Mars Express und das Sirenum Fossae

Am 6. Februar 2009 bildete die hochauflösende HRSC-Kamera an Bord der ESA-Sonde Mars Express in ihrem Orbit Nummer 6.547 einen Bereich der Region Sirenum Fossae auf dem Mars ab. Aus einer Höhe von 700 Kilometern erreichte die Kamera dabei eine Auflösung von etwa 29 Metern pro Pixel.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR, FU Berlin, ESA.

NASA
Eine topografische Karte der Tharsis-Vulkanregion auf dem Mars.
(Bild: NASA)

Wenn man eine globale Karte des Mars betrachtet, so ist eine der auffälligsten Regionen die sogenannte Tharsis-Vulkanregion unmittelbar westlich des Valles Marineris. Auf einer Fläche von mehreren Millionen Quadratkilometern erhebt sie sich wie eine Wulst um durchschnittlich vier Kilometer über die sie umgebende Marsoberfläche. Aus ihr ragen mehrere gewaltige Schildvulkane hervor, welche die größten Vulkane in unserem Sonnensystem darstellen.

Man geht allgemein davon aus, dass sich die Tharsis-Region, genauso wie das benachbarte Valles Marineris, von etwa 3,5 Milliarden Jahren während des geologischen Mittelalters des Mars, der sogenannten Hesperianischen Epoche, gebildet hat. Die äußere Kruste des Mars wurde zu dieser Zeit durch im Marsinneren auftretende Kräfte aufgewölbt, was zum Auftreten von Spannungen und letztendlich zur Bildung der dort befindlichen Vulkane führte.

Während der aktiven Phase wurden gewaltige Mengen von Lava an die Oberfläche des Planeten befördert. Diese Lavamassen schichteten sich zu den besagten Vulkanen auf. Der größte dieser Vulkane, der Olympus Mons, erreicht dabei bei einem Basisdurchmesser von etwa 550 Kilometern eine Höhe von 24 Kilometern. Weitere große Vulkane dieser Region sind der Ascraeus Mons mit 18 Kilometern Höhe, der Arsia Mons mit 14 Kilometern Höhe und der Pavonis Mons mit 12 Kilometern Höhe. Bei den Ausbrüchen der Vulkane ergossen sich große Mengen an dünnflüssiger Lava über die Marsoberfläche, welche zu ausgedehnten, mächtigen Lavadecken erstarrten. Durch das Gewicht des vulkanischen Gesteins bauten sich Spannungen innerhalb der Marskruste auf.

NASA/MOLA/FU Berlin
Diese topografische Karte zeigt den am 6. Februar 2009 von der HRSC-Kamera abgebildeten Bereich am Nordrand der Region Sirenum Fossae.
(Bild: NASA/MOLA/FU Berlin)

Als diese Spannungen in der starren Gesteinskruste der Lithosphäre immer weiter zunahmen, wurden sie schließlich durch die Entstehung einer Vielzahl von Bruchsystemen abgebaut, welche sich entlang von sogenannten Schwächezonen innerhalb der Kruste ausbildeten und in der Regel radial zur Tharsis-Region verlaufen. Auch bei dem Sirenum Fossae handelt es sich um ein solches Bruchsystem, welches im Zusammenhang mit der Aufwölbung der Tharsis-Vulkanregion entstanden ist. Das Sirenum Fossae befindet sich am südwestlichen Rand der Tharsis-Region und erstreckt sich von dort aus über eine Länge von etwa 2.700 Kilometern in westliche Richtung.

Am 6. Februar 2009 nahm die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene HRSC-Stereokamera auf der ESA-Sonde Mars Express ein circa 230 mal 127 Kilometer großes Gebiet am Nordrand der Region Sirenum Fossae auf. Die dabei angefertigten Bilder zeigen einen Ausschnitt, welcher sich bei etwa 28 Grad südlicher Breite und 185 Grad östlicher Länge befindet. Die Bilder wurden aus einer Höhe von 700 Kilometern aufgenommen und erreichen eine Auflösung von etwa 29 Metern pro Pixel. Das abgebildete Gebiet befindet sich im südlichen Marshochland, etwas nördlich des 105 Kilometer durchmessenden Kraters Magelhaens.

Auf dem südlichen Hochland des Mars befinden sich sehr viel mehr Impaktkrater als in den Tiefebenen der nördlichen Marshalbkugel. Deutlich sind in den aufgenommenen Bildern zahlreiche, teilweise bis zu 50 Kilometer große Einschlagkrater zu erkennen. Krater dieser Größe entstanden in der jüngeren Geschichte des Mars nur noch sehr selten, da die Anzahl der größeren Asteroiden, deren Bahnen sich mit den Umlaufbahnen der Planeten des inneren Sonnensystems kreuzen, seit der Entstehung unseres Sonnensystems stark abgenommen hat. Die Größe der hier abgebildeten Krater, aber auch die deutlich sichtbaren Spuren intensiver Verwitterung, lassen erkennen, dass es sehr alte Strukturen sind und es sich bei diesem Teil von Sirenum Fossae um eine mehrere Milliarden Jahre alte Oberfläche handelt. Durch die Größe, Anzahl und Verteilung der gezählten Krater konnte ein Alter von mindestens zwei Milliarden Jahren abgeleitet werden.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine senkrechte Draufsicht auf die abgebildete Region. Norden befindet sich links im Bild und Westen oben.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Im mittleren Teil des nebenstehenden Bildes ist eine Hochebene zu erkennen, welche mehrere hundert Meter über die Umgebung hinaus ragt und vermutlich durch einen Lavastrom gebildet wurde. An den Abhängen zum Umland sind in Form von Rinnen und Tälern deutliche Spuren von Verwitterungs- und Erosionsprozessen zu erkennen. Am Westhang (Norden befindet sich in der senkrechten Draufsicht rechts im Bild, Westen ist oben) befinden sich zwei markante Täler, die sich den Hang abwärts zu einem breiteren Haupttal vereinigen. Der südliche der beiden Seitenarme scheint seinen Ursprung dabei in einem teilweise von Ablagerungen angefüllten Krater zu haben.

Am oberen Bildrand erkennt man bei etwa 11 Uhr zwei nahezu lineare Strukturen, welche in West-Ost-Richtung verlaufen (im nebenstehenden Bild von oben nach unten). Hierbei handelt es sich um Störungslinien, welche durch den Bruch der Marskruste infolge von Dehnungskräften entstanden sind. Sie bilden die seitlichen Begrenzungen eines Grabens. In der Geologie wird mit einem Graben eine tektonische Struktur beschrieben, die einen ganzen Geländeblock entlang einer Bruchstruktur zwischen zwei Störungslinien in den durch die Krustendehnung entstandenen Raum in die Tiefe rutschen lässt. Die hier zu sehende Struktur stellt einen Teil des Sirenum-Fossae-Grabensystems dar.

Am oberen linken Bildrand sind mehrere große Impaktkrater erkennbar. Einer davon, welcher über einen Durchmesser von etwa 28 Kilometern verfügt, ist deutlich weniger stark durch die Erosion verändert als die beiden größeren Krater. Auch ist dieser Krater kaum mit Ablagerungen aufgefüllt. Der Kraterrand und ein Zentralberg, welcher entstanden ist, als nach dem Einschlag eines Asteroiden die Kruste zurückfederte, sind noch deutlich zu erkennen. In der unmittelbaren Umgebung befinden sich drei weitere große Einschlagkrater – einer im Westen mit einem Durchmesser von etwa 56 Kilometern, einer im Nordosten (Durchmesser circa 34 Kilometer) sowie ein kleiner Krater mit etwa neun Kilometern Durchmesser im Süden.

Aufgrund der Form und des Grads der Verwitterung, vor allem aber auch in der Art, wie die einzelnen Krater sich überlagern, lässt sich eine Altersabfolge dieser Krater festlegen. Die beiden größeren Krater sind zugleich auch die ältesten, denn sie wurden vom zentralen Krater überlagert und teilweise zerstört. Das Auswurfmaterial dieses Kraters ist in den beiden benachbarten Kratern noch gut erhalten. Der Rand des westlichen Kraters wurde durch Erosion stark abgetragen und ist in seinen Umrissen nur noch undeutlich zu erkennen. Dieser hohe Grad der Erosion legt die Vermutung nahe, dass dieser Krater noch älter ist als der nordöstlich gelegene. Der kleinste der vier Krater ist hingegen der jüngste, da dieser den Rand des zentralen Kraters überlagert hat. Später bildeten sich noch mehrere deutlich kleinere, lediglich kilometergroße Einschlagkrater auf den Auswurfdecken und im Inneren der größeren Krater.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Dieses Bild zeigt einen Blick über das Marshochland am nördlichen Rand des Sirenum Fossae. Der Blick geht dabei von Nordosten nach Südwesten.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Aus den schräg auf die Oberfläche gerichteten Stereo- und Farbkanälen des Kamerasystems HRSC können realistische, perspektivische Ansichten der Marsoberfläche erzeugt werden. Im Vordergrund des nebenstehenden Bildes dehnt sich etwa bis zur Bildmitte ein circa 50 Kilometer durchmessender Impaktkrater aus. In der Mitte des Kraters hat sich ein zweiter, kleinerer und jüngerer Einschlagkrater gebildet. Auch in der Bildmitte und im Hintergrund sind zum Teil mehr als 20 Kilometer durchmessende Krater zu sehen. Die abgebildeten Farbunterschiede und Schattierungen zeigen Oberflächenmaterial von geringfügig variabler Zusammensetzung, zum Teil aber auch auf vom Wind verfrachtetes und an anderer Stelle abgelagertes Material.

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