Mars Express und das Grabenbruchsystem Nili Fossae

Die heute veröffentlichten Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen den Bereich um Nili Fossae in der Äquatorregion des Mars. Dieses Grabensystem entstand wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Einschlag eines Asteroiden, welcher auch zur Bildung des benachbarten Isidis-Impaktbeckens auf der Oberfläche des Mars geführt hat.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, FU Berlin.

NASA, MOLA Science Team, FU Berlin
Eine topografische Karte der durch die HRSC-Kamera abgebildeten Region Nili Fossae.
(Bild: NASA, MOLA Science Team, FU Berlin)

Am 8. Februar 2008 überflog die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express während ihres Orbits Nummer 5.270 den zentralen Bereich des Nili Fossae und bildete dabei mit der High Resolution Stereo Camera (HRSC) die dort erkennbaren Oberflächenstrukturen ab. Die HRSC-Kamera wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben und ist eines von sieben wissenschaftlichen Instrumenten an Bord der Raumsonde Mars Express.
Das von der Kamera abgebildete Gebiet befindet sich bei 22 Grad nördlicher Breite und 77 Grad östlicher Länge und verfügt über eine Ausdehnung von rund 70 x 145 Kilometern. Mit einer Fläche von rund 10.300 Quadratkilometern verfügt es somit in etwa über die Größe Zyperns. Die HRSC-Kamera erreichte bei diesen Aufnahmen eine Auflösung von etwa 14 Metern pro Pixel.

Bei dem Nili Fossae handelt es sich um ein Grabenbruchsystem, welches sich am nordöstlichen Rand der Marsebene Syrtis Major befindet. Diese Hochebene wurde erstmals von dem niederländischen Naturforscher Christiaan Huygens (14. April 1629 bis 8. Juli 1695), einem der führenden Physiker und Mathematiker des 17. Jahrhunderts, registriert. Bei der Beobachtung unseres äußeren Nachbarplaneten entdeckte dieser im Jahr 1659 eine dunkle, dreieckige Zone in der Äquatorregion des Mars, welche er mit dem Namen Syrtis Major belegte. Im Verlauf seiner weiteren Beobachtungen berechnete Christiaan Huygens die Eigenrotation des Mars aufgrund der Positionsveränderungen von Syrtis Major auf einen Wert von 24,5 Stunden. In Anbetracht der damaligen eher einfachen Beobachtungsmittel ist dieses Ergebnis durchaus bemerkenswert – mit Hilfe moderner Beobachtungsmethoden konnte die Rotationsperiode des Mars in der Neuzeit auf einen Wert von 24 Stunden, 37 Minuten und 22 Sekunden festgelegt werden.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Diese Nadir-Aufnahme der HRSC-Kamera zeigt in verschiedenen Bildausschnitten mehrere Geländemerkmale. Norden befindet sich rechts.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Südöstlich des Nili Fossae befindet sich das Isidis-Impaktbecken. Das aus mehreren Grabenbrüchen bestehende Störungssystem Nili Fossae, welches in seiner Gesamtheit eine Länge von rund 670 Kilometern aufweist, verläuft fast parallel zu dem nordwestlichen Rand dieses etwa 1.200 Kilometer durchmessenden Einschlagbeckens. Die momentan von den Planetenwissenschaftlern favorisierte Theorie geht davon aus, dass die Entstehung des Nili Fossae unmittelbar mit dem Impakt in Zusammenhang steht, welcher für die Bildung des Isidis-Bassins verantwortlich war.

In der Bildmitte der nebenstehenden Nadir-Aufnahme der HRSC-Kamera sind deutlich zwei durchschnittlich rund 500 Meter tiefe Brüche in der Kruste unseres Nachbarplaneten zu erkennen, welche vermutlich bei der Bildung des Isidis-Impaktbeckens entstanden sind (Bildausschnitt 1). Eine alternative Erklärung für deren Bildung ist die Flutung des Isidis-Beckens mit großen Mengen von geschmolzenen Gesteinsmassen, welche ihren Ursprung an den zwei nahe gelegenen Vulkanen Nili Patera und Meroe Patera gehabt haben könnten. Das Gewicht der bei den dortigen Vulkanausbrüchen freigesetzten Lava könnte zu einer Absenkung des Beckenbodens von Isidis Planitia und der Entstehung der Grabenbrüche an dessen Rand geführt haben.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Farbansicht des abgebildeten Oberflächenbereiches.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Am nordöstlichen Rand des abgebildeten Gebietes ist ein bereits stärker erodierter und etwa 12 Kilometer durchmessender Impaktkrater zu erkennen (Bildausschnitt 2). Dieser Krater weist eine deutlich erkennbare Ejektadecke auf. Diese Decke setzt sich aus dem Material zusammensetzt, welches bei dem zugrunde liegenden Einschlag eines größeren Asteroiden oder Kometenkerns ausgeworfen wurde und anschließend wieder in der Umgebung des Kraters auf der Planetenoberfläche nieder ging.

Im Gegensatz dazu verfügt ein kleinerer, lediglich etwa 3,5 Kilometer durchmessender Impaktkrater südwestlich der großen Grabenbrüche über keine vollständig ausgeprägte Ejektadecke (Bildausschnitt 3). Einzelne Bereiche der dort befindlichen Ejektadecke sind bereits erodiert oder wurden im Laufe der Jahrmillionen mit anderem Material überlagert. Darüber hinaus sind zusätzlich zwei Hangrutschungen auf der Westseite des Kraters zu erkennen, welche sich entweder in einer direkten Folge des Impaktes oder aber vielleicht auch erst sehr viel später nach dem zugrunde liegenden Einschlag gebildet haben.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein Blick über das Nili Fossae. Dieser perspektivische Blickwinkel wurde aus einem digitalen Geländemodell berechnet.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Im Südwesten des abgebildeten Bereiches ist das an der Planetenoberfläche erkennbare Material deutlich dunkler gefärbt als im nordöstlichen Teil des Gebietes (Bildausschnitt 4). Vermutlich handelt es sich hier um basaltische Gesteine – sogenannte Flutbasalte – oder um vulkanische Ascheablagerungen, welche ihren Ursprung in den im Südwesten gelegenen Vulkanen Nili Patera und Meroe Patera haben könnten. Flutbasalte bilden auch auf der Erde großflächige Decken, sobald eine dünnflüssige, basaltische Gesteinsschmelze bei einem Vulkanausbruch große Entfernungen zurücklegt bevor sie erstarrt. So bedeckt beispielsweise der Dekkan-Trapp in Indien eine Fläche von mehr als 500.000 Quadratkilometern. Dies entspricht immerhin in etwa der Größe von Frankreich.

Das Nili Fossae hat sich in der Vergangenheit aber noch aus einem anderen Grund als interessant für die Planetenforscher erwiesen. Mittels Beobachtungen von verschiedenen erdbasierten Teleskopen wurden über dieser Region seit dem Jahr 2003 signifikante Gehalte an Methan innerhalb der Mars-Atmosphäre nachgewiesen. Die Ursache für die Methan-Vorkommen, deren Menge anscheinend jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen ist, konnte bisher noch nicht geklärt werden. Diese regional begrenzten Methankonzentrationen können sich sowohl durch geologische Prozesse als auch durch biologische Aktivitäten gebildet haben. Die Entschlüsselung dieses Rätsels der Marsforschung wird die Aufgabe zukünftiger Marsmissionen sein.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer speziellen Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt. Besonders gut sind dabei die Höhenunterschiede erkennbar.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die hier gezeigte Farbansicht wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- und rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die weiter oben zu sehende Schrägansicht wurde aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Bei dem Schwarzweißbild handelt es sich um eine Nadiraufnahme, welche von allen gewonnenen HRSC-Aufnahmen die höchste Auflösung erreicht. Das nebenstehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Zusätzlich können die Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wird, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

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