Mondforschung einmal anders

Das seit 1999 um die Erde kreisende Röntgenstrahlen-Teleskop Chandra ist auf unseren Erdmond gerichtet worden, um mehr über die Zusammensetzung der Mondoberfläche zu erfahren.

Ein Beitrag von Michael Stein. Quelle: CXC.

Aufnahme des Mondes im sichtbaren Licht sowie im Bereich des Röntgenspektrums.
(Foto: R.Gendler; NASA/CXC/SAO/J.Drake et al.)

Wenngleich das amerikanische Röntgenteleskop Chandra natürlich in erster Linie zur Beobachtung extremer kosmischer Phänomene außerhalb unseres Sonnensystems vorgesehen ist lassen sich damit doch auch neue Erkenntnisse über sehr nah gelegene und überhaupt nicht extreme Objekte wie unseren Mond gewinnen. Im Juli 2001 wurde Chandra auf den Mond gerichtet und stellte eine vor allem von der durch die Sonneneinstrahlung beleuchteten Hälfte unseres Trabanten ausgehende Röntgenstrahlung fest.

Das alleine ist für die Wissenschaftler der Chandra-Mission noch keine neue Erkenntnis. Der diese vom Mond emittierte Röntgenstrahlung verursachende Prozess nennt sich Fluoreszenz und ist seit langer Zeit wohlbekannt. Im Falle des Mondes ist solare Röntgenstrahlung der Initiator dieses Prozesses, denn sie schlägt aufgrund der ihr eigenen hohen Energie Elektronen aus den inneren Bereichen der Atome heraus. Dadurch werden diese Atome jedoch in einen stark instabilen Zustand versetzt, der nur durch das Auffüllen der entstandenen „Lücke“ beendet werden kann. Dies geschieht, indem beinahe sofort andere Elektronen „eingefangen“ werden, und bei diesem Vorgang wird ein Teil der Energie dieser Elektronen in Röntgenstrahlung umgewandelt, die wiederum von Chandra beobachtet werden kann.

Durch Analyse der aufgefangenen lunaren Röntgenstrahlung konnte das Vorkommen verschiedener Elemente wie Sauerstoff, Magnesium, Aluminium und Silizium in weiten Bereichen der Mondoberfläche bestätigt werden. Die Verteilung und das Vorkommen dieser Elemente ist wiederum ein neuer Mosaikstein bei der Beantwortung der Frage, wie unser Mond entstanden ist. Die derzeit populärste Theorie nimmt an, dass in der Frühzeit unseres Planeten vor 4,5 Milliarden Jahren eine Kollision mit einem anderen Himmelskörper stattgefunden hat, der in etwa die Größe des Planeten Mars gehabt haben soll. Die aus dieser gigantischen Katastrophe entstandene, die Erde umkreisende Trümmerwolke soll sich dann im Laufe vieler Millionen Jahre zu unserem Mond verdichtet haben. Durch Vergleich des Vorkommens und der Verteilung verschiedener Elemente auf Mond und Erde kann diese Theorie unterstützt werden – oder auch nicht.

Das Röntgenstrahlen-Teleskop Chandra im Erdorbit.
(Grafik: CXC/NGST)

„Wir haben Mondproben von den sechs weit verteilten Apollo-Landestellen, aber Fernerkundung mit Chandra kann ein viel größeres Gebiet abdecken“, so Jeremy Drake vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge (USA). „Es ist abgesehen von Vor-Ort-Untersuchungen die nächstbeste Methode, und sie ist sehr schnell und kosteneffektiv.“ Die vor wenigen Tagen gestartete europäische Mondsonde SMART-1 hat ebenfalls einen Röntgenstrahlenspektrometer an Bord, der durch Analyse der Fluoreszenz-Röntgenstrahlung der Mondoberfläche ihre Zusammensetzung analysieren soll. Aufgrund der ungleich geringeren Entfernung zum Mond wird SMART-1 allerdings in der Lage sein, eine deutlich besser aufgelöste Karte der chemischen Elemente in der Mondoberfläche zu erstellen.

Ganz nebenbei hat die vor zwei Jahren stattgefundene Mondbeobachtung wahrscheinlich auch ein Rätsel gelöst, dass durch den Anfang der 1990er Jahre aktiven deutschen Röntgenstrahlen-Satelliten ROSAT aufgeworfen worden ist. Verschiedene Beobachtungsdaten von ROSAT – übrigens der leistungsfähigste Vorgänger von Chandra – hatten Röntgenstrahlenemissionen auf der Nachtseite des Mondes nahe gelegt, was sich die Wissenschaftler nicht erklären konnten. Doch mit Hilfe von Chandra scheint die Lösung des Rätsels gefunden worden zu sein: Es gab niemals ein Rätsel.

„Unsere Resultate zeigen deutliche Anzeichen dafür, dass die so genannten Dark Moon X-Rays nicht von der dunklen Seite des Mondes stammen. Das beobachtete Röntgenspektrum, die Intensität der Röntgenstrahlen und die Veränderung der Röntgenstrahlungsintensität im Zeitverlauf können samt und sonders durch Emissionen der äußersten Erdatmosphäre erklärt werden, durch die Chandra fliegt“, so Brad Wargelin vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. Demnach hätte ROSAT seinerzeit also eine Röntgenstrahlung registriert, die nicht auf dem Mond, sondern in den obersten, mehrere zehntausend Kilometer über der Erdoberfläche befindlichen Schichten der Erdatmosphäre entstanden war, als energiereiche Partikel des so genannten Sonnenwinds mit Atomen dieser extrem dünnen Atmosphärenschichten kollidiert sind.

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