Mars Express im Sicherheitsmodus

Laut einer Meldung der Europäischen Weltraumagentur ESA befindet sich der von ihr betriebene Marsorbiter Mars Express gegenwärtig in einem Sicherheitsmodus. Experten der ESA sind zur Zeit damit beschäftigt, das für den Sicherheitsmodus verantwortliche Problem mit dem Computersystem zu beheben. Als Konsequenz der gegenwärtigen Probleme wurden die wissenschaftlichen Aktivitäten der Raumsonde vorläufig gestoppt.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA.

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Eine künstlerische Darstellung der Raumsonde Mars Express und der Landeeinheit Beagle-2.
(Bild: ESA)

Seit ihrem Eintritt in eine Umlaufbahn um den Planeten Mars am 25. Dezember 2003 hat sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express als ein zuverlässiger “Späher” der Menschheit erwiesen und unseren äußeren Nachbarplaneten und dessen Monde Phobos und Deimos mit insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumenten kontinuierlich untersucht. Nur selten war dabei von größeren technischen Problemen zu hören, welche diese äußerst erfolgreiche Planetenmission beeinträchtigt haben. Als Konsequenz dieses Erfolges und der durch die Mission gegebenen wissenschaftlichen Ausbeute wurde die Mission während der vergangenen Jahre mehrmals verlängert – zuletzt bis zum 31. Dezember 2012. Während der letzten Monate sind allerdings Probleme mit dem Computersystem der Raumsonde aufgetreten, welche – sollten sie nicht gelöst werden können – die Fortsetzung dieser Mission ernsthaft gefährden könnten.

Bereits am 13. August 2011 versetzte sich die Raumsonde Mars Express automatisch in einen sogenannten Sicherheitsmodus (engl. “Safe Mode”). Hierbei handelt es sich um einen operativen Modus, in den sich eine Raumsonde versetzt, sobald unerwartete Ereignisse auftreten, welche eine potentielle Gefahr für die Sonde oder deren Instrumente darstellen. Die Raumsonde stellt hierbei sämtliche nicht zwingend notwendigen Aktivitäten ein und richtet ihre für die Energieversorgung zuständigen Solarpaneele auf die Sonne und die für die Kommunikation benötigten Antennen auf die Erde aus. Anschließend wartet die Raumsonde auf weiterführende Befehle vom Kontrollzentrum.

Laut den Analysen der Techniker der ESA war ein unverhofft auftretender komplexer Fehler im Speicher des Bordcomputers für dieses Ereignis am 13. August verantwortlich. Als Quelle des aufgetretenen Problems wurde das “Solid-State Mass Memory System” (kurz SSMM) identifiziert. Hierbei handelt es sich um eine zentrale Speichereinheit, welche für die Zwischenspeicherung der Telemetriedaten und der durch die wissenschaftlichen Instrumente gesammelten Daten an Bord der Raumsonde Mars Express vor der Übermittlung zur Erde verantwortlich ist. Zudem werden hier die von dem Kontrollzentrum auf der Erde eingehenden Kommandos für Mars Express bis zu ihrer Ausführung abgelegt.

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Eine künstlerische Darstellung der Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars.
(Bild: ESA)

Das Ereignis am 13. August wurde zunächst als nicht weiter dramatisch angesehen. Es wies gewisse Ähnlichkeiten mit einem anderen Vorfall auf, welcher sich bereits vor drei Jahren ereignet hatte. Von daher ging das für die Flugsteuerung von Mars Express verantwortliche Flugsteuerungsteam am ESOC-Kontrollzentrums in Darmstadt davon aus, dass es sich auch bei diesem Ereignis um einen eher “normalen” Übergang in den abgesicherten Modus handelt. Das Flight Control Team führte deshalb in den folgenden Tagen die standardmäßigen Recovery-Prozeduren durch und versetzte Mars Express am 18. August wieder in den normalen Modus.

Am 23. August traten jedoch erneut Probleme mit dem Computersystem der Raumsonde auf, welche große Ähnlichkeiten mit dem Ereignis vom 13. August aufwiesen. Das Team entschied sich aufgrund des wiederholten Auftretens dieser Probleme in einem so kurzen Zeitraum am folgenden Tag dazu, das betroffene SSMM-System zu deaktivieren und stattdessen ein redundantes SSMM-Backupsystem in Betrieb zu nehmen. Hierzu wurde der Bordcomputer auf die “B-Side” umgeschaltet. Durch die Umschaltung sollten weitere unverhoffte Übergänge in den Sicherheitsmodus vermieden werden. Neben dem Wunsch, die wissenschaftlichen Aktivitäten der Raumsonde auch weiterhin in der geplanten Weise durchzuführen war der durch einen Sicherheitsmodus bedingte erhöhte Verbrauch an Treibstoff für die Lageregelung der Raumsonde für diese Maßnahme ausschlaggebend. Bei jedem Auftreten eines Safe Mode, so die Verantwortlichen der ESA, benötigt Mars Express in etwa so viel Treibstoff wie bei einem sechsmonatigen normalen Betrieb.

Mars Express nahm den vollen wissenschaftlichen Betrieb schließlich am 15. September wieder auf. Lediglich 8 Tage später ging die Raumsonde am 23. September jedoch erneut in den Sicherheitsmodus. Der Grund hierfür war diesmal ein Prüfsummenfehler, welcher bei der internen Kommunikation zwischen zwei Subsystemen des mittlerweile aktiven “B-Side”-SSMM auftrat. Da dieser Prüfsummenfehler keine Ähnlichkeiten mit den Ereignissen im August aufwies, wurde dieses Fehlverhalten von den ESA-Technikern als ein zufällig aufgetretenes einmaliges Ereignis angesehen. Am 29. September wurde Mars Express deshalb mit den üblichen Standardprozeduren zunächst erneut in den normalen Betrieb versetzt.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Das Mündungsgebiet des Ares Vallis, einem der großen Ausflusstäler auf dem Mars, wurde am 11. Mai 2011 von der an Bord von Mars Express befindlichen HRSC-Kamera abgebildet.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Der nächste Prüfsummenfehler trat jedoch bereits am 11. Oktober auf, wobei diesmal jedoch kein Übertritt in den Sicherheitsmodus ausgelöst wurde. Da die Raumsonde weiterhin normal arbeitete, griff das ESA-Team nicht in die weiteren Aktivitäten von Mars Express ein. Allerdings wurde beschlossen, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit einen Neustart des gesamten SSMM-Systems durchzuführen.

Noch vor diesem geplanten Neustart trat am 16. Oktober allerdings ein erneuter interner Kommunikationsfehler in dem System auf, welcher eine große Ähnlichkeit mit der Fehlfunktion vom 23. September aufwies. Im Gegensatz zu dem Ereignis von vor 7 Tagen erfolgte diesmal allerdings ein erneuter Eintritt in den Sicherheitsmodus. Dies war ein deutliches Anzeichen dafür, dass neben der “A-Side” des SSMM-Systems anscheinend auch die “B-Side” von einem bisher nicht näher bekannten Problem betroffen ist.

Ein erneutes Umschalten des SSMM-Systems auf die “A-Side” ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nach der Meinung der für die Mission verantwortlichen Mitarbeitern der ESA keine empfehlenswerte Option, da auch beim Betrieb der “A-Side” ein erneutes Auftreten der Computerprobleme und ein daraus resultierender Übertritt in einen Sicherheitsmodus wahrscheinlich ist. Ein dadurch bedingter erhöhter Treibstoffverbrauch würde sich negativ auf die Gesamt-Missionsdauer von Mars Express auswirken. Die für die Mission Verantwortlichen entschlossen sich daher dazu, den Marsorbiter vorläufig im Sicherheitsmodus zu belassen und die wissenschaftlichen Aktivitäten der Raumsonde vorerst auszusetzen.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein Blick über das Nili Fossae auf dem Mars. Dieser perspektivische Blickwinkel wurde aus einem digitalen Geländemodell berechnet.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Bei dem SSMM-System handelt es sich um ein kritisches Subsystem von Mars Express, welches sowohl für den Betrieb der Raumsonde als auch für den Betrieb der verschiedenen wissenschaftlichen Instrumente eigentlich zwingend benötigt wird. Da gegenwärtig beide SSMM-Systeme betroffen sind muss das aufgetretene Problem von daher als kritisch angesehen werden. Das Flugkontrollteam von Mars Express arbeitet momentan an einem Workaround, um den normalen Betrieb der Raumsonde zumindestens teilweise wieder zeitnah aufnehmen zu können.

Währen der Zeiten einer “normalen Operation” werden von dem Kontrollzentrum eingehende Kommandos für die Raumsonde und deren Instrumente in der “Long Mission TimeLine” (kurz L-MTL), einer speziellen Datei innerhalb des SSMM, abgelegt. Allerdings existiert außerhalb des SSMM-Systems zusätzlich noch eine sogenannte “Short Mission TimeLine” (kurz S-MTL). Auf dieser S-MTL ruhen gerade die Hoffnungen der ESA-Spezialisten, deren Plan gegenwärtig darin besteht, die S-MTL anstelle der innerhalb der SSMM befindlichen L-MTL für die Zwischenspeicherung der Daten zu nutzen. Die Suche nach einer Lösung der gegenwärtigen Probleme macht laut den Aussagen der ESA gute Fortschritte und bereits in naher Zukunft soll ein kompletter Test der Raumsonde erfolgen.

Zeitgleich arbeiten die Experten der ESA eng mit den Entwicklern und Herstellern des SSMM-Subsystems zusammen, um die Ursache für die aufgetretenen Anomalien zu ergründen und eine Lösung zu finden, welche eine vollständige und dauerhafte Neuaufnahme des Vollbetriebes von Mars Express ermöglicht. Unabhängig von diesen Problemen hat die Raumsonde am heutigen Tag um 11:37 MEZ ihren mittlerweile 10.000sten Orbit um den Mars begonnen und diesen inzwischen auch beendet. Die dichteste Annäherung an die Planetenoberfläche erfolgte dabei um 15:06 MEZ. Es bleibt zu hoffen, dass das ESA-Team die Probleme in den Griff bekommt und noch viele weitere Umläufe um den Mars folgen werden.

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