons darauf programmiert, in kurzer Zeit so viel Daten aufzuzeichnen wie möglich. Dabei entstand eine Datenmenge, von der man annehmen musste, dass sie mehr als das einhundertfache der Menge betragen würde, die sich vor einem Weiterflug übertragen lassen würde.

Es war Aufgabe der Sonde, die mit der höchsten Priorität zu behandelnden Daten auszuwählen und zügig vor und sehr bald nach der größten Annäherung an das Pluto-Charon-System Richtung Erde auszustrahlen. Mit der Übertragung der verbliebenen – größeren – Restdatenmenge begann New Horizons im September 2015. Alice Bowman (Mission Operations Manager, MOM) vom Missionsbetrieb beim APL freut sich offensichtlich sehr über das erzielte Ergebnis. Sie wird von der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur (NASA) mit folgenden Worten zitiert: „Wir haben unseren Topf voll Gold“. New Horizons hat seine Primärmission erfolgreich absolviert!

Bereits ausgewertete Daten sorgten bereits für interessante Erkenntnisse: In der außerordentlich dünnen Atmosphäre von Pluto könnte es Wolken geben. Möglicherweise handelt es sich bei dem gesichteten Phänomen aber auch um einen Art Nebel – oder etwas ganz anderes. Gleichzeitig sind die Verluste von Plutos Atmosphäre um den Faktor von etwa 100 geringer als vor dem Einsatz von New Horizons erwartet.

Geologische, wahrscheinlich auf Konvektion zurückgehende Aktivität sorgt für Veränderung in der Oberflächengestalt von Pluto. Dabei steigt Material von unten an die Oberfläche des Kleinplaneten. Ein riesiges annähernd herzförmiges Gebiet an der Oberfläche Plutos ist möglicherweise Folge solcher Aktivität.

Charon
(Bild: NASA / JHU APL / SwRI)
Charon
(Bild: NASA / JHU APL / SwRI)

Auf Plutos Begleiter Charon wurde in einem Canyon ein Phänomen beobachtet, bei dem es sich um alte Hangrutschungen handeln könnte. Auf Pluto fand man bisher keine Anzeichen für vergleichbare Hangrutschungen. Beide Himmelskörper kreisen um ein gemeinsames Baryzentrum. Methan aus Plutos Atmosphäre wird von Charon gravitationsbedingt eingefangen. In Charons Polregionen entsteht durch die Bestrahlung von Methaneis mit Sonnenlicht bzw. dessen UV-Anteil Tholin, welches auf Charon rötlich erscheinende Flächen hervorruft. Diese Flächen werden sichtbar, weil tauendes Methan sich nach einem über einhundert Jahre dauernden Winter nicht dauerhaft an der Oberfläche halten kann, die schweren Tholin-Moleküle aber schon.

Es gibt noch viel zu entdecken
Bevor die beiden digitalen, jeweils rund acht Gigabyte fassenden Datenaufzeichnungsgeräte an Bord von New Horizons vor der Speicherung neuer Daten gelöscht werden, wird man sie auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüfen. Die nächste Beobachtungsaufgabe für New Horizons steht bereits fest – und ist rund 1,6 Milliarden Kilometer entfernt von Plutos Orbit um die Sonne. Am 1. Januar 2019 soll New Horizons einen kleinen, 2014 MU69 genannten, am 28. Juni 2014 im Rahmen der Suche nach einem geeigneten Ziel entdeckten Himmelskörper im Kuipergürtel in nur rund 3.000 Kilometern Abstand passieren (der geringste Abstand zwischen Pluto und der Sonde betrug etwa 12.500 Kilometer).

Beim Vorbeiflug an 2014 MU69 mit einem vermuteten Durchmesser zwischen 20 und 40 Kilometern will man im Rahmen der KEM für Kuiper Belt Extended Mission genannten Missionserweiterung Daten sammeln. Das Objekt könnte Überbleibsel der sogenannten primordialen Staub- und Gasscheibe sein, aus der sich unser Sonnensystem vor etwa 4,55 Milliarden Jahren gebildet hat. Dafür sprechen teleskopische Beobachtungen im Bereich des (für den Menschen) sichtbaren Lichts. Die Masse von 2014 MU69 liegt nach aktuellen Abschätzungen im Bereich des tausendfachen des Kometen 67P / Tschurjumow-Gerassimenko – etwa einem Zehntausendstel der Masse Plutos.

Im sogenannten Kuipergürtel gibt es nach aktuellem Forschungsstand vermutlich einige 100.000 Objekte, die sich im Sonnensystem außerhalb der Neptunbahn in Entfernungen zwischen 30 bis 50 Astronomischen Einheiten bewegen (eine Astronomische Einheit (AE) ist der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne, rund 149,6 Millionen Kilometer). Die Objekte werden daher als Kuiper-Belt-Objects (KBOs) bezeichnet.

New Horizons Kurs Richtung 2014 MU69 - Illustration
(Bild: NASA / JHU APL / SwRI)
New Horizons Kurs Richtung 2014 MU69
– Illustration
(Bild: NASA / JHU APL / SwRI)

Kurs gesetzt, Mission genehmigt
Zunächst bis 2021 ist der Betrieb von New Horizons finanziert. Ende Juni 2016 hatte die NASA grünes Licht für die Missionserweiterung bekommen. Notwendige Anpassungen ihrer Flugbahn hatte New Horizons bereits vorher abgeschlossen. Im Oktober 2015 begannen die Manöver, die die Sonde schließlich im November 2015 auf Kurs Richtung 2014 MU69 brachten. Die entsprechenden Triebwerkseinsätze erfolgten am 22., 25. und 28. Oktober 2015 sowie am 4. November 2015 und sorgten zusammen für eine Geschwindigkeitsänderung um rund 206 Kilometer pro Stunde.

Wenn beim Flug Richtung 2014 MU69 alles gut geht, und New Horizons dann wie bisher betriebsfähig ist, könnte Ende September 2018 eine 100 Tage dauernde Phase wissenschaftlicher Untersuchungen des KBOs beginnen, die bis in die erste Januarwoche 2019 andauern soll. Die Übertragung der dabei erfassten Daten zur Erde wird voraussichtlich rund 20 Monate dauern und Ende des Jahres 2020 abgeschlossen werden.

Alan Stern, Leiter der New-Horizons-Forschungsgruppe am US-amerikanischen Southwest Research Institute (SwRI) in Boulder im Bundesstaat Colorado, hatte mitgeteilt, dass man New Horizons im Dezember 2016 abschalten werde, wenn die Missionserweiterung nicht genehmigt werden würde. Dazu aber wird es zur Freude der Wissenschaftler und einer interessierten Öffentlichkeit jedoch so bald nicht kommen. Blicken wir gespannt nach vorne und freuen wir uns auf Daten aus dem Kuipergürtel!

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