Der Marsrover Curiosity untersucht seit mittlerweile 1.000 Marstagen das Innere des Gale-Kraters. Ein unerwartet lockerer Untergrund hat die beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure jetzt allerdings zu einer Abänderung der ursprünglich vorgesehenen Route gezwungen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, USGS, University of Leicester, UMSF-Forum. Vertont von Peter Rittinger.
Der von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Marsrover Curiosity landete am 6. August 2012 im Inneren des unmittelbar südlich des Marsäquators gelegenen und 154 Kilometer durchmessenden Gale-Kraters und untersucht seitdem – entsprechend seinen wissenschaftlichen Zielsetzungen – unter anderem, ob der äußere Nachbarplanet der Erde einstmals Bedingungen aufwies, welche prinzipiell die Entstehung von primitiven Lebensformen begünstigt haben könnten.
Neben dem im Jahr 2014 erfolgten definitiven Nachweis von geringen Mengen an Methan und organischem Material (Raumfahrer.net berichtete) konnte dabei bereits im Frühjahr 2013 festgestellt werden, dass der Mars in der Frühzeit seiner Entwicklung tatsächlich über die für die Entstehung von Leben notwendigen Umweltbedingungen verfügte. Die weiteren Untersuchungen zeigten zudem, dass der Gale-Krater einstmals durch die langfristig erfolgte Einwirkung von flüssigen Wasser geformt wurde (Raumfahrer.net berichtete).
Nicht nur durch die Untersuchungen des Rovers Curiosity gilt es inzwischen als gesichert, dass sich auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten einstmals große Mengen an flüssigen Wasser befanden, welches dort zudem lange genug vorhanden war, um mit den Gesteinen der Marsoberfläche zu interagieren und diese dabei auch chemisch zu verändern. Aktuelle Studien gehen dabei von einer einstmals vorhandenen Wassermenge von mindestens 20 Millionen Kubikkilometern aus (Raumfahrer.net berichtete).
Weitere Informationen über die ‚Geschichte des Mars‘ erhoffen sich die an der Curiosity-Mission beteiligten Wissenschaftler durch die systematische Untersuchung des im Inneren des Gale-Krater gelegenen Zentralberges „Aeolis Mons“.
Diverse Aufnahmen von verschiedenen Marsorbitern zeigten bereits im Vorfeld der Mission, dass dieser etwa 5.500 Meter über den Boden des Kraters hinausragende Berg an seinen Flanken über einen ausgeprägten Schichtaufbau verfügt. In den einzelnen Schichten ist – vergleichbar mit den Steilwänden des Grand Canyon im US-Bundesstaat Arizona – die langfristige klimatologische und geologische Geschichte dieser Region der Marsoberfläche enthalten. Anders als in den auf der Erde gewonnenen Bohrkernen liegen diese Informationen dabei jedoch mehr oder weniger offen zutage und sind für den Rover Curiosity somit relativ leicht einsehbar.
Durch eine langsame ‚Besteigung‘ dieses Zentralberges, welche mit weiteren ausführlichen Analysen von aus geologischer Sicht interessant erscheinenden Ablagerungen verbunden sein wird, soll dessen Entwicklungsgeschichte im weiteren Verlauf der Mission Schritt für Schritt erforscht und entschlüsselt werden. Auf diese Weise erhoffen sich die auf die Erforschung des Mars spezialisierten Wissenschaftler weitere Erkenntnisse darüber, wann, wie, warum und in welchen Zeiträumen sich das Klima und die Umweltbedingungen auf dem Mars einstmals so dramatisch verändert haben.
Während der ersten Monate des Jahres 2015 war der Rover jedoch zunächst damit beschäftigt, mit seinen insgesamt zehn wissenschaftlichen Instrumenten die Regionen „Pahrump Hills“ und „Garden City“ zu untersuchen, welche zu der Basis dieses Berges gerechnet werden. Nach dem Abschluss dieser Analysen setze der Rover seine Fahrt in die Richtung des Zentralberges fort. Das dabei angepeilte nächste Zwischenziel war ein Oberflächenbereich nahe des „Logan Pass“, in dem zwei unterschiedliche Arten von Gesteinsschichten aufeinandertreffen.
Schwieriges Gelände erforderte eine Planänderung
Bei drei von vier Fahrten, welche Curiosity dabei zwischen dem 7. und dem 13. Mai auf dem Weg zu der zu untersuchenden Oberflächenformation absolvierte, wurde jedoch ein so starkes ‚Durchdrehen‘ der Räder registriert, dass die Fahrt von der Sicherheitssoftware des Rovers vorzeitig abgebrochen wurde, um ein Festfahren des Rovers in einer ‚Sandfalle‘ zu verhindern. Der Grund hierfür war, dass die während dieser drei Fahrten von dem Rover gesammelten und autonom ausgewerteten Daten zeigten, dass die sechs Räder des Rovers aufgrund des sandigen und somit sehr lockeren Untergrundes und dem damit verbundenen hohen Schlupf einen deutlich geringeren Geländegewinn erzielten als beabsichtigt.
„Der Mars kann sehr trügerisch sein“, so Chris Roumeliotis, der derzeitige Leiter des für die Steuerung des Marsrovers Curiosity verantwortlichen „Roverdriver-Teams“ am Roverkontrollzentrum des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien. „Wir wussten, dass Curiosity in diesen kleinen Sandrippeln sehr schnell ins Rutschen geraten kann. Allerdings sah es zunächst so aus, als befände sich direkt daneben ein Gelände mit einem etwas festeren Untergrund. Wir fuhren also um die Rippelmarken herum und dachten, dass wir nun auf einem griffigeren Untergrund fahren, auf dem es für die Räder eine bessere Haftung gibt. Dummerweise stellte sich heraus, dass auch dieser Bereich der Oberfläche aus sehr lockerem Material besteht. Das hat uns dann doch sehr überrascht.“
Da sich der Rover jetzt zudem am Hang eines kleinen Hügels befand und eine hohe Neigung von immerhin 21 Grad aufwies entschieden sich die Roverdriver dazu, die Fahrt nicht auf dem vorgesehenen Kurs fortzusetzen, sondern stattdessen ein alternatives Ziel anzusteuern. Hierfür wurden zunächst von den beteiligten Roverdrivern und Wissenschaftlern einige Tage lang diverse Fotos ausgewertet, welche sowohl von den Kamerasystemen des Rovers stammten und die die unmittelbare Umgebung zeigten als auch Aufnahmen von dem in einer Marsumlaufbahn kreisenden NASA-Orbiter Mars Reconnaissance Orbiter (abgekürzt MRO) und die das umliegende Gelände in einem größeren Kontext wiedergeben.
„Ein Faktor, den das Team zu berücksichtigen hat, ist die Zeit, die benötigt wird, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, wenn noch eine ganze Reihe von weiteren Zielen vor uns liegen“, so Dr. Ashwin Vasavada, der leitende Projektwissenschaftler der Curiosity-Mission vom JPL. „Wir haben die Aufnahmen des Mars Reconnaissance Orbiter dazu verwendet, um einen alternativen Bereich in der Region des Logan Pass aufzuspüren, an der sich dieser geologische Kontakt trotzdem untersuchen lässt, ohne dass wir hierfür einen zu großen Umweg machen müssen.“
Am 16. Mai machte Curiosity schließlich ‚kehrt‘ und steuerte zunächst wieder nach Norden und anschließend nach Westen und Süden. Im Rahmen von insgesamt fünf Fahrten wurde so bis zum 22. Mai ein Gebiet namens „Marias Pass“ erreicht, wo ebenfalls zwei unterschiedliche Gesteinsschichten – helles Material trifft dort auf eher dunkle Gesteinsablagerungen – in Kontakt zueinander treten. Das hellere Material, so die beteiligten Wissenschaftler, konnte bereits im bisherigen Verlauf der Mission an anderen Stellen der Region Pahrump Hills eingehender analysiert werden. Das dunklere Material, welches einer Region namens „Stimons“ zugeordnet wird und das die Gesteine der Pahrump-Unit teilweise überlagert, ist dagegen neu.
Während der folgenden Tage wurden verschiedene geschichtete Gesteinsablagerungen und frei auf der Oberfläche liegende Felsblöcke eingehender mit mehreren Instrumenten des Rovers analysiert, wobei die beteiligten Wissenschaftler auch Wert auf die Charakterisierung der lokalen Stratigraphie der Pahrump-Stimons-Kontaktzone legten. Zudem erfolgten zwei weitere Fahrten, in deren Verlauf sich der Rover noch weiter in den Marias Pass hinein begab. Durch die erste dieser beiden Fahrten – hierbei wurde am 25. Mai eine Distanz von 33 Metern überbrückt – erreichte Curiosity eine nahezu perfekte Position für die weitere Erforschung dieser Übergangszone. Eine weitere, diesmal lediglich über 2,5 Meter führende Fahrt brachte den Rover schließlich am 27. Mai in eine Position, welche die direkte Untersuchung dieser Gesteine durch die an dem Instrumentenarm montierten Analysegeräte ermöglichte.
Neben dem Alphapartikel-Röntgenspektrometer kam hier dann während der letzten Tage auch mehrfach die MAHLI-Kamera zum Einsatz, um eine mit dem Namen „Big Arm“ belegte Oberflächenstruktur abzubilden, welche als ein potentielles Ziel für eine eingehendere Analyse angesehen wird. Sollte sich Big Arm dabei tatsächlich als ein für ‚Contact Science‘ geeignetes Objekt herausstellen, so wird es allerdings noch mehrere Wochen dauern, bis die entsprechenden Untersuchungen tatsächlich durchgeführt werden können.
Solarkonjunktion
Der Grund hierfür ist eine demnächst anstehende „Sonnenkonjunktion“. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Himmelskonstellation, bei der sich der Mars von der Erde aus gesehen in einem Abstand von nur wenigen Grad zu der Sonne befindet. Aufgrund dieser Planetenkonstellation ist die Datenübertragung zwischen der Erde und den in einer Umlaufbahn um den Mars operierenden Raumsonden oder einem direkt auf der Oberfläche aktiven Rover stark beeinträchtigt, da die von der Sonne ausgehende Strahlung die Funksignale, welche zwischen der Erde und den ‚Marskundschaftern‘ hin und her gesandt werden, zu sehr stört. Diese etwa alle 26 Monate eintretende Planetenkonstellation hat zur Folge, dass alle auf oder um den Mars herum aktiven Sonden und Rover für einen Zeitraum von etwa zwei bis drei Wochen weitestgehend inaktiv sind (Raumfahrer.net berichtete).
Genau dieser Fall tritt jetzt gerade wieder ein. Die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express hat so zum Beispiel ihren normalen wissenschaftlichen Betrieb für die kommenden Wochen bereits ‚eingestellt‘ und auch die restlichen Rover und Orbiter verringern ihre Aktivitäten derzeit auf ein Minimum. Nach dem Ablauf des heutigen Arbeitstages wird auch der Rover Curiosity seinen Instrumentenarm in einer ‚Ruheposition‘ verstauen und diesen erst in mehreren Wochen – zeitgleich mit der Wiederaufnahme des nominalen Betriebes – ‚entfalten‘. Während der kommenden Wochen wird Curiosity seine Aktivitäten dann auf ein Minimum beschränken, wobei deutlich weniger als die Hälfte der sonst üblichen Datenmenge die Erde erreichen wird.
Die an der Mission beteiligten Wissenschaftler werden diese Zeit jedoch dazu nutzen, um sich in den kommenden Tagen im Rahmen eines ‚Team-Meetings‘ in Paris/Frankreich zu treffen. Dort sollen dann sowohl die bisherigen Erkenntnisse dieser ambitionierten Mission als auch die weitere Vorgehensweise bei der Erforschung des Aeolis Mons und des Gale-Kraters diskutiert werden.
Der Missionstag Sol 1.000
Zugleich markiert der heutige 30. Mai 2015 jedoch auch ein symbolträchtiges Datum für die Curiosity-Mission, denn am heutigen Tag begann für diesen ursprünglich auf eine Missionsdauer von zwei Erdjahren ausgelegten und bisher größten, schwersten und zudem teuersten der bisher vier auf der Marsoberflächen aktiv gewesenen Rover auch zugleich der Missionstag Sol 1.000, welcher am heutigen Tag um 03:56 MESZ begonnen hat. Verständlicherweise wurde dieses Ereignis am JPL auch mit einer kleinen Feier gewürdigt.
Bis zum heutigen Tag, dem bereits erwähnten Sol 1.000 seiner Mission, hat der Marsrover Curiosity 10.599 Meter auf der Marsoberfläche zurückgelegt. Dabei hat der Rover mit seinen Kamerasystemen inzwischen 245.332 Bilder aufgenommen und an das Roverkontrollzentrum des Jet Propulsion Laboratory (JPL) übermittelt. Diese Aufnahmen sind für die interessierte Öffentlichkeit auf einer speziellen Internetseite des JPL einsehbar.
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