Mindestens zwei von Plutos kleineren Monden taumeln

Die Raumsonde New Horizons nähert sich dem Zwergplaneten Pluto immer weiter an. Die Analysen der von der Raumsonde gesammelten Daten ergeben zusammen mit den von dem Weltraumteleskop Hubble gewonnenen Informationen mittlerweile ein immer detailgenauer ausfallendes Bild über die Natur dieses an den Grenzen unseres Sonnensystems gelegenen und aus sechs einzelnen Objekten bestehenden ‚Mini-Systems‘.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JHU/APL, Hubble Space Telescope, ESA, Nature. Vertont von Peter Rittinger.

NASA, JHU/APL, SwRI
Diese zwischen dem 25. April und dem 1. Mai 2015 angefertigte Aufnahmesequenz zeigt die RAW-Daten der LORRI-Kamera an Bord der Raumsonde New Horizons (links), eine nachträglich bearbeitete Version dieser Aufnahmen (Mitte) und die Umlaufbahnen der vier Plutomonde Styx, Nix, Kerberos und Hydra (rechts), welche sich in Entfernungen von 42.000, 49.000, 58.000 und 65.000 Kilometern und das gemeinsame Baryzentrum von Pluto und Charon bewegen. Durch weiter Beobachtungen können mittlerweile unter anderem auch die jeweiligen Bahnparameter dieser Monde noch genauer als bisher möglich bestimmt werden.
(Bild: NASA, JHU/APL, SwRI)

Die von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Raumsonde New Horizons nähert sich nach einer Flugdauer von mittlerweile mehr als neun Jahren immer weiter dem primären Ziel ihrer Reise – dem im äußeren Bereich unseres Sonnensystems beheimateten Zwergplaneten Pluto. Bereits am 15. Januar 2015 – und somit sechs Monate vor dem am 14. Juli um 13:50 MESZ in einer Entfernung von 12.500 Kilometern über dessen Oberfläche erfolgenden Vorbeiflug am Pluto – begann dabei eine systematische Beobachtungskampagne des Zwergplaneten und seiner Monde. Erst kürzlich war die LORRI-Kamera der Raumsonde in der Lage, erstmals alle fünf bisher bekannten Monde des Pluto abzubilden (Raumfahrer.net berichtete).

NASA, JHU/APL, SwRI
Der Zwergplanet Pluto und sein größter Mond Charon umkreisen – wie auf diesen bereits zwischen dem 19. und dem 24. Juli 2014 angefertigten Aufnahmen der LORRI-Kamera an Bord der Raumsonde New Horizons erkennbar ist – ein gemeinsames Massezentrum. Die sich dadurch ergebenden Schwerkraftverhältnisse haben auch Auswirkungen auf die vier deutlich kleineren Monde des Pluto.
(Bild: NASA, JHU/APL, SwRI)

Diese Aufnahmen wurden und werden aktuell immer noch in erster Linie erstellt, um die exakte Flugbahn der Raumsonde zu bestimmen und zu ermitteln, ob für die erfolgreiche Durchführung des für den 14. Juli 2015 vorgesehenen Vorbeifluges am Pluto ein weiteres Kurskorrekturmanöver notwendig ist.

Zugleich dienen diese Aufnahmen jedoch auch der Suche nach weiteren, bisher unentdeckten Monden und der Klärung der Frage, ob dieser Zwergplanet eventuell von einem Ringsystem umgeben ist, denn nicht nur die Gasplaneten unseres Sonnensystems, sondern auch verhältnismäßig kleine planetare Objekte können offensichtlich von solchen aus Staubpartikeln und Eiskristallen bestehenden Ringen umgeben sein (Raumfahrer.net berichtete). Sollte dies auch bei Pluto der Fall sein, so könnte dies eine ernsthafte Gefahr während der Durchführung des Pluto-FlyBys darstellen. Eine auf die eventuelle Existenz eines solchen Ringsystems im Bereich des Pluto bezogene Studie wurde zum Beispiel im Jahr 2014 von P. M. Pires dos Santos et al. veröffentlicht.

Zugleich können durch die Auswertung solcher Aufnahmen jedoch auch die Bahnparameter der bisher bekannten Monde des Pluto eingegrenzt und weiter verfeinert werden. Hierfür greifen die an der Mission beteiligten Wissenschaftler allerdings auch auf Daten zurück, welche in der Vergangenheit im Rahmen von entsprechenden Beobachtungskampagnen mit dem Weltraumteleskop Hubble gewonnen wurden.

Der 2.310 Kilometer durchmessende Zwergplanet Pluto umkreist zusammen mit seinem größten Begleiter, dem etwa 1.212 Kilometer großen Mond Charon, ein gemeinsames Massezentrum, welches sich mehr als 1.000 Kilometer außerhalb des Masseschwerpunktes des Pluto befindet. Zusätzlich bewegen sich um dieses gemeinsame Baryzentrum zudem die vier weiteren bisher bekannten, allerdings deutlich kleineren und somit auch masseärmeren Plutomonde Styx, Nix, Kerberos und Hydra.

Bahnresonanzen
Die sich dabei ergebenden Umlaufzeiten, Rotationsperioden und Bahnresonanzen der somit sechs innerhalb des Pluto-Systems befindlichen Objekte wurde jetzt von Mark R. Showalter vom SETI-Institut in Mountain View im US-Bundesstaat Kalifornien und von Douglas P. Hamilton von der Universität Maryland/USA eingehender analysiert. Dabei stellten die beiden Wissenschaftler unter der Verwendung von Daten, welche bereits in den Jahren 2005 bis 2012 mit dem Hubble Space Telescope gewonnen wurden, fest, dass sich die Monde Styx, Nix und Hydra in einem Resonanzverhältnis zu Pluto bewegen und diesen in dementsprechenden Zeitabläufen umkreisen.

NASA, ESA, A. Field (STScI)
Diese Illustration zeigt die fünf derzeit bekannten Monde des Zwergplaneten Pluto und verdeutlicht sowohl deren bisher bekannte Durchmesser als auch das jeweilige Rückstrahlvermögen – die Albedo – von deren Oberflächen.
(Bild: NASA, ESA, A. Field (STScI))

Der Zwergplanet Pluto benötigt für eine vollständige Drehung um seine Rotatiosachse etwa sechs Tage, neun Stunden und 17 Minuten. Um den Pluto einmal vollständig zu umrunden benötigen die erwähnten Monde dagegen eine Zeitspanne, welche ziemlich genau dem Dreifachen, dem Vierfachen beziehungsweise dem Fünffachen dieses Werts entspricht. Allerdings, so die Wissenschaftler, ist das Schwerefeld des Pluto-Charon-Systems letztendlich auch dafür verantwortlich, dass sich für diese kleineren Monde auch ein Orbitverlauf ergibt, welcher mehr oder weniger ‚chaotisch‘ verläuft.

Keine gebundene Rotation
Bisher gingen die Wissenschaftler allgemein davon aus, dass die kleineren Monde des Pluto eine sogenannte gebundene Rotation aufweisen. Wie im Fall des Erdmondes sollten sie dem Zwergplaneten somit bei dessen Umkreisung immer die gleiche Seite der Oberfläche zuwenden.

Bei der Auswertung der Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble zeigte sich jedoch, dass die vier kleineren Monde des Pluto sich nicht exakt in der Äquatorebene des Pluto-Charon-Systems bewegen, sondern dass deren Umlaufbahnen vielmehr minimal – es handelt sich hierbei um weniger als etwa ein Grad – gegen diese geneigt sind. In Kombination mit den leicht elliptisch verlaufenden Umlaufbahnen dieser Monde ergeben sich dadurch bedingt jedoch speziell für Nix und Hydra offensichtlich auch signifikante Auswirkungen auf den Verlauf der Umlaufbahnen und auf das jeweilige Rotationsverhalten.

Die im Rahmen der Beobachtungen gewonnenen Helligkeitskurven von Nix und Hydra deuten darauf hin, dass sich diese beiden Monde – bedingt durch das dominierende Schwerkraftfeld der beiden Hauptkörper Pluto und Charon – in einer Art chaotischer ‚Pendelbewegung‘ befinden und dem Pluto deshalb keineswegs immer die gleiche Hemisphäre präsentieren.

„Pluto und Charon umkreisen einander mit großer Geschwindigkeit und verursachen so sich ständig verändernde gravitative Anziehungskräfte, welche auch auf die kleineren Monde in der Nähe einwirken“, so Douglas P. Hamilton. „Diese sich ständig verändernden Gravitationskräfte machen die Bewegungen dieser Plutomonde unvorhersagbar. Das chaotische Rotationsverhalten wird dabei noch durch die Tatsache verstärkt, dass diese Monde nicht kugelförmig geformt sind, sondern von ihrer Gestalt her eher an Rugbybälle erinnern.“

NASA, ESA, M. R. Showalter (SETI-Institut) und G. Bacon (STScI)
Diese künstlerische Darstellung, welche auf den Beobachtungsdaten des Weltraumteleskops Hubble basiert, zeigt die ‚torkelnde‘ Bewegung des offenbar ‚in die Länge gezogenen‘ Mondes Nix bei seinem Umlauf um den Zwergplaneten Pluto. Entgegen früheren Annahmen verfügt dieser Mond – genau so wie auch der Mond Hydra – nicht über eine gebundene Rotation und präsentiert dem Pluto somit keineswegs immer die gleiche Hemisphäre.
(Bild: NASA, ESA, M. R. Showalter (SETI-Institut) und G. Bacon (STScI))

„Vor der Auswertung der Hubble-Daten hat niemand mit einer derartig komplizierten Dynamik innerhalb des Plutosystems gerechnet“, so Mark R. Showalter. Sehr wahrscheinlich zeigen auch die Monde Kerberos und Styx ein ganz ähnliches chaotisches Bahnverhalten. Diese Vermutung ließ sich aber mit den bisherigen Beobachtungsdaten noch nicht bestätigen, weshalb in Zukunft weitere Untersuchungen bezüglich der Bahndynamiken erfolgen sollen. Neben weiteren Aufnahmen des Hubble Space Telescope und den in Kürze zu gewinnenden Daten der Raumsonde New Horizons setzen die Wissenschaftler hierbei auch auf das zukünftige James Webb Space Telescope.
Die Bewegung der kleineren Monde im Pluto-Charon-System könnte den Wissenschaftlern auch entscheidende Hinweise darauf geben, wie sich Exoplaneten bewegen, welche Bestandteil eines physischen Doppel- oder Mehrfachsternsystems sind. Chaotische Bewegungen, wie sie jetzt von Nix und Hydra registriert wurden, könnten bei Planeten in Doppelsternsystemen weit verbreitet sein und eventuell Einflüsse auf die dortige Wahrscheinlichkeit einer Entwicklung von Leben haben, so Douglas P. Hamilton.

Kerberos verfügt über eine ungewöhnlich dunkle Oberfläche
Bei der Auswertung der Hubble-Daten fiel den Wissenschaftlern zudem auf, dass der Mond Kerberos über eine Oberflächenfärbung verfügt, welche deutlich dunkler ausfällt als die Farbe der anderen Mondoberflächen. Die Oberflächen der Monde Styx, Nix und Hydra reflektieren laut dieser Studie in etwa 40 Prozent des auf sie einfallenden Sonnenlichtes zurück in das Weltall und weisen somit eine ähnlich hohe Albedo wie der Mond Charon auf.

Kerberos reflektiert dagegen lediglich etwa fünf Prozent des einfallenden Lichts. Dies deutet zur Überraschung der Planetologen auf eine abweichende chemische und mineralogische Zusammensetzung der Oberfläche von Kerberos hin. Eigentlich wurde erwartet, dass alle Monde des Pluto mit einer gleichmäßig zusammengesetzten Regolithschicht überzogen sind, welche sich im Laufe der Jahrmilliarden durch regelmäßig erfolgende Einschläge von Meteoriten und Kometenteilchen bildete. Bei Kerberos scheinen jedoch vermehrt kohlenstoffhaltige Materialien die Oberfläche zu bedecken.

Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden am 3. Juni 2015 von Mark R. Showalter und Douglas P. Hamilton unter dem Titel „Resonant interactions and chaotic rotation of Pluto’s small moons“ in der Fachzeitschrift Nature publiziert.

Derzeit ist die Raumsonde New Horizons noch etwa 47,8 Millionen Kilometer von ihrem Ziel entfernt und nähert sich dem für den 14. Juli 2015 angepeilten ‚Treffpunkt‘ mit Pluto dabei gegenwärtig mit einer Geschwindigkeit von 13,8 Kilometern pro Sekunde an. Stündlich aktualisierte Angaben dieser Entfernungs- und Geschwindigkeitswerte finden Sie auf dieser Internetseite des JHU/APL.

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