Mars Express: Eine Winterlandschaft auf dem Mars

Passend zum Nikolaustag zeigen die heute veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express eine Winterlandschaft auf dem Mars. Auf den Aufnahmen sind Ablagerungen von Trockeneis zu erkennen, welche Teilbereiche der Marsregion Charitum Montes bedecken.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR, ESA.

NASA, MGS, MOLA Science Team
Eine topografische Karte der Charitum Montes auf dem Mars. Der durch die HRSC-Kamera abgebildete Bereich ist umrahmt.
(Bild: NASA, MGS, MOLA Science Team)

Bereits seit dem Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem eine Vielzahl an Daten, durch deren Auswertung sich neue Einblicke in die Entwicklungsgeschichte unseres äußeren Nachbarplaneten ergeben.

Durch die gewonnenen Daten ist es aber auch möglich, das aktuelle Wettergeschehen auf unserem äußeren Nachbarplaneten zu verfolgen. Da die Rotationsachse des Mars mit einer Neigung von 25,19 Grad in etwa die gleiche Neigung aufweist wie die Rotationsachse der Erde (23,44 Grad), treten auch auf unserem Nachbarplaneten ausgeprägte Jahreszeiten auf, welche allerdings aufgrund der etwa zweijährigen Umlaufzeit des Mars um die Sonne in etwa doppelt so lange andauern. Frostablagerungen auf der Planetenoberfläche sind dabei während des Marswinters selbst in den gemäßigten Breiten keine Seltenheit.

Am 18. Juni 2012 überflog Mars Express während des Orbits Nummer 10.778 das auf der südlichen Marshemisphäre gelegene Impaktbecken Argyre Planitia und bildete dabei einen Teilbereich von dessen südöstlichen Randgebirges mit der High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters, ab.

Bei den Charitum Montes, so der Name der bei dieser Gelegenheit beobachteten Oberflächenformation, handelt es sich um eine bei 330 Grad östlicher Länge und 55 Grad südlicher Breite gelegene Gebirgskette, welche sich über eine Länge von etwa 930 Kilometern erstreckt. Sie verläuft dabei nahezu parallel zum südöstlichen Rand des Argyre Planitia.

Wie auch verschiedene weitere in der Umgebung des Argyre Planitia gelegene Oberflächenstrukturen wurden auch die Charitum Montes erstmals von dem griechischen Astronomen Eugène Michel Antoniadi (1870-1944) in seinem im Jahr 1929 veröffentlichten Werk „Der Planet Mars“ (Originaltitel „La Planète Mars“) beschrieben. Die Gebirgskette war dem Astronomen bei seinen Teleskopbeobachtungen wegen ihres Helligkeitskontrasts zum umliegenden Gelände aufgefallen.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine farbkodierten Höhenkarte der durch die HRSC abgebildeten Region.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Bei den durch die HRSC-Kamera angefertigten Aufnahmen fallen speziell die vielen, in unterschiedlichen Größen vorhandenen Krater auf. Dies ist ein untrügliches Indiz dafür, dass zumindestens die größeren Geländestrukturen in der abgebildeten Landschaft sehr alt sind. Die für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Alter dieser Strukturen wahrscheinlich mehr als drei Milliarden Jahre beträgt. Die höchsten Punkte in diesem Gebiet, die der nebenstehenden farbkodierten Höhenkarte ausgemacht werden können, bilden dabei die „Berge“ der Charitum Montes.

Beim Betrachten der Farbbilder fällt zudem auf, dass Teilbereiche der Gewöhnlicherweise orange bis ockerfarben erscheinenden Marsoberfläche von einer weißen Substanz bedeckt sind. Hierbei handelt es sich um eine hauchdünne Schicht aus Trockeneis (gefrorenes Kohlendioxid), welche sich im Laufe des Winters wie Raureif über die Landschaft gelegt hat.

Mit einem Anteil von 95,32 Prozent stellt Kohlenstoffdioxid den Hauptbestandteil der Marsatmosphäre dar. Gefrorene Ablagerungen aus Kohlendioxid sind jedoch auch auf der Marsoberfläche relativ häufig aufzufinden, da Teile der Marsatmosphäre aufgrund des regelmäßig erfolgenden Wechsels der Jahreszeiten und der sich dabei ergebenden niedrigen Temperaturen während der Wintermonate ausfrieren und sich im Rahmen dieser Prozesse auf der Planetenoberfläche ablagern. Erst mit dem Einsetzen des „Marsfrühlings“ und dem damit verbundenen erneuten Anstieg der Temperaturen sublimiert das Trockeneis wieder und geht erneut in den gasförmigen Zustand über.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Nadir-Farbansicht der kürzlich durch die HRSC-Kamera abgebildeten Region. Norden befindet sich rechts im Bild.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Lange Zeit gingen die Marsforscher davon aus, dass sich Kohlendioxideis auf dem Mars ausschließlich in Form von Frostablagerungen in Bodennähe bilden kann – so, wie es auch auf diesen Aufnahmen der Charitum Montes der Fall ist. Der von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Marsorbiter Mars Reconnaissance Orbiter hat jedoch erst kürzlich in der Marsatmosphäre Wolkenstrukturen entdeckt, welche sich aus Kohlendioxidschnee zusammensetzen und die diesen im Rahmen eines „Schneefalls“ auch auf der Oberfläche ablagern können. Bereits einige Jahre zuvor konnten zudem auch mit den Instrumenten an Bord von Mars Express Wolken aus Kohlendioxideis in der Atmosphäre unseres Nachbarplaneten nachgewiesen werden.

Unmittelbar links vom Zentrum der nebenstehenden Nadir-Farbansicht befindet sich ein etwa 50 Kilometer durchmessender Impaktkrater, dessen schüsselförmige Vertiefung zu einem erheblichen Teil von dicken Sedimentschichten angefüllt ist, welche dabei eine ebene Fläche gebildet haben. Diese Sedimente wurden durch Flüsse, welche in Breschen im Norden und Westen in den Krater mündeten, eingebracht und abgelagert. Die oberste und somit jüngste Schicht dieser Ablagerungen zeigt ein schlierenartiges Muster, was den Transport und die Ablagerung durch ein fließendes Gewässer untermauert.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein perspektivischer Blick über die durch die HRSC-Kamera abgebildete Region. Hier sind verschiedene ungewöhnlich erscheinende schwarze Flecken erkennbar.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Unterhalb des nordöstlichen Randes dieses Kraters sind in dessen Innerem einige ungewöhnliche, dreieckige schwarze Flecken zu sehen. Hierbei handelt es sich um ein ausgedehntes Feld von verstreut angeordneten Sanddünen, welche der Wind durch die Ablagerung von dunklem Material – vermutlich handelt es sich dabei um Asche oder Staub von ursprünglich vulkanischer Herkunft – vor dem Kraterrand abgelagert und angehäuft hat.

Ein weiteres interessantes Phänomen in der abgebildeten Szenerie sind zudem verschiedene Krater, die wie auf einem Sockel zu sitzen scheinen, welcher diese Impaktstrukturen umgibt. Ein gutes Beispiel für eine derartige, von den Marsgeologen als „Rampart-Krater“ bezeichneten Struktur findet sich in dem großen Krater im Südosten der Szene (links unten in der Nadir-Farbansicht).

In Inneren der beiden Krater im Süden des abgebildeten Bereiches (am linken Bildrand der Nadir-Farbansicht) fallen weitere ungewöhnliche Strukturen auf. Die verschiedenen Schichten unterscheiden sich hier deutlich in ihrer Struktur und Farbe. Die zuoberst liegende Sedimentschicht erscheint deutlich heller und verfügt zudem über eine sehr glatte Oberfläche. Zusätzlich scheint sie nicht besonders dick auszufallen.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein weiterer perspektivischer Blick über die durch die HRSC-Kamera abgebildete Region der Charitum Montes.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Dies ist daran zu erkennen, dass diese Schicht selbst relativ kleine Einschlagskrater kaum vollständig bedeckt, sondern dass sich deren Umrisse noch deutlich unter der Sedimentdecke abzeichnen. Die Umrisse dieser Schicht sind auffallend scharf, was vielleicht das Ergebnis eines jüngeren Erosionsprozesses ist. Die unter dieser Sedimentdecke liegende Schicht ist etwas dunkler und zeigt eine raue, texturierte Oberfläche. Zusätzlich hebt sich noch eine weitere Sedimentschicht deutlich von den anderen Ablagerungen ab, welche infolge der erfolgten Erosion Tafelbergen ähnelnde Strukturen bildet.

Die hier gezeigten Nadir-Farbansicht der Nereidum Montes wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivische Schrägansichten wurden aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren können die Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wird, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
Weitere während des Orbits Nummer 10.778 durch die HRSC-Kamera angefertigte Aufnahmen der Charitum Montes finden Sie auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.

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