Mars: Curiositys Cruise Stage wurde entdeckt

Auf kürzlich angefertigten Aufnahmen des Marsorbiters Mars Reconnaissance Orbiter konnten Wissenschaftler der NASA die Überreste der Cruise Stage identifizieren, mit deren Hilfe der Rover Curiosity zum Mars gelangte. Die Untersuchung der dabei entstandenen, lediglich wenige Meter durchmessenden Impaktstrukturen liefert neue Erkenntnisse über die Meteoriten, welche für die Entstehung neuer Krater auf dem Mars verantwortlich sind.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: University of Arizona, JPL.

NASA, JPL-Caltech, University of Arizona
Auf diesen beiden Bildern, angefertigt vom Mars Reconnaissance Orbiter der NASA, sind diverse neu entstandene Impaktstrukturen auf der Marsoberfläche zu erkennen. Verursacht wurden sie durch den Einschlag von zwei Wolframgewichten und der zerbrochenen Cruise Stage des Marsrovers Curiosity. Die Aufnahmen wurden am 22. Oktober 2012 gegen 15:38 lokaler Marszeit angefertigt. Aus einer Überflughöhe von 266 Kilometern wurde hierbei eine Auflösung von 26,6 Zentimetern pro Pixel erreicht.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona)

Auf seinem 567 Millionen Kilometer weiten Weg bis zum Erreichen unseres äußeren Nachbarplaneten wurde der von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Marsrover Curiosity durch ein etwa vier Meter durchmessendes Flugmodul (engl. “Cruise Stage”) gesteuert. Exakt 10 Minuten vor dem Erreichen des Eintrittspunktes in die Marsatmosphäre – dieser ist allgemein an einer Position definiert, welche sich 3.522,2 Kilometer vom Zentrum des Marsinneren entfernt befindet – wurde die Cruise Stage durch die Zündung von 10 Pyroladungen von der eigentlichen Eintrittskapsel des Rovers abgetrennt. Nach weiteren rund fünf Minuten wurden zwecks Verlagerung und Stabilisierung des Schwerpunktes der Abstiegskapsel zwei aus Wolfram bestehende Gewichte mit einer Masse von jeweils 75 Kilogramm abgeworfen, welche den Schwerpunkt der Raumsonde während des bisherigen Flugverlaufes auf der Rotationsachse stabilisiert hatten.

In den Wochen nach der erfolgreichen Landung des Rovers auf dem Mars, welche in den frühen Morgenstunden des 6. August 2012 erfolgte, wurden zwei Kameras des ebenfalls von der NASA betriebenen Marsorbiters Mars Reconnaissance Orbiter (kurz “MRO”) dazu genutzt, um das vorausberechnete Einschlagsgebiet dieser beiden Wolframgewichte abzubilden.

Der Mars Reconnaissance Orbiter umkreist den Mars bereits seit dem März 2006 und liefert dabei fast täglich neue, faszinierende Detailaufnahmen von der Oberfläche unseres Nachbarplaneten. Die Hauptkamera an Bord des MRO, die von der University of Arizona betriebene HiRISE-Kamera, erreicht mit ihren Aufnahmen eine Auflösung der Planetenoberfläche von bis zu 25 Zentimetern pro Pixel. Durch die Auswertung der Bilder ist es den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern unter anderem möglich, kürzlich erfolgte Veränderungen auf der Marsoberfläche zu beobachten und näher zu untersuchen.

NASA, JPL-Caltech, University of Arizona
Die beiden Wolframgewichte, welche bei der Landung des Rovers Curiosity freigesetzt wurden, schlugen etwa 80 Kilometer westlich des Landeortes des Rovers auf der Marsoberfläche ein.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona)

Aufgrund ihrer hohen Auflösung kann die HiRISE-Kamera jedoch pro Bild immer nur einen relativ kleinen Ausschnitt der Marsoberfläche abbilden. Um diesen Nachteil auszugleichen, verfügt der Orbiter zusätzlich über eine weitere Kamera, welche die gleiche Region in einer niedrigeren Auflösung, dabei aber mit einem größeren Gesichtsfeld abbildet. Diese Context Camera (kurz “CTX”) erreicht bei ihren Aufnahmen eine Auflösung von etwa sechs Metern pro Pixel. Aus einer Überflughöhe von 400 Kilometern deckt die CTX dabei ein Gebiet mit einer Ausdehnung von 30 Kilometern ab.

Auf den zuerst angefertigten Aufnahmen der CTX-Kamera konnten die für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler statt der eigentlich erwarteten zwei Einschlagsstellen allerdings gleich vier zuvor nicht auf der Marsoberfläche beobachtete Impaktformationen nachweisen. Auf den anschließend mit der HiRISE-Kamera angefertigten Aufnahmen, welche diese Region in einer nochmals besseren Auflösung darstellte, konnten zusätzlich noch weitere, allerdings kleiner ausfallende Einschlagsstellen entdeckt werden.

Der gesamte Einschlagsbereich verfügt über eine Ausdehnung von rund 12 Kilometern und befindet sich etwa 80 Kilometer westlich der Landestelle des Rovers Curiosity. Es wird als äußerst unwahrscheinlich angesehen, dass die beiden massiven Wolframgewichte während der Durchquerens der Marsatmosphäre in mehrere Teile zerbrochen sind. Die wahrscheinlichste Erklärung für dieses offensichtlich erst kürzlich entstandene Impaktfeld, so die Wissenschaftler, besteht darin, dass neben den Wolframgewichten auch die Überreste der Cruise Stage in diesem Bereich der Marsoberfläche aufschlugen.
Die beiden größeren Einschlagsstellen weisen Durchmesser von etwa drei bis fünf Metern auf. Dies entspricht den angenommenen Kraterabmessungen, welche beim Einschlag der Wolframgewichte entstehen sollten. Die beiden kleineren Krater zeigen im Gegensatz zu diesen größeren Kratern eine asymmetrische Verteilung der bei den Einschlägen gebildeten Ejektadecke. Hierbei handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um die Überreste der Cruise Stage, welche beim Durchdringen der Marsatmosphäre in zwei größere und mehrere kleine Teile zerbrochen ist.

Bei den zusätzlich durch die HiRISE-Kamera nachgewiesenen kleineren Einschlagsstellen dürfte es sich um Sekundärauswirkungen der vier größeren Krater handeln (bei den Impaktereignissen wurden kompaktere Brocken von Oberflächenmaterial in die Höhe geschleudert und gingen dann erneut in der unmittelbaren Umgebung auf der Marsoberfläche nieder). Alternativ wurden hier eventuell auch Stellen dokumentiert, an denen die kleineren Trümmerstücke der Cruise Stage die Planetenoberfläche erreichten.

Welcher Nutzen ergibt sich aus der Beobachtung?
Aufgrund seiner Nähe zum Hauptasteroidengürtel unseres Sonnensystems und seiner relativ dünnen Atmosphäre wird die Oberfläche des Mars permanent von Meteoriten getroffen. Pro Jahr entdeckt die HiRISE-Kamera an Bord des Marsorbiters Mars Reconnaissance Orbiter etwa 50 neu entstandene Impaktkrater. Da die Kamera nicht die gesamte Oberfläche in regelmäßigen Abständen abbilden kann, dürfte die reale Impaktrate auf unserem Nachbarplaneten jedoch noch höher ausfallen. Allerdings ist es den Marsforschern bisher noch nie gelungen, ein solches Impaktereignis erfolgreich vorherzusagen oder sogar direkt zu beobachten.

NASA, JPL-Caltech, University of Arizona
In dieser Aufnahme der HiRISE-Kanera wird eine Kratergruppe auf der Marsoberfläche dokumentiert, welche sich irgendwann zwischen dem Mai 2003 und dem September 2007 gebildet hat. Aus welchen Materialien haben sich die dafür verantwortlichen Meteoriten zusammengesetzt? Mit welcher Geschwindigkeit und in welchem Winkel sind sie auf der Planetenoberfläche aufgeschlagen?
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona)

Obwohl somit in den vergangenen Jahren mehrere Hundert neue Einschlagsstellen auf dem Mars dokumentiert werden konnten, war es den Wissenschaftlern aufgrund der fehlenden Grunddaten nicht möglich, Aussagen über die Objekte zu tätigen, welche für die Entstehung der neuen Krater auf dem Mars verantwortlich sind. Welche Größe, welche Zusammensetzung und Geschwindigkeit muss ein Meteorit auf dem Mars aufweisen, um einen bestimmten Krater (Durchmesser, Tiefe, Form) zu erzeugen? Welche Bedingungen haben zur Folge, dass ein in die Marsatmosphäre eintretender Meteorit zerbricht und auf der Planetenoberfläche ein Kraterfeld erzeugt?

Durch die kürzlich dokumentierten Einschlagsorte der Wolframgewichte und der Überreste der Cruise Stage stehen jetzt erstmals Daten zur Verfügung, mit denen diese Fragen beantwortet werden können, da sowohl das ursprüngliche Gewicht, die Zusammensetzung, die Eintrittsgeschwindigkeit und der Aufprallwinkel der verursachenden Komponenten ausreichend bekannt sind.

Durch einen Abgleich der jetzt neu entstandenen und sozusagen “künstlich erzeugten” Krater auf dem Mars mit den zuvor beobachteten natürlichen Impaktstrukturen lassen sich somit auch Aussagen über die Objekte tätigen, welche für deren Entstehung verantwortlich sind. Diese Daten können dann zum Beispiel mit den Untersuchungsergebnissen ergänzt werden, welche bisher durch die verschiedenen Rovermissionen auf der Marsoberfläche gewonnen werden konnten. Speziell der Marsrover Opportunity hat seit dem Jahr 2008 auf seinem Weg zum Endeavour-Krater diverse kleine, lediglich wenige Meter durchmessende Impaktstrukturen näher untersucht.

“Das Interessante an diesem “Krater-Hopping” ist, dass all diese kleinen Krater nicht zum selben Zeitpunkt entstanden sind”, so Steve Squyres, der Chefwissenschaftler der Mars Exploration Rover-Mission von der Cornell University in Ithaca/USA. “Einige Krater sind jünger, andere wiederum deutlich älter. Wir wollen lernen und verstehen, wie schnell und auf welche Weise solche kleinen Krater erodieren und dabei wieder von der Marsoberfläche verschwinden. Das Anfertigen von Fotoaufnahmen von Kratern in einer vergleichbaren Größenordnung [durch die auf der Marsoberfläche operierenden Rover], welche sich allerdings in einem unterschiedlichen Stadium der Verwitterung befinden, stellt einen ersten Schritt zum Verständnis der zugrundeliegenden Prozesse bei deren Abbau dar.”


Unbefristete Missionsverlängerung für Curiosity
Die Mission des Marsrovers Curiosity war ursprünglich für einen Zeitraum von einem Marsjahr – dies entspricht knapp zwei Jahren auf der Erde – ausgelegt. Am 4. Dezember gab die NASA jedoch im Rahmen der diesjährigen Herbsttagung der American Geophysical Union (AGU) in San Francisco/Kalifornien bekannt, dass die Mission des Rovers auf unbestimmte Zeit verlängert wird. “Wir haben uns dahingehend entschieden, dass wir den Betrieb von Curiosity so lange aufrecht erhalten werden, wie dies aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll erscheint”, so John Grunsfeld vom Direktorat für wissenschaftliche Missionen der NASA. “Und dies könnte eine lange Zeit sein.”

Neben den hier gezeigten Aufnahmen der HiRISE-Kamera sind derzeit mehr als 27.000 weitere HiRISE-Aufnahmen auf der Internetseite der University of Arizona einsehbar.

Bis zum heutigen Tag, dem Sol 120 der Mission, hat der Marsrover Curiosity eine Distanz von über 500 Metern auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten zurückgelegt. Dabei haben die Kamerasysteme des Rovers mittlerweile über 28.600 Bilder aufgenommen und an das Roverkontrollzentrum des Jet Propulsion Laboratory (JPL) übermittelt. Diese Bilder sind für die interessierte Öffentlichkeit auf einer speziellen Internetseite des JPL einsehbar.

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